HIGH TRUST

teamIm Zusammenhang mit „Vertrauen“ habe ich diesen kleinen Text gefunden:

„Für Männer sind demnach die symbolischen Beziehungen und Bindungen, die durch die Zugehörigkeit zur gleichen Gruppe entstehen, die Basis des Vertrauens in Fremde, kommentieren die Forscher. Frauen dagegen gründen ihre Entscheidung praktisch ausschließlich auf persönliche Bindungen, auch wenn diese eher lose erscheinen…. Aus diesem Grund vertrauen Männer im Allgemeinen mehr Menschen als Frauen, da sie nicht zu allen persönliche Beziehungen aufbauen müssen.“ Marilynn Brewer, William Maddux (Ohio-State-Universität, Columbo): Group Processes & Intergroup Relations, Bd. 8, Nr. 2, S. 159

http://www.wissenschaft.de/wissenschaft/news/255139.html

Mit meinen MitarbeiterInnen verbinde ich beide Aspekte (Gruppenzugehörigkeit und persönliche Bindung). Ohne Vertrauen in sie, könnte meine Vision einer kooperativen, auf der Autonomie der / des Einzelnen basierenden Arbeitsumgebung schwer realisiert werden.

I. Dabei mischen sich meine Erwartungen daran, was sie können (Kompetenz) und wie sie sich mit gutem Willen (Benevolenz) authentisch regelkonform einbringen (Integrität).
Zur Integrität habe ich ein schönes Zitat gefunden: „Real integrity is doing the right thing, knowing that nobody’s going to know whether you did
it or not.“ – Oprah Winfrey
Es gehört zu den gemeinsam getragenen Werten der Praxis, diese Vertrauensgrundlage zu pflegen und zu unterstützen. Dazu gehört auch, zu erkennen, wenn Defekte auftreten. Diese gilt es – beiderseits! – anzusprechen und zu beheben.
Das heisst: Angelegenheiten direkt und klar ansprechen!

II. Ohne diese Mechanismen gemeinsamer Weiterentwicklung wäre Vertrauen bloß eine Möglichkeit der der „Reduktion von interaktioneller Komplexität“ (Luhmann) bzw. eine Art des Umgangs mit „Unsicherheit“. Das wäre in meinen Augen defensiv und wenig die Eigenkräfte im Sinne eines „Empowerments“ stärkend. Dies korreliert für mich ganz deutlich mit dem gezeigten Respekt vor der Würde jedes Team-Mitglieds.
Das heisst: Respektvoll miteinander umgehen!

III. Dazu ist es meines Erachtens wichtig, transparent zu bleiben. Also die Angelegenheiten, die für den Praxisbetrieb von Belang sind, so zu kommunizieren, dass sie überprüfbar und veränderbar werden. Dazu folgendes Zitat: “Trust happens when leaders are transparent.“
– Jack Welch, Former CEO, G.E.
Das heisst: Transparenz schaffen!

IV. Bei allem Vertrauen gibt es einen „Pferdefuss“: Die Defektion – also der Bruch im Vertrauenskontinuum – muss für alle Seiten klar erkennbar – und im Zweifelsfall auch sanktionierbar werden. Und dabei erscheint mir die gegenseitige Sanktionierbarkeit der einzige gangbare Weg. Wenn ich als Chef in einer Situation etwas „verbocke“, dass zu einem Vertrauensverlust bei MitarbeiterInnen führt, soll das genauso ansprechbar und „heilbar“ sein wie umgekehrt. Ich dachte lange, es sei wichtig, dass ich als „Vertrauensgeber“ quasi einseitig aufgrund meiner eigenen Werte als „Beispiel voranginge“. Mittlerweile ist mir klar, dass auch meine MitarbeiterInnen MIR vertrauen. Dazu ist eine „fehlertolerante“ professionelle Grundlage hilfreich, die ein schnelles „Entschuldigen“ und eine „kontinuierliche Verbesserung der Arbeitsprozesse“ möglich werden. Dazu folgendes Zitat:
„What I call Level 5 leaders build enduring greatness through a paradoxical blend of personal humility and professional will.“
– Jim Collins
Das heisst: Fehlertolerante die Prozesse verbessern.

V. Loyalität zeige ich darin, dass ich wann immer ich von /über jemanden im Team spreche, der gerade nicht da ist, so tue, als sei er/sie anwesend. Man kann sich auf mich verlassen. Ich stelle mich vor und hinter meine Mitarbeiterinnen. Sie sind die wichtigste Ressource als Menschen in unseren Therapien. Führung, die illoyal wird, verliert meines Erachtens ihren Respekt. Das bedeutet zum Beispiel auch, nicht abfällig oder entwertend über die Fähigkeiten anderer Therapeuten zu sprechen.
Das heisst: Ich verhalte mich loyal im Team.

