Mut, Kraft und Entschlossenheit

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Eine Gesellschaft besteht aus einzelnen Menschen, die miteinander sich austauschen, sich unterstützen oder auch sich gegenseitig bekämpfen und einander ausgrenzen. Gesellschaft ist nicht anonyme Masse, sondern Menschen bilden Gesellschaften.

Solange Menschen über andere Menschen in ihrem Alltag Herrschaft – also sanktionierte / sanktionierbare Gewalt – ausüben, ergeben sich die Notwendigkeiten, die bestehenden Gesetze durchzusetzen, Strafen anzuwenden, Drohungen aufrecht zu erhalten. Der damit etablierte Legalismus suggeriert, dass die Gesetze, die pauschal als legal eingestuft werden, eine in sich liegende Notwendigkeit, sie zu befolgen, in sich tragen. Was sollte auch ein Gesetz, eine Verordnung, ein Bussgeldkatalog, würde man sich nicht daran halten?

Die Exekution der Gesetze ist in einem Staat – dem Machtapparat einer organisierten Herrschaftsausübung – monopolisiert. Die Polizistinnen sind Teil dieser arbeitsteiligen Exekutive, die eine der Säulen der geteilten Gewalt ist (Jurisdiktion / Rechtsprechung und Legislative / Gesetzgebung wären zwei weitere). Der Begriff „Gewaltenteilung“ könnte treffender nicht sein. Mehrheitlich und massenhaft versteht sich das deutsche Volk als eine demokratisch verfasste Gesellschaft, ich teile Kultur, Sprache und Bräuche des Volks, dessen Teil ich bin.

Die meisten Gesetze dienen der Aufrechterhaltung und Stabilisierung bestehender – funktionierender – Machtverhältnisse. Das kann man gut finden – muss mensch aber nicht! Solange – ja solange – die Gesetze befolgt werden. Welche Gesetze sind unerträglich für mich? An welche will ich mich nicht halten – und wozu? Oder um an die Wurzel des Themas zu gehen: Brauchen Menschen Gesetze – und wenn ja: wie viele und wie kommen sie zu Stande? Brauchen Menschen Herrschaft und Gewalt zur Durchsetzung der Herrschaft – und für wen, wozu und warum (also mögliche Begründungszusammenhänge)?

Viele der Menschen, die ich mag und mit denen ich zu tun habe, kümmern sich darum, ihr eigenes Leben und das Leben ihrer Familien und FreundInnen so zu organisieren, dass sie materiell, emotional, geistig und für ihre Träume zufrieden und glücklich sein können. Die meisten brauchen hierfür weder Gesetze zu übertreten noch Gewalt anzuwenden. Für mich ist der Normalzustand meines Lebens, die bestehenden Gesetze – soweit sie mir bekannt sind – zu halten. Viele von ihnen sind im Kern getragen von ethischen Haltungen, die ich teile: Würde des Menschen, Recht auf Eigentum, Sozialstaatsprinzip um nur einige zu nennen.

Es macht mir gar nichts aus, mich an dieses Set von Gesetzen zu halten, weil ich mich sowieso so verhalten würde. Das ist aber natürlich ganz etwas anderes, als es den GesetzgeberInnen vorschwebt (zumindest verstehe ich das so). Denn die Nichteinhaltung von Gesetzen ist fast immer strafbewehrt und hängt gerade nicht von meiner eigenen persönlichen Zustimmung ab. Die Gesetze des Staates gibt es nur als Bündel im Ganzen – oder vielleicht auch gar nicht? Der Faschismus italienischer Prägung hat dieses Prinzip herrschender konzentrierter Machtausübung symbolisch in den „fasces“, den Bündeln von Macht dargestellt. Daher rührt auch unser Begriff Faschismus.

Faschismus bündelt Macht. In diesem simplen Satz lässt sich ein Teil des Phänomens Faschismus beschreiben. Staaten tendieren strukturell immer dazu, solche Bündelungen – manchmal zeitweise, lokal oder themenspezifisch – vorzunehmen. Dieser Aspekt des Faschismus ist der Idee einer Herrschaft von Menschen über Menschen strukturell inhärent. Oder einfacher: Selbst demokratisch verfasste Staaten zeigen immer wieder Tendenzen in Richtung des Faschismus. Und zwar nicht aus Bosheit, sondern aufgrund der Organisation der zugrundeliegenden Prämissen der Gesellschaft(en).

