Archiv der Kategorie: Liber SOL

Aschezeit (Eliade und Bly)

asche„Die Initiation besagt, dass im Inneren des Jungen ein kindliches Wesen sterben muss, bevor er zum Mann werden kann. Die Zeit der Asche ist eine Zeit, die dafür vorgesehen ist, dass dieser ich-gebundene Junge stirbt. Der Junge im Alter zwischen acht und zwölf Jahren, den man von seiner Mutter entfernt hat, begibt sich in die Hände der alten Führer, die sein Gesicht und manchmal seinen ganzen Körper mit Asche bedecken, damit er die Farbe der Toten hat und so an den inneren Tod erinnert wird, der im bevorsteht. Vielleicht wird er für Stunden oder sogar Tage an einen dunklen Ort gebracht, wo er den Geistern der toten Vorfahren vorgestellt wird. Dann kriecht er durch einen Tunnel – oder eine Vagina – aus Gestrüpp und Zweigen. Am anderen Ende warten die alten Männer auf ihn, doch erst jetzt hat er einen neuen Namen.“ Mircea Eliade

mein herz
brennt
in höllen
ich lasse
es zu
asche werden

R. Keyser vertritt die These, dass jungen Männern zur Zeit der Wikinger manchmal zwei oder drei Aschenjahre zugestanden wurden. Auch erwähnt Keyser „einen Schlackebeißer aus dem elften Jahrhundert mit Namen Strkard, der mehrere Jahre in der Asche verbrachte, bis sein Pflegevater ihn aufforderte, an einer Kriegsfahrt teilzunehmen. Sofort stand er auf, rasierte sich, zog sich an und wurde einer der besten Krieger auf dieser Fahrt; später wurde er ein berühmter Dichter, an den auch in altnordischen Sagas erinnert wird.“Für Bly ist die Absolvierung einer Aschezeit für einen jungen Mann essentiell für sein späteres Fortkommen als verantwortungsbewusster Mann, welcher Zugang zu seiner inneren Männlichkeit und seinen emotionalen Fähigkeiten hat. Die Zeit der Asche ist wie oben beschrieben die Begegnung mit dem symbolischen Tod und der Schwächung. In ritueller Lethargie verharren die jungen Männer, bis sie der Asche überdrüssig werden, sich gegen die Asche auflehnen und sprichwörtlich aus der Asche auferstehen:
„Falls der Mann diese Schwächung nicht in aller Schärfe erlebt, wird er seine Überheblichkeit beibehalten und sich weiter mit allem in ihm identifizieren, das fliegen kann: seinen Sexualtrieb, seinem Verstand, seiner Verweigerung, eine Bindung einzugehen, seiner Abhängigkeit, seiner Kälte.“

aus: http://othes.univie.ac.at/6990/1/2009-10-19_0000409.pdf
Robert Bly, Eisenhans
Mircea Eliade,Mythen Traeume und Mysterien

Weil ich die Klinge bin und du der Kelch

Wicca6„Do what you will, I bring you the edge
I am the one to sever your head
I cut so deep, I can cut straight
All depends on the moves you make“

 

 

 

weil ich die Klinge bin
und du der kelch bist
schaffen wir ein gemeinsames feld
hier treffen wir viermal aufeinander

da bin ich ganz allein
da bist du ganz allein
da sind wir mit unserem körper und verstand
da entsteht, was uns hält

klinge, kelch, stäbe, scheiben und wakantanka
hier stehe ich und gehe keinen schritt zurück
hier bewege ich (mich) und eile in uns
hier tanzen wir im feld aus liebe und vertrauen
hier empfängst du
hier empfange ich
hier geben wir uns
was uns zu mehr macht

wir verlieren unsere namen und unsere hülle
wir gewinnen eigenmächtige bezogenheit und fülle

weil wir beide klinge und kelch sind!

 

Generative Trance (Gilligan) und acht Pfade aus Schönheit

8 Pfade aus Schönheit

Eine mich bewegende Aufnahme von Gilligan. Leider nur auf Englisch und ziemlich leise. Wer es dennoch verstehen kann, versteht ganz wesentliche Hintergründe meines eigenen Erlebens, Empfindens und (Be)Denkens.

Ich haette nicht gedacht, auf einen Menschen zu sehen, der so nah an meinen eigenen Prozessen ist. Ich erkenne Lebenslinien, ein Feld – gebildet aus den Menschen, die mir begegnen.

Ich spüre ganz deutlich, auf einem für mich passenden, ehrlichen und richtigen Weg zu sein. Ich erlebe jeden Tag Menschen (und mich selbst), die mir Berührung geben, die in mir das Feuer nähren, das mich ausmacht.