VI. Exzellente Ergebnisse sind die Folge vieler Faktoren. Die Performanz und das Engagement aller Teammitglieder gehört sicher dazu. Ergebnisorientierung ermöglicht quantitativen und qualitativen Vergleich und Verbesserung. Dazu ist es meines Erachtens notwendig, einerseits alle Grundlagen für persönliche Leistungsfähigkeit zu schaffen.
Das heisst: Exzellente Ergebnisse durch optimale persönliche Performanz.

VII. Andererseits ist es notwendig, „Bremsen“ der Entwicklung zu lösen. Vertrauen muss nicht verdient werden bei mir, sondern es wird bewiesen – und zwar durch persönlichen Erfolg. Deswegen ist die persönliche Entwicklung der Therapeutenpersönlichkeit ein unabdingbarer Faktor!
Dazu ist es notwenig, immer wieder dazuzulernen, sich gegenseitig rückzuversichern und gemeinsam auszuhandeln, was gebraucht wird, um besser zu werden.
Das heisst: Besser werden als lernende Organsiation.

VIII. Die Realität bringt gute und schlechte Situationen. Den Kopf in den Sand zu stecken und unangenehme Wahrheiten nicht auszusprechen, nur um der „Harmonie willen“ verbessert nicht die Vertrauensgrundlage. Sie unterminiert sie. Gute Nachrichten werden gerne geteilt. In einer Krise zeigt sich dann aber sehr schön, wie Vertrauen funktionieren kann. Wenn nämlich jedeR offen die von ihm/ihr wahrgenommene Wirklichkeit anspricht. Dazu ein schönes Zitat zu offenem Dialog etc.:
„We strive to tell everyone everything we can. We want a culture with open dialogue and straight answers. In terms of our work with employees, we have been direct with them even when they don’t like the answer. Our goal is not to please everyone but instead for them to trust that what we tell them is the truth. You can’t work the tough issues we face unless everyone, starting with the senior team, trusts one another.“
– Greg Brenneman, former CEO, Continental AIrlines
Das heisst: Sich gemeinsam der Realität stellen.

IX. Ich erwarte hohe Eigenständigkeit, Entscheidungsfreude und Autonomie meiner MitarbeiterInnen. Dazu ist es äusserst hilfreich, klar zu stellen, was genau ich erwarte und umgekehrt genau zu verstehen, was von mir erwartet wird.
Das heisst: Erwartungen klar formulieren.

X. Als Chef bekommst du keine „Feier deiner Selbstwichtigkeit“ – und wenn du das erstrebst, suche dir Menschen, die das mitmachen. Ich wollte mit niemandem gerne arbeiten, der Lobhudeleien und Freundlichkeiten verschenkt, um damit elementare Regeln der Verantwortlichkeit zu verdecken. Freiheit – so wie ich sie verstehe – bedeutet: Verantwortlich werden für die Räume, in denen ich frei sein will. Deswegen sehe ich meinen Job gerade darin, sozusagen das Beste aus jedem Teammitglied zum Vorschein zu bringen (bzw. ihm/ihr den Support zu geben, dass er/sie das selbst hinkriegt). Dazu noch ein Zitat:
„Remember, when you were made a leader, you weren’t given a crown, you were given a responsibility to bring out the best in others. For that, your people need to trust you.“
– Jack Welch, former CEO, General Electric
Das heisst: Verantwortung übernehmen.

XI. Wenn ich glaube, ich wüsste alles, falle ich früher oder später auf die Nase. Also wäre es eine gute Idee, besser zuzuhören. Und zwar nicht nur auf einer Sachebene sondern auf allen Ebenen, die im Gespräch (der Basis kooperativem Verhaltens) angesprochen werden. Dies ist auch ein Zeichen „emotionaler Bindungsfähigkeit“.
“We’ve all heard the criticism, ‘He talks too much.’ When was the last time you heard someone criticized for listening too much?“
– Norm Augustine, Former CEO, Lockheed Martin
Das heisst für mich: Höre absichtsvoll zu.

XII. Es ist ziemlich wichtig, zu seinem Wort zu stehen. Vertrauenswürdig werde ich als Leiter einer Organisation dann, wenn jedeR sich auf mein Wort verlassen kann – und dann auch entsprechende Taten folgen. “Trust doesn’t mean they tell you everything. It doesn’t mean they don’t posture. But it means if they say, ‘We will do this,’ they will do it. It is credibility. It is integrity.“
– Scott Smith, Publisher, Chicago Tribune
Das heisst: Steh zu Deinem Wort.

