Always be True To Your Self

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Ich habe gute Gründe, warum ich mich so verhalte und handle und wie ich es mit mir und anderen Menschen halte. Viele dieser Gründe sind mir mittlerweile bewusst geworden. Einige bahnen sich ihren Weg in meinen Alltag aus den Tiefen meines eigenen persönlichen Unbewussten und dem unermesslichen Speicher des gemeinschaftlichen (kollektiven) Un(ter)bewussten.

Ich verkörpere Werte, Haltungen, Einstellungen lebendig und wirkmächtig. Ich hinterfrage und analysiere mein eigenes Handeln immer wieder in Hinblick darauf, ob ich mir noch „selber treu“ bin. Die Gedächtnisinhalte, die sich auf meine eigene Person beziehen nenne ich mein „Selbst“. Ich bemerke in meiner Eigenreflektion auch, dass mein Selbst (dem ich Treue „geschworen“ habe!) sich verändert, durch Wandlungen hindurchgeht. Erinnerungen verblassen, andere Erlebnisse bleiben im Gedächtnis. Der Aufmerksamkeitsfokus ändert sich von Zeit zu Zeit. Neue Wünsche entstehen, andere sind erfüllt (worden).

Ich beobachte bei meinen Freundinnen ebenfalls solche Änderungsprozesse. Ich habe den Eindruck, dass auf der Suche nach dem „Kern“ der Persönlichkeit wohl dauerhaft keine Schätze zu finden sein werden. Schlichtweg deshalb, weil es so etwas nicht zu geben scheint: einen zeitlich überdauernden Persönlichkeits- oder Wesenskern. Man nimmt alltagspsychologisch such selbst öfter mal als statisch und fest im Zeitablauf wahr. Und setzt einiges an Energie ein, um diesen festen Kern zu schützen, ihm gerecht zu werden, ihn auszuhalten etc.

Ich kann in mir solch einen Kern nicht finden – ich finde stattdessen ein Kaleidoskop vieler miteinander interagierender psychischer Subsysteme, die in einer dynamischen Lebendigkeit den jeweiligen Bezugsrahmen herstellen zwischen meinem „Selbst“, meinem „Ich“, der Intuition und der Eigenreflektion. Julius Kuhl hat in seiner PSI-Theorie geistreich und detailliert (wissenschaftlich) beschrieben, was ich (subjektiv) erlebe.

Treue zu meinem Selbst bedeutet metatheoretisch, nicht an den Inhalten meiner Gedächtnisinhalte festzuhalten (sie zu schützen, sie zu „beweisen“ oder sie zu rechtfertigen. Es bedeutet etwas Eigenwilligeres: Die Kunst, den Veränderungen im Selbst mit Freude und Zuversicht zu folgen. Ohne dabei inhaltlich sich zu beschränken, ohne sich zu etwas zu zwingen. Die grösste Kraft erlebe ich, wenn ich mir erlaube, meinem Selbs zu (ver)trauen.

Der Buddha meinte dazu: „Alle fünf Skhandas sind leer!“. Damit wollte er ausdrücken, dass sich unsere Persönlichkeit zusammensetzt aus aggregierten und zusammengesetzten Einzelteilen, wobei der jeweilige Inhalt zweitrangig bezüglich ihrer Struktur ist. Das ist mit der „Leerheit“ (sanskr. sunyata) gemeint. Und die jeweilige Struktur ist ebenfalls nur in ihrem Aspekt der Formgebung (sanskr. rupa) relevant. So oder so: weder Leere noch Form vermögen dauerhaft eine Antwort auf die Frage nach der eigenen Identität zu geben.

Ich habe Nagarjunas MMK sehr oft gelesen, ich habe das Sutra verstanden und mein Verständnis hat wesentlichen Anteil an meiner Verhaltenssteuerung. Einen mittleren Weg zwischen Ichverlöschung und Selbstaufgabe, rückhaltlosem Egoismus und unbegrenztem Mitgefühl gehen: das ist der Vorschlag des Buddhas, den ich angenommen habe, dem ich mich freiwillig verpflichtet fühle und der mein Leben mitgestaltet seit mehr als 25 Jahren. Und das Schöne darin ist für mich, dass ich mich weder als Sklave einer Religion fühle, noch alle Tugenden (Silas) immer (ein)halten muss, um vor mir selbst bestehen zu können. Meine Selbstachtung und mein Stolz auf mich ist über die Jahre erst behutsam wie ein Baum gewachsen. Aber dafür ist dieser Baum äusserst robust, knorrig und alles andere als gerade. Und das gefällt mir: was vielleicht die Hauptsache ist!

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