Ein Feuer jenseits meines hedonistischen Egos, ein „Feuer von Innen“ (Castaneda). 

Meine (Um)wege ergeben langsam Sinn für mich. Ich bin mir auf der Spur. Und mit freier Aufmerksamkeit spüre ich mich von Tag zu Tag besser. 

Der Schmerz meines Alltags ist noch tief und schwer. Aber die Freude in ein Feld der Verbundenheit und Zugehörigkeit einzutreten lässt mich (zaghaft noch) hoffen, in mein Leben einzutreten.

In mein Leben, das Shantideva in seinem „Eintritt in das Leben eines Bodhisattvas“ beschreibt.

 Alle acht Richtungen wirken in mir. Und aus der Tiefe meines Körpers ist eine uralte Kraft freigesetzt worden. 

Ich weiss, das klingt alles irgendwie pathetisch. Aber es ist nicht manisch, nicht niedergeschlagen, nicht aufgeregt, nicht stillschweigend. Es bin ich…

Die Sechs bestimmt und beschreibt mich. Daraus und hinein die acht Pfade. Meine alten achteckigen Skizzen, mein ägyptischer Ring, meine Erkenntnisse aus der Kabbalah, meines Havamal-Studiums: alles ist ins Leben getreten.

Ich habe mich Begegnungen geöffnet, die mich aufgeweckt haben, weil ich zulassen konnte, „schwach“, „unwissend“, „unperfekt“ zu sein: und dadurch erst konnte mein Denken Frieden finden.

Und meinem Herz die Führung überlassen, dem COR(e), der stärker wird – Tag für Tag.

 Es ist eine Zeit gekommen, Hand anzulegen. Ich packe mich.

Vater

20130520-190822.jpg

Ich danke dir dafür, dass du dir treu bist.
Weil deine Treue mir ein gutes Vorbild ist.
Ich wollte werden, wie du.
Und wurde doch ich selbst.
Ich wollte immer anders sein als Du.
Und trage Dich in mir!

Ich danke dir dafür, dass du deine tiefen Verletzungen selbst behandelst.
Weil darin eine der Wurzeln echter Männlichkeit liegt.
Ich konnte lernen, um Hilfe zu bitten
bevor du es für mich erledigst.

Ich danke dir dafür, dass du mit mir gespielt hast.
Weil du dann ganz für uns da warst.
Heute weiss ich, wie wichtig das für dich ist:
Ganz da zu sein und dich zu konzentrieren.

Ich danke dir dafür, dass du nicht perfekt bist.
Weil das tief zeigt, was wirklich wichtig ist.
Ich habe mich so oft verzettelt.
Jetzt erst lerne ich, meine Unvollkommenheit zu schätzen.

Ich danke dir, dass du für dich selbst sorgst.
Weil es überfällig ist, dich zu bitten.
Wer sonst könnte mir geben,
was ich nötig brauche, wenn nicht ich selbst?

Ich danke dir für deine Schultern,
die mich durch manche Schlucht getragen haben.
Ich kann mich auf dich blind verlassen,
denn du stehst zu deinem Wort.

Ich danke dir für deine radikale Haltung dem Leben gegenüber,
Weil darin eine schöne und liebende Stärke liegt.
Ich fürchtete mich davor und weil ich es nicht besser wusste,
wollte ich sie in mir nicht wachsen lassen.

Ich danke dir dafür, dass du trotz alledem nicht ein Egoist bist.
Weil deine Selbstliebe die Voraussetzung für Alles ist.
Ich konnte den Unterschied lange nicht erkennen.
Und wie so oft, habe ich dich in mir bekämpft.

Heute bin ich selbst ein Mann.
Einer, der neben dir steht.
Ich respektiere dich so,
wie und wer du bist.

Ich kann dich nur lieben,
weil ich selbst stark bin.
Ich habe gelernt, dass meine eigene
Verletzlichkeit keine Schwäche ist …

Das war der härteste Weg,
den ich allein gehen musste.
Auf diesem Weg habe ich bittere Tränen geweint,
weil mir dein Rat schmerzlich gefehlt hat.
Ich konnte mir deine Hilfe nicht holen,
weil ich mich geschämt habe,
dir unter die Augen zu treten.

Ich danke dir dafür, dass du immer in meinem Leben präsent bist.
Weil mir das sehr hilft, mich an mich selbst zu erinnern.
Nicht klein und hilflos vor einem mächtigen König.
Sondern stolz und eigenmächtig als Prinz und Magier.

Ich weiss um mich tief und dunkel.
Dort – in der Tiefe – bin ich dir begegnet.
In meiner Verzweiflung dachte ich oft:
Welche Lehre hat mir mein Vater geschenkt?