Wenn wir uns den Faschismus in Aktion vorstellen wollen, müssen wir nur unser eigenes Verhalten anschauen und beobachten. Wo und wie setzen wir unsere Macht gebündelt durch? Wann setzen wir Machtmittel ein? Wieviel Spass macht es uns, bestimmen zu können, wie der „Hase läuft“? Wann halten wir den Einsatz von (körperlicher) Gewalt für legitim? Diese Vorstellungen werden uns sehr wahrscheinlich nicht gefallen. Wer möchte schon in seinem Verhalten „faschistische Tendenzen“ erkennen – wenn er / sie gerade kein erklärter Faschist ist?

Es sind die Strukturen gesellschaftlichen Lebens, die so etwas wie Herrschaft und Gewalt ermöglichen. Nicht die Gesetze schaffen Herrschaft, sondern die Ideen dahinter, die Haltungen, die uns glauben machen, wir bräuchten Gesetze und Exekution der Gesetze. Wir fürchten uns vor der Freiheit, wie schon der bedenkenswerte Titel eines Buchs von Erich Fromm ist. Und Adorno stellte bereits fest: „Es gibt kein richtiges Leben im falschen“! Unser Volk hat gute Gründe so zu leben, wie es geschieht.

Wenn wir damit nicht einverstanden sein sollten, wir uns vielleicht eine herrschaftsfreie, gewaltlose Gesellschaft wünschen, müssen wir den Arsch hochkriegen, um etwas dafür zu tun. Wir werden so eine Gesellschaft nicht geschenkt bekommen. Dafür ist die „Furcht vor der Freiheit“ vermutlich noch zu gross und mächtig. Also bleibt uns vielleicht keine Wahl, als die von uns ersehnte Gesellschaft, eine befreite Gesellschaft und ein Volk der Freien eigenständig aufzubauen. Dabei werden wir immer wieder in Konflikt mit den Gesetzen des Staates kommen, je weiter wir gehen. Wir können Frieden, Freiheit, Herrschaftsfreiheit (also: Anarchie) und Gewaltlosigkeit meines Erachtens nur erreichen, indem wir bei jedem unserer Schritte die Ziele (das Wohin und Wozu) strukturell beachten: Also wird Frieden nicht mit friedlosen Mitteln erreichbar sein etc.

Im Konflikt mit dem Herrschaftsanspruch des Staates, in dem wir leben werden uns immer wieder auch PolizistInnen begegnen. Die Art des Umgangs mit Ihnen ist für mich – nach reiflicher Reflektion – ein sensibler Gradmesser für unsere eigene Integrität. Solange wir nicht begreifen, dass diese Menschen keine Feinde sind, sondern ihre Leben dafür einsetzen, wovon sie glauben, es sei ethisch und moralisch korrekt – solange wir also deren eigene Integrität – nicht wertschätzen, werden wir an der falschen Stelle kämpfen. Wir werden unsere Kraft in die falsche Richtung schicken. Und wer mir Gewalt und Herrschaft aufzwingen will, wird in mir einen erbitterten Widersacher finden. Aber ich weigere mich, die Methoden des Faschismus zu meinen zu machen. Ich weigere mich, einen Krieg zu führen, der nur wieder neue Herrschaft etabliert. Ich weigere mich, Gewalt als Mittel zur Durchsetzung von Macht zu akzeptieren.

Es geht! Wir können anders leben! Es liegt in jeder Frau und jedem Mann, in ihrer / seiner Einzigartigkeit, sich einzubringen. Es geht! Wir brauchen uns nicht davor zu fürchten, schwach, verletzbar oder klein zu wirken. Das ist die Garantie dafür, zu siegen. Siegen heisst: In Freiheit leben! Dazu brauchen wir Mut, Kraft und Entschlossenheit: genau die Werte, die wir alle teilen, wenn – ja wenn wir Kriegerinnen und Krieger sind. Feigheit ist keine Option. Und bevor wir feige sind, handeln wir lieber! Es gibt andere Wege – und jede und jeder von uns kann sie gehen! Wir werden reich beschenkt werden dafür – in diesem Leben!

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