XIII. Vertrauen zu üben, bedeutet: Risiken eingehen!
Eines liegt darin, nicht mehr herrschen zu können. Nicht mehr der HERR / HERRIN im „eigenen Haus“ zu sein. Solange ich alle Maßstäbe und Regeln bestimme und gegbenenfalls sanktioniere, was MIR (nicht) gefällt, habe ich natürlich ein leichteres Leben. Natürlich deshalb, weil ich mich dann ganz wundervoll frei (und beliebig) fühlen darf. Wenn ich hingegen Vertrauen auf eine neue Grundlage bringe, indem ich das Gebiet des Vertrauens immer weiter ausweite, KANN ich nicht mehr selbstherrlich BESTIMMEN. Jedenfalls kann ich mir das authentisch nicht vorstellen! Wenn aber die Teilung gemeinsamer Normen Zeichen steigender Identifikation mit dem gemeinsamen Arbeitsumfeld sein soll, werde ich das über „Gutdünken nach Gutsherrenart“ vermutlich nicht erreichen. Diese Identifikation ermöglicht meines Erachtens erst eine vollständige Integration bei Abbau von Hierarchien zugunsten heterarischer Organisationsformen.

Ein zweites Risiko Vertrauen zu üben und zu KULTIVIEREN ist, dass ohne wirksame und klare Behebung von Vertrauensbrüchen keine sinnvolle realitätskonforme Entwicklung möglich ist. Auf gut Deutsch: Vertrauensselig dem Schiff beim Kentern zuzusehen ist für mich nun nicht gerade das Bild einer Führungspersönlichkeit, eines Käptn´s. Das Bild des Schiffs und eines Kapitäns etc. nutze ich oft, um mir immer wieder klar zu machen, dass der betriebliche und therapeutische Erfolg für MICH ganz unmittelbar an diese Kultur des Vertrauens geknüpft ist.

Ein drittes Risiko (oder eine Chance) einer Vertrauenskultur ist die damit einhergehende Verletzlichkeit der gesamten „Crew“. Wir erleben intensiver, wenn wir uns verletzt fühlen. Unser Handeln wird verbindlicher, überprüfbarer und vergleichbar. Stillstand in therapeutisch-fachlicher aber auch organisatorisch-betrieblicher Sicht ist ganz sicher der Tod jeglicher Kreativität. Ohne sich verletzlich (sprich: offen für Erfahrungen etc. ) zu fühlen, lasse ich neue Erfahrungen gar nicht „an mich heran“. Ohne diese Berührung ( die auch emotional ist) kann ich wie Georg Dehn mal gesagt hat, „keinen eigenen Standpunkt entwickeln“. In der Berührung riskiere ich aber auch, meinen eigenen Standpunkt zu verlieren. So funktioniert für mich Entwicklung. Nicht durch Mauern und hallsstarriges „Voran“ sondern – sozusagen: (nochmal) mit Gefühl.
Das heisst: Vertrauensräume kultivieren und erweitern.

Wikipedia führt dazu noch aus:

„Vertrauen ist der Wille, sich verletzlich zu zeigen“ (Bijsma & Costa, 2003; Mayer, Davis & Schoorman, 1995; Rousseau et al., 1998). Dieser einfache Satz umfasst mehrere Vertrauensdimensionen: 1. Vertrauen entsteht in Situationen, in denen der Vertrauende (der Vertrauensgeber) mehr verlieren als gewinnen kann – er riskiert einen Schaden bzw. eine Verletzung. 2. Vertrauen manifestiert sich in Handlungen, die die eigene Verletzlichkeit erhöhen. Man liefert sich dem Vertrauensnehmer aus und setzt zum Vertrauenssprung an. 3. Der Grund, warum man sich ausliefert, ist die positive Erwartung, dass der Vertrauensnehmer die Situation nicht zu seinen Gunsten ausnutzt.

Abschliessend noch zum sehr engen Verhältnis zwischen Scham, Verletzlichkeit und Vertrauen eine Pionierin der Schamresilienzforschung Brené Brown:

http://www.ted.com/talks/lang/de/brene_brown_on_vulnerability.html

Grundlage meiner Textbearbeitung war: http://www.coveylink.com/documents/13-Behaviors-Handout-CoveyLink.pdf

Ein Gedanke zu „HIGH TRUST“

Kommentar verfassen