Ich danke, weil du mir ein Geschenk bist.
Ein sorgendes, liebendes, stilles, wütendes Geschenk.
Aber du weisst, dass man nichts geschenkt bekommt in dieser Welt:
Ausser der Liebe meines Vaters, die mich nie verlassen hat.

Ich weiss tief in mir, dass du immer bei mir bist.
In meinen schlimmsten Selbstzweifeln spüre ich dich hinter mir.
Du schützt mich und lässt niemals zu, dass mir ein Haar gekrümmt wird.
Und weil ich heute nicht nur glaube, sondern WEISS, wie du mich liebst,
habe ich überlebt und stehe vor Dir – stärker und schwächer als je zuvor.

Du weisst vielleicht noch nicht alle meine Geheimnisse.
Aber eines davon enthülle ich dir gerne:
In ehrlichem Respekt vor deiner Geschichte
nehme ich dich, so wie du bist und achte dich.

Ich achte deine Wege und deine Beweggründe.
Auch wenn ich nicht alle von dir verstehe.
Ich habe gelernt, dass das nicht nötig ist.
Es genügt, zu lieben.
Nicht aus Schwäche und Furcht oder Angst oder als Zuflucht.
Sondern, weil ich es kann und will und ich mich danach sehne.

Und weil das alles so ist und nicht anders,
kann und will und darf ich nicht wie du sein.
Ich muss und will mich selbst errichten, als der der ich bin.
Und während ich mich zu meiner vollen Grösse aufrichte,
mache ich mich zu dem, der ich bin.
Und dabei merke ich: ich bin schon der, der ich bin.

Ich dachte immer, ich müsse mich ändern.
Um dazu zu gehören.
Um nicht anders bleiben zu müssen.
Um den Schmerz der Isolation nicht aushalten zu müssen.

Meine Mühen – die nicht deine waren –
haben sich gelohnt. Sie beginnen, sich auszuzahlen.
Ich bin so wie ich bin – unvollkommen, tiefgründig, intelligent und manchmal ungeschickt.
So bin ich und das ist gut so.

Was ich von dir gelernt habe:

Vertrau dir selbst.
Geh deinen eigenen Weg.
Sorge für dich – kümmere Dich um dich selbst.
Meistere deine inneren Dämonen, bevor du urteilst.
Schere dich nicht um die Meinung der Masse.
Höre nicht auf, dich Herausforderungen zu stellen.
Prüfe dich selbst und folge dem selbst erkannten Richtigen.

Du weisst, dass die wesentlichen Angelegenheiten nicht vieler Worte bedürfen.
Das Schweigen zwischen uns ist nicht mehr schmerzlich.
Ich verstehe unser Schweigen als Zustimmung.
Und ich erkenne an, dass darin eine ungeheure liebevolle Zumutung liegt:
Den Anderen zu lieben, ohne ihn verbiegen zu wollen.
Mitfreude über unsere beider Lebensleistungen.
Kritik und Rat, wenn einer von uns ihn braucht.
Kurz, manchmal schmerzhaft aber immer:
getragen von tiefer Liebe.

Und in diesem SINN
gehören wir alle ZUSAMMEN.
Nicht, weil wir müssen, sondern weil wir wollen.

Liebe ist das Gesetz – Liebe unter Willen.
Jeder Mann und jede Frau ist ein Stern.

Mut und Kraft

Ich habe Mut und Kraft. Und mein Mut wächst mit meiner Fähigkeit, verletzbar zu bleiben. Und meine Kraft wächst mit meiner Fähigkeit, mich von dem zu trennen, was mich beschränkt. Nicole hat mich gelehrt, dass ich ein Bild verwenden kann.

Wir stehen auf einer Seite eines Flusses und suchen dort nach einer Lösung für Schwierigkeiten. Wenn es das falsche Ufer ist, ist unsere Suche (selbst wenn sie gut durchgeführt wird) fruchtlos. Manchmal ist es notwendig, auf die andere Seite – zum anderen Ufer aufzubrechen und dort zu finden, was man sucht. Manchmal springen wir in die Fluten des Flusses und lassen uns tragen. Ich erweitere das Bild und meine: Wir sind die Ufer, wir sind der Fluss und wir sind gleichzeitg der Suchende, der Findende und der, der das alles trennt. Wir können durch die Trennung hindurchgehen und finden in der Trennung eine mächtige Entscheidung für die richtige Seite, den Fluss oder das Verweilen. Vier Möglichkeiten – viermal Freiheit und Eigenmächtigkeit durch die Trennung hindurch.

