Ich selbst bin Anarchist, aber von einer anderen Art. (Gandhi)

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M.K. Gandhis Rede zur Einweihung der Hindu-Universität von Benares, 6. Februar 1916:

„Freunde, ich möchte meine demütige Entschuldigung für meine Verspätung aussprechen. Ihr werdet die Entschuldigung annehmen, wenn ich euch sage, daß ich nichts dafür kann noch sonstwer dafür verantwortlich ist. (Gelächter.) (…) Wir mögen vor Wut schäumen, wir mögen uns ärgern, wir mögen das übelnehmen, doch wir sollten nicht vergessen, daß das heutige Indien in seiner Ungeduld eine Armee von Anarchisten hervorgebracht hat. Ich selbst bin Anarchist, aber von einer anderen Art. Denn es gibt eine bestimmte Strömung von Anarchisten unter uns, zu denen ich sagen würde, wenn es mir möglich wäre, sie zu erreichen, daß für ihre Form des Anarchismus kein Platz ist in einem Indien, welches den Eroberer bekämpft. Sie sind ein Zeichen der Angst. Wenn wir jedoch Gott vertrauen, brauchen wir vor niemandem Angst haben, weder vor den Maharajas, noch vor den Vizekönigen, noch vor den Polizisten, nicht einmal vor König George. Ich achte diesen Anarchisten für seine Liebe fürs Land. Ich achte seinen Mut und seine Entschlossenheit, für dieses Land zu sterben, aber ich frage ihn: Ist das Töten ehrbar? Ist der Dolch des Attentäters ein angemessener Grund für einen ehrbaren Tod? Ich verneine das. Es gibt keine Rechtfertigung für solche Mittel in irgendeiner Schrift. Wenn ich es für die Befreiung Indiens notwendig fände, daß die Briten sich zurückzögen, daß sie rausgeschmissen werden müßten, würde ich nicht zögern zu erklären, daß sie gehen müßten und ich hoffe, ich wäre fähig für dieses Ziel mein Leben einzusetzen. Das wäre meiner Ansicht nach ein ehrbarer Tod. Der Bombenwerfer aber braucht die geheime Verschwörung, meidet die Öffentlichkeit und zahlt bei einer Festnahme den Preis für seinen fehlgeleiteten Eifer. Man hat mir entgegengehalten: „Hätten wir das nicht getan, hätten einige nicht Bomben geworfen, hätten wir niemals irgendwelche Erfolge in der Bewegung gegen die Teilung Bengalens erzielt.“ (…) Denkt nur an euch selbst: wenn ein Mensch, der gestern noch freundlich gewesen, jähzornig wurde, nachdem er mich getroffen hat, ist er dafür verantwortlich, daß er sich so gewandelt hat oder bin ich es nicht selbst? Die Atmosphäre des Kriechertums und der Lüge, die die Civil-Service-Leute empfängt, wenn sie nach Indien zurückkehren, demoralisiert sie. Und auch uns würde das demoralisieren. Manchmal ist es besser, sich selbst die Verantwortlichkeit aufzubürden. Wenn wir die Selbst-Regierung erreichen wollen, müssen wir uns verantwortlich verhalten. Sonst bekommen wir nie die Selbst-Regierung.“ Nach D. Rothermund: Mahatma Gandhi, München 1989, S.88f)

M. K. Gandhi (übersetzt nach Collected Works XIII, Ahmedabad 1964, S.210-216) Quelle

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