Kapitel 1: Was ist Freiheit?

kapitel1Kaum ein Begriff ist in der Ideengeschichte der Menschheit öfter strapaziert worden, als „die Freiheit“. Das deutsche Nomen „Freiheit“ ist eine Derivation des Adjektivs „frei“, es wird auch als Abstraktum bezeichnet, weil es auf eine nicht-dingliche Bedeutung verweist. Im Germanischen und Kymrischen (Keltischen) lässt sich „frei“ auf „rhydd“ zurückführen.

„Mit dieser Übereinstimmung setzen sich [diese beiden Sprachen] von den übrigen Sprachen ab, in denen *prijo ursprünglich „eigen“, dann „vertraut, lieb“ bedeutet. […] Die Bedeutung „eigen“ zu ig. per(e)i – „nahe, bei“  („das, was bei mir ist“) […] muss ursprünglich lokale Bedeutung gehabt haben.“ (Kluge & Seebold, 2002, S. 314). Das englische „Freedom“ steht dem deutschen Wort „Freiheit“ am nächsten und bezeichnet das Fehlen von Zwang bzw. Beschränkung, während „Liberty“ dem lateinischen „libertas“ näher steht und den Aspekt der Wahlmöglichkeit unter verschiedenen Alternativen betont (bopuc, 2006). „Freedom“ wäre somit als die Abwesenheit von Zwang, „Liberty“ hingegen als Anwesenheit freier Wahlmöglichkeit(en) zu verstehen.

In der Philosophie werden beide Freiheitsbegriffe als negative („Freiheit von“) und als „positive Freiheit“ („Freiheit zu“) unterschieden. Historisch haben sich nacheinander bspw. Kant, Schopenhauer und Nietzsche intensiv mit dem Freiheitsbegriff beschäftigt. Kant definiert Freiheit als „das „Vermögen […], eine Reihe von Begebenheiten von selbst anzufangen“ (Kant, 2009, S. 581). Dieser transzendentalen Idee folgt ein möglicher positiver Freiheitsbegriff bei Kant, der eng mit der Selbstbestimmung (Autonomie) verbunden ist. Durch die Autonomie wird der Mensch in die Lage versetzt, sich selbst jenseits seiner Neigungen und Triebe zu bestimmen. (Kant, 2011) Schopenhauer grenzt eine mögliche philosophische Begriffsbestimmung von einem allgemeinen Begriff der Freiheit ab: „„Dem empirischen Begriff der Freiheit zufolge heißt es: ‚Frei bin ich, wenn ich thun kann, was ich will ‘: und durch das ‚was ich will‘ ist da schon die Freiheit entschieden. Jetzt aber, da wir nach der Freiheit des Wollens selbst fragen, würde demgemäß diese Frage sich so stellen: ‚Kannst du auch wollen, was du willst!’“ (Schopenhauer, 1836, S. 6–7) Der Bedeutungsvergleich der beiden englischen Begriffe kann lose mit den beiden Begriffen, die Nietzsche mit „Freiheit von“ (freedom – als negative Freiheit) und „Freiheit zu“ (liberty –als positive Freiheit) wählt, in Beziehung gesetzt werden.

Freiheit kann unterschieden werden in Bezug auf Willens- oder Handlungsfreiheit. Dies klingt bereits bei Schopenhauer an. Wie frei sind Menschen darin, zu wollen, was sie wollen? Wie frei sind sie zu handeln, was sie wollen? Sind sie denn überhaupt frei, zu handeln? Gibt es Alternativen für das eigene Wollen und Handeln?

Wir hatten gefragt: „Was ist Freiheit?“ Eine erste Annäherung an eine mögliche Antwort ist: Freiheit ist eine Idee, eine gedankliche Konstruktion – oder: ein abstrakter Begriff. Und dazu fällt mir folgendes Filmzitat aus V wie Vendetta ein: „Mr. Creedy: „Warum stirbst du denn nicht?“ V: Unter dieser Maske befindet sich mehr als nur Fleisch. Unter dieser Maske befindet sich eine Idee Mr. Creedy. Und Ideen sind kugelsicher!“.

Das ist womöglich auch das schwierigste Problem mit der Freiheit. Du kannst sie vor Dir hertragen, an sie glauben etc. – ohne jemals den Geruch der Freiheit zu riechen oder im Schein der Feuer zu tanzen. Das ist aber gerade das Zentrum und der Titel dieses Büchleins:  das Feuer zu riechen und frei zu tanzen (smell fire-dance freely)!

Wie das gehen kann? Wir werden sehen – und fühlen … im nächsten Kapitel

Literaturverzeichnis

 

bopuc. (2006). freedom vs. liberty. Zugriff am 21.06.2013. Verfügbar unter http://bopuc.levendis.com/weblog/archives/-2006/01/07/freedom_vs_liberty.php.

Kant, I. (2009). Kritik der reinen Vernunft (Vollst. Ausg. nach der zweiten, hin und wieder verb. Aufl. 1787, vermehrt um die Vorr. zur ersten Aufl. 1781.). Köln: Anaconda.

Kant, I. (2011). Kritik der praktischen Vernunft. Köln: Anaconda.

Kluge, F. & Seebold, E. (2002). Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache (24. Aufl.). Berlin: de Gruyter.

Schopenhauer, A. (1836). Ueber den Willen in der Natur, eine Eröterung der Bestätigungen, welche die Philosophie des Verfassers durch die empirischen Wissenschaften erhalten hat. Verfügbar unter http://books.google.de/books?id=_8AIAAAAQAAJ.

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