Ein schönes Video der Red Hot Chili Peppers hierzu…

Im Jahr 2013 werde ich im französischen Jura eine Woche mit Männern verbringen, die den gleichen Titel trägt: MUT UND KRAFT 2013

Allein und Einsam – kämpft als Brüder und Schwestern!

Allein zu sein, ist sehr hilfreich, um die Tiefe und Begrenztheit des Eigenen spüren zu lernen. Wenn ich mich dann noch weiter analysierse, was mich von anderen unterscheidet, wird es dünner, das Eis, auf dem ich Schlittschuh fahre mit meinen Mitmenschen.

Es gibt gar nicht den Unterschied, den ich finden könnte. Uns verbindet mit jedem anderen Menschen viel mehr, als wir von einander getrennt sind. Aber wir erleben das Getrenntsein immer wieder, wenn wir ganz ehrlich zu uns sind. Dann sind wir nicht nur allein, wir sind einsam. Einsamkeit in ihrer Kälte, Härte und Ausschliesslichkeit läßt uns erstarren. Unbewegt starren wir in die konturlose Weite – in ein Nichts und Niemand, das uns keine Antworten entgegenweht.

In der Einsamkeit befinde ich mich in höchster Höhe mit gutem Rundumblick – ohne irgend etwas zu erkennen und ohne irgend etwas zu spüren. Erst wenn ich wieder allein auf dem Gipfel des Berges sitze, vermag ich die Erhabenheit zu fühlen, die darin liegt. Einsamkeit fühlt sich auch manchmal so an, als säße ich in einem tiefen dunklen Loch – berührt nur von kalter, feuchter Erde. Selbst der Ausschnitt des Himmels, der dort oben aus dem Erdreich ausgestanzt ist, birgt keine Hoffnung.Erst wenn die Kühle und Feuchte der Erde mich wieder birgt, bin ich allein.

Hoffnungslosigkeit ist ein Merkmal der Einsamkeit. Wenn du dich niemals einsam gefühlt haben solltest, wird es dir ziemlich schwer fallen, mit der Einsamkeit anderer Menschen umzugehen. Du wirst nicht verstehen können, wo hinein Einsamkeit sich einfräst. Und du wirst die Sehnsucht nach Zugehörigkeit und Geborgenheit als Schwäche interpretieren.

Bedürftigkeit ist, wenn der Druck, deinen Bedürfnisse zu befriedigen, übermächtig dein Handeln bestimmt. Wenn der Mangel an gefühlter Nähe und Gemeinsamkeit so gross geworden ist, bleibt dir kein Ausweg als in die erstbeste Nähe zu flüchten. Du hast dann keine Wahl, keine Option, da gibt es kein Abwägen oder Planen – alles Kennzeichen der autonomen Selbstregulation. Im Moment der Bedürftigkeit, verfolgst du keine Ziele – außer die Bedürftigkeit, den Mangel zu beseitigen. Ob der empfundene Mangel dazu beiträgt, dass du authentisch du selbst bist (oder bleibst) ist mehr als fraglich für mich.

Solche Bedürftigkeit anzunehmen und zu befriedigen ist ein Gebot elementarer Menschlichkeit für mich. Wenn ich aufpasse, dass es nicht in Mitleid umschlägt, sondern beim Mitgefühl bleibt, kann das sogar wirklich Liebe sein. Wenn der Modus der Interaktion fast immer so bleibt, sind es aber vermutlich nicht Amor oder Eros, die da spielen, sondern die Verwertung menschlicher Bedürfnisse – es ist ein Modus eines Egoismus, der sich auf die Einverleibung des Fremden ins Ich versteht. Das eigene Ich schwingt sich um so höher empor, wie der Partner am Boden liegt. Und darin ist nichts Eigenes des Mitleidigen mehr, das diese Hierarchisierung rechtfertigen könnte. Es ist in gewisser Weise gerade das Gegenteil jeglicher Liebe – darin kommt der Haß auf das Schwache, Wehleidige und Einsame des Partners zum Vorschein. Es ist, als stände der Eine in der Licht der Sonne und der Andere bliebe (für immer) in der Tiefe der Nacht. Das kann ich spielen – aber niemals leben!

Ich kenne die Einsamkeit sehr gut. Die Erstarrung, das Versteinerte in mir. Die Einsamkeit selbst ist für mich aber nicht eigentliche Schwäche. Sie ist der notwendige Pol des Allein-Seins. Die Einsamkeit ermöglicht Allein-Sein. Das Allein-Sein erlaubt Liebe. Liebe macht Verschmelzung und Einheit. Einheit schafft Fülle im Inneren. Fülle, die ausdruckslos wird, ist Einsamkeit. Das Auftauchen daraus schafft Allein-Sein.

Der „erwachende Morgen“ (Feinberg) ist der Mut, sich berühren zu lassen und zu berühren im lichten Tag. In der Hitze der Mittagssonne verschmelzen die Fremden zu einem Ganzen. Und wenn die Abenddämmerung heraufzieht, gehen sie ihrer Wege, beide allein – gefüllt mit den gemachten Erfahrungen. Aus dieser Fülle treten sie in ihre je eigene Nacht. Wenn ich Alles sozusagen in mich aufgenommen habe bin ich im Zustand tiefster Einsamkeit – aus der Sichtlosigkeit, einer Fremdblindheit. Wird die Fülle der Welt (des Außen) so prall, dass sie sich ins Allein-Sein entladen kann (als würden sich die Augen öffnen) beginnt die Morgendämmerung. Wenn die Einsamkeit die tiefste Nacht ist, ist das Allein-Sein die Dämmerung.

„Der Mond ist nützlicher als die Sonne, weil es nachts dunkel ist“ (Mullah Nasrudin). Der Mann, der in sich die Formgebung aktiviert und die Frau, die die Wonne der Kraft spürt: darin ist ein möglicher Schlüssel gegeben, wie jenseits eines Spiels mit Hierarchie und Macht, Unterschiedlichkeit und Ununterscheidbarkeit in einen Tanz einsteigen könnten.

Der Zyklus zwischen tiefster (oder höchster) Einsamkeit zweier Fremder, Getrennter bis hin zur ununterschiedenen und unnunterscheidbaren Einheit der Beiden läßt auch die Melodie vom Licht (Persona) und dem Schatten (Über- / Unpersönlichem) leise anklingen. Als würde der Wind die Klänge durch Nacht und Tag tragen könnte. Und weil alles – wirklich alles – in stetiger Veränderung begriffen und dynamisch wirkmächtig ist, gibt es den Stillstand, die Totenstille der Einsamkeit nur als Übergang, als Katapult in die Lebendigkeit. Ohne die Spannkraft dieses Katapults wird das Leben viel weniger lebendig sein.

Und daher gibt es auch Vollkommenheit nicht in den Inhalten unserer Gefühle, Gedanken oder unserem Körper. Sie ist nur ein Übergang in Unvollkommenheit. Unsere Ziele können – wenn wir das wilde und schöne Leben wollen – sich weder auf den einen noch den anderen Pol beziehen, ohne daran zu zerbrechen – oder eben zu Grunde gehen. Die Kraft der Leere und die Weichheit der Form: da ist Einheit in jedem Menschen!.

Damit ich nicht falsch verstanden werde. Wer nicht bereit ist, sich selbst auf diesen Pfad zu begeben, wer also nicht bereit ist, Schmerz, Leid, Ekstase und höchste Freude zu fühlen, braucht nicht auf mein Mitleid zu hoffen. „Doch die Kühnen und die Stolzen, die Königlichen und die Erhabenen: ihr seid Brüder! Als Brüder kämpft!“ (LavL). Nur eben nicht als schicksalsgegebene, schon vorgegebene und Adelslinien etablierende Ordnung der Welt bis in alle Ewigkeit. Denn der heiligste Kampf ist eben der, der mich  selbst fähig macht, die Fülle und die Leere in mir zu achten, stolz und erhaben. Und als König meiner Welt Seite an Seite mit den anderen KönigInnen kühn dem inneren und äusseren Schlachtfeld zu begegnen: Brüderlich und Schwesterlich.

Das archetypisch Beste, nicht das stereotyp Schlechteste: Der unvollkommene Zirkel

08_ausgleichung
Männer und Frauen suchen aus vollem Herzen nach dem archetypisch Besten, nicht nach dem stereotyp Schlechtesten in ihrem Handeln. Wer danach nicht sucht, sehnt sich offenbar nicht danach, in der eigenen Tiefe einen Schatz ins Bewusstsein zu heben, der über das Rein-Persönliche hinausgeht.

Eine wesentliche Unterscheidung menschlichen Lebens ist die Diskrimination über den Körper. Dieser lässt sich binär als männlich oder weiblich klassifizieren. Und dass das einen Unterschied macht, wird kaum jemand ernsthaft bestreiten.

Natürlich eint uns alle unser Mensch-Sein. Aber diese Einheit ist in der praktischen Realität der Allerwenigsten angekommen. Wir hinterfragen zu Recht gesellschaftliche Verhältnisse (Kultur, Bildung, Arbeitsverhältnisse, Reichtum etc.) und lassen unseren Fragen manchmal Konsequenzen in unserer Wahl ober Ablehnung folgen.

Ich habe den Eindruck, dass eine körperliche Mann-Frau-Identifikation deshalb kaum in breiten Gesellschaftsschichten thematisiert wird, weil die biologisch-determinierende Tatsache einer binär-polar organisierten Leiblichkeit formal dem Diskurs entzogen wird.

Damit wird der dynamischen, in dauernder Veränderung begriffenen Grundlage menschlichen Lebens jede (zumindest prinzipielle) willentliche selbstbestimmte Änderbarkeit abgesprochen. Die Aneignung des Leibs bleibt meist auf die Haut oder kurz unter der Haut (subkutan) stehen. Sie dringt (noch) nicht massenhaft auf das letzte Bollwerk selbstinszenierter Unterdrückung vor: die Geschlechtlichkeit des eigenen Leibs.

Es ist nicht der Körper selbst, der dabei Mittel menschenkonstruierter Unterdrückung ist – es ist die als unabänderliche gesetzte täglich wiederholte Geschlechtskategorisierung, die letztlich keinen Platz lässt für (auch gesellschaftlich akzeptierte) Formen der Körperneukreation jenseits der oben angesprochenen Schlechtesten vorhandener Stereotypen.

Und diese Raumlosigkeit oder Enge zwischen den Polen eines entindividualisierenden Geschlechtszuschreibungverfahrens untergräbt meines Erachtens wirkungsvoll und mächtig ausnahmslos ALLE IDEEN, die Autonomie, Selbstständigkeit und Verantwortung des /der Einzelnen zum Ziel haben.

Es ist eine Frage, eine Suche, die wir alle nur dann stellen oder aufnehmen, wenn uns Licht, Liebe, Freiheit und Autonomie in unseren Herzen WIRKLICH wichtig sind. Wie können wir glauben (oder meinen), wir seien Kreative (Schöpfer) unseres eigenen Lebens, wenn wir darauf keine Antwort in uns selbst finden können?

Was liegt unter der Oberfläche, unter unserer Haut? Und wieso könnte es spannend und aufregend sein, sich genau damit zu beschäftigen? Welches Diktat schreiben wir uns in unsere Körper ein – und wer bestimmt darüber? Ich bin auf die Suche nach den Wurzeln von Weiblichkeit und Männlichkeit gegangen – ich habe meine Antworten gefunden in einer tiefen beherzten Menschlichkeit, bereit, genommen zu werden und zu nehmen, zu empfangen und zu geben. Und dieser Mensch – der ich bin – hat keinen Namen mehr.

In der buddhistischen Terminologie konstituiert sich ein unterscheidbares (also diskriminationsfähiges) Einzelwesen durch das Sanskrit-Begriffspaar nama (Name) und rupa (Körper). Und ganz ähnlich wie in dem alten Zen – Koan aus dem Shobogenzo von Dogen Zenji sind Berge, Täler und Wälder vor und nach einer spirituellen Erfahrung oberflächlich die Gleichen geblieben. Das Bezugssystem des Praktizierenden hat sich allerdings grundlegend gewandelt.

Das Objekt meiner mehr als dreijährigen intensiven Quest war mein Körper und meine (Selbst-) Bezeichnung, also mein Name. Sie ist heute (zehn Stunden, bevor der zunehmende Mond aufgeht) beendet. Meine Ergebnisse sind profund und erfahrungsgeleitet. Sie werden teilweise in eines der Bücher einfliessen, dass ich gerade schreibe. Alle meine Ziele sind erreicht – ganz anders als ich ursprünglich dachte, aber sie sind erreicht. Ich habe meinen Körper gegen alle Widerstände erfolgreich transformiert. Ein Viertel meines Körpergewichts habe ich losgelassen. Ich glaube, dass darin Selbstbemeisterung zu finden ist.

Ich wollte ein Mann werden – und bin ein erwachter Mensch geworden. Ich habe auf meinem Weg gelernt, dass es keinen Endpunkt meiner Suche gibt, die alle Zweifel ausräumt aber es gibt ein (empfindliches) Gleichgewicht, das rund ist – ein unvollkommener Zirkel. Das ist das Zeichen, das sehr schön ausdrückt, was ich für mich gefunden habe.

Während ich versucht habe, meinen Kreis so akkurat und exakt wie möglich zu ziehen, wurde immer wieder nur etwas Halbrundes daraus. Ich habe den offensichtlichen Charakter dieses Vorgangs lange ignoriert. Doch mir ist jetzt klarer, dass Unvollkommenheit (der „schiefe“ Kreis) das Wesen – nicht nur meiner – menschlichen Existenz ist: Die Ausgleichung.

Jeder Mann und Jede Frau ist ein Stern!

MANN sein

20130410-164112.jpg

Eine rollenstereotype patriarchalen Rollenvorbildern geschuldete Männlichkeit finde ich in mir nicht. Meine Suche nach einer Redefinition meiner gesamten MENSCHLICHKEIT ( zu der innere / äussere Männlichkeit / Weiblichkeit harmonisch bezogen werden können. Zwischen Östrogen, Testosteron und Oxytocin erlebe ich aus grosser Tiefe in Bewusst- und Wachheit, was in mir vorgeht. Ich erkenne die weiblichen und männlichen Archetypen je einzeln in Licht und Schatten. Das ist anstrengend und diesen JOB kann ich nur allein in/mit mir bewältigen. Und zwar nicht als analytisch-theoretisches Bedenken, sondern in ganzheitlichem Empfinden und Intuiieren – mit meinem Herzen! Was ist stark, was ist schwach? Zu meinem grossen Glück kenne ich grossartige Frauen (und ein paar Männer). Denen kann ich mein Herz öffnen – und übernehme damit (so verstehe ich das jedenfalls) auch meinen Teil der Verantwortung für das Herz meines Gegenübers. Nicht nur eineN ANAM CARAM habe ich auf meiner Abenteuerreise getroffen. Ein Abenteuer – Tiefe und Verletzlichkeit, Wachstum und Authentizität, Freiheit und selbstbestimmte Zugehörigkeit – das sind die Schätze, die auf mich und meine SeelenfreundInnen warten.

Ich lese in dem wundervoll tiefen und mein Herz berührenden Buch von Maja „Die Sehnsucht der starken Frau nach dem starken Mann“.
In mir changieren Animus und Anima und deren Schatten in regem Wechsel. So fühle ich uneindeutig und sehne mich nach balanciertem Ausgleich. Ich spüre, wie ich „fokussiert in alle Richtungen“ hohe Energiereserven mobilisiere. In mir keimt die Hoffnung, dass ich mich einer Lösung nähere.

Maja schreibt: „Die starken Frauen, die sich entschlossen haben, den Kampf der Tigerin zu kämpfen, und deren Kampfpartner verwundet am Boden liegt, müssen lernen, dass ein starker Mann nicht dem Männerbild entspricht, das das Patriarchat ihnen vorgegaukelt hat. Ein wirklich starker Mann ist ein Mann, der sich von einer Frau helfen lassen kann. Es ist ein Mann, der in der Sprache der Jungschen Psychologie seine Anima, seine eigene weibliche Seite, kennt und ihr auch Ausdruck verleiht. Es ist ein Mann, der ebenfalls passiv sein kann. Dieser Mann ist gefühlvoll und zeigt seine Gefühle auch. Wenn er schwach ist, scheut er sich nicht, seine Schwäche nach aussen sichtbar zu machen. Diese Veränderung des Männerbildes muss jedoch zunächst in der Frau selbst stattfinden, bevor sie damit in der Aussenwelt etwas anfangen kann. Indem die starke Frau, die lieber den Kampf der Tigerin kämpft, als sich zu unterwerfen, ihr eigenes inneres Männerbild verändert, verändert sich auch das Bild des Mannes, dem sie ihre Liebe schenken kann.“ (S. 170)

Und so – und nicht anders – will ich ein MANN sein. Wert, zu nehmen, was ich will. Weil ich so viel geben kann, wenn ich will – in Hingabe und Stolz, treu und tief.

Und genau dort bin ich … bereit überall hin mich zu wenden, zu gehen, mein Licht scheinen zu lassen.

Einleitung

„Die Sonne steht als Gestirn in allen Kulturen für virile feurige Kraft. Als Quelle des Lichts und des Tags werden ihr immer wieder auch magische Kräfte zugeschrieben. Sie ist nicht nur Zentrum unseres Universums, aus ihr stammt die Kraft, ohne die kein Leben sein kann. Sie steht übertragen für das schöpferisch-gebende Prinzip. Sie steht immer oben an der Spitze jeder hierarchischen Ordnung. Deshalb sind Symbole und Bilder, die diesen Aspekt der Sonne darstellen bis in die Anfänge menschlicher Zivilisation zurückverfolgbar. In allen Zeiten gab es eine kultische Verehrung der Sonne. Heute – in dieser säkularen und modernen Welt – schrecken wir vor der brachialen, urwüchsigen Stärke der Sonne zurück. Sie wird diffamiert und ihre Wirkmächtigkeit untergraben. Die Sonne kann nicht rehabilitiert werden von unten. Sie ist selbstgesetzlich keiner weiteren Rechtfertigung bedürfend. Aus ihrer Fülle, nicht ihrer Bedürftigkeit verschenkt sie sich. Daher ist die Sonne auch das Sinnbild ursprünglicher Männlichkeit. In einer Welt, in der das Männliche kaum noch etwas zählt, gilt es mir zurückzukehren zu dem Stern, der auch in mir – kraft meiner Geburt – wirkt. Religion meint genau diese Rückbindung. Ich als geborener Mann habe meine Opfergaben dem Mond gegeben. Ich spüre keinen Haß und keinen Groll gegen das Weibliche. Ich achte und respektiere die Empfänglichkeit und Hingabe des polar Weiblichen. Aber nicht aus der jahrtausende alten Furcht des Mannes vor der allverschlingenden Tiefe der Frau, sondern strahlend und ebenbürtig Seite an Seite mit ihr das Firmament durchziehend. Aber dieses Buch wird sich auf die Sonne beziehen. Und damit wird es einseitig und polar männlich-solare Prinzipien beschreiben. Die Schattenseiten grossen Lichts scheinen fast aus der Welt des Mondes zu stammen – aber das könnte sich als folgenschwerer Kategorienfehler herausstellen. Die Abwesenheit des Lichts ist eben noch nicht die Dunkelheit. Dieses Buch – das Liber SOL – bildet den energetischen Gegenpol zu meinem zuerst veröffentlichten Liber LUNA. Es gibt ein Gestirn, das in ferner Zukunft mein Interesse anzieht: der SATURN. Euch allen Licht, Liebe und Lust – in Ewigkeit. AUMGN.“

DAS GLÜCK IN DER SKLAVEREI – Ein Aufstand auf Barbados


„Ein seltsamer Aufstand forderte im Lauf des Jahres 1838 auf der friedlichen Insel Barbados blutige Opfer. Etwa zweihundert Schwarze, Männer und Frauen, sämtlich durch die März-Erlasse in Freiheit gesetzt, suchten eines Morgens ihren früheren Herrn auf, einen gewissen Glenelg, und baten ihn, sie wieder als Sklaven anzunehmen. Eine Klageschrift, verfaßt von einem Anabaptisten-Pastor, wurde vorgelegt und verlesen. Dann begann die Diskussion. Aber Glenelg wollte sich, aus Zaghaftigkeit, Unsicherheit oder einfach aus Furcht vor dem Gesetz, nicht überzeugen lassen. Worauf die Schwarzen ihm zunächst gütlich zusetzten, ihn dann mit seiner ganzen Familie massakrierten, und noch am gleichen Abend wieder in ihre Hütten zogen, ihre Palaver und gewohnten Arbeiten und Riten wieder aufnahmen. Die ganze Sache konnte durch das Eingreifen des Gouverneurs MacGregor schnell unterdrückt werden, und die Befreiung nahm ihren Fortgang. Die Klageschrift übrigens wurde nie aufgefunden.

Ich denke manchmal an diese Schrift. Wahrscheinlich enthielt sie, neben berechtigten Einwänden gegen die Organisation der Arbeitshäuser (workhouses), die Ablösung der Prügelstrafe durch die Gefängnisstrafe, und das Krankheitsverbot für „Lehrlinge“ – so nannte man die neuen, freien Arbeiter – zumindest in Umrissen eine Rechtfertigung der Sklaverei. Zum Beispiel die Bemerkung, daß wir nur für die Freiheiten empfänglich sind, die andere Menschen in eine entsprechende Knechtschaft werfen. Es gibt niemanden, der sich nicht freuen würde, frei zu atmen. Doch wenn ich mir zum Beispiel die Freiheit nehme, bis zwei Uhr morgens lustig Banjo zu spielen, so verliert mein Nachbar die Freiheit, mich nicht bis zwei Uhr morgens Banjo spielen zu hören. Wenn ich es fertigbringe, nichts zu tun, so muß mein Nachbar für zwei arbeiten. Zudem ist bekannt, daß totaler Freiheitsdrang unweigerlich schon bald nicht minder totale Konflikte und Kriege nach sich zieht. Dazu kommt noch, daß, kraft der Dialektik, der Sklave sowieso einmal zum Herrn wird, es wäre falsch, diese naturgesetzliche Entwicklung forcieren zu wollen. Ferner: sich ganz dem Willen eines anderen ergeben (wie dies Liebende und Mystiker tun), ermangelt nicht der Größe und schafft seine eigenen Freuden, so die Freude, sich – endlich! – befreit zu wissen von den eigenen Neigungen, Interessen und Komplexen. Kurz, diese kleine Schrift würde heute, mehr noch als vor hundert Jahren, als Häresie gelten: als gefährliches Buch.
Hier handelt es sich um eine andere Art von gefährlichem Buch, genau gesagt, um ein Erotikum.“

Anne Desclos, Vorwort zu „Geschichte der O“.