Das archetypisch Beste, nicht das stereotyp Schlechteste: Der unvollkommene Zirkel

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Männer und Frauen suchen aus vollem Herzen nach dem archetypisch Besten, nicht nach dem stereotyp Schlechtesten in ihrem Handeln. Wer danach nicht sucht, sehnt sich offenbar nicht danach, in der eigenen Tiefe einen Schatz ins Bewusstsein zu heben, der über das Rein-Persönliche hinausgeht.

Eine wesentliche Unterscheidung menschlichen Lebens ist die Diskrimination über den Körper. Dieser lässt sich binär als männlich oder weiblich klassifizieren. Und dass das einen Unterschied macht, wird kaum jemand ernsthaft bestreiten.

Natürlich eint uns alle unser Mensch-Sein. Aber diese Einheit ist in der praktischen Realität der Allerwenigsten angekommen. Wir hinterfragen zu Recht gesellschaftliche Verhältnisse (Kultur, Bildung, Arbeitsverhältnisse, Reichtum etc.) und lassen unseren Fragen manchmal Konsequenzen in unserer Wahl ober Ablehnung folgen.

Ich habe den Eindruck, dass eine körperliche Mann-Frau-Identifikation deshalb kaum in breiten Gesellschaftsschichten thematisiert wird, weil die biologisch-determinierende Tatsache einer binär-polar organisierten Leiblichkeit formal dem Diskurs entzogen wird.

Damit wird der dynamischen, in dauernder Veränderung begriffenen Grundlage menschlichen Lebens jede (zumindest prinzipielle) willentliche selbstbestimmte Änderbarkeit abgesprochen. Die Aneignung des Leibs bleibt meist auf die Haut oder kurz unter der Haut (subkutan) stehen. Sie dringt (noch) nicht massenhaft auf das letzte Bollwerk selbstinszenierter Unterdrückung vor: die Geschlechtlichkeit des eigenen Leibs.

Es ist nicht der Körper selbst, der dabei Mittel menschenkonstruierter Unterdrückung ist – es ist die als unabänderliche gesetzte täglich wiederholte Geschlechtskategorisierung, die letztlich keinen Platz lässt für (auch gesellschaftlich akzeptierte) Formen der Körperneukreation jenseits der oben angesprochenen Schlechtesten vorhandener Stereotypen.

Und diese Raumlosigkeit oder Enge zwischen den Polen eines entindividualisierenden Geschlechtszuschreibungverfahrens untergräbt meines Erachtens wirkungsvoll und mächtig ausnahmslos ALLE IDEEN, die Autonomie, Selbstständigkeit und Verantwortung des /der Einzelnen zum Ziel haben.

Es ist eine Frage, eine Suche, die wir alle nur dann stellen oder aufnehmen, wenn uns Licht, Liebe, Freiheit und Autonomie in unseren Herzen WIRKLICH wichtig sind. Wie können wir glauben (oder meinen), wir seien Kreative (Schöpfer) unseres eigenen Lebens, wenn wir darauf keine Antwort in uns selbst finden können?

Was liegt unter der Oberfläche, unter unserer Haut? Und wieso könnte es spannend und aufregend sein, sich genau damit zu beschäftigen? Welches Diktat schreiben wir uns in unsere Körper ein – und wer bestimmt darüber? Ich bin auf die Suche nach den Wurzeln von Weiblichkeit und Männlichkeit gegangen – ich habe meine Antworten gefunden in einer tiefen beherzten Menschlichkeit, bereit, genommen zu werden und zu nehmen, zu empfangen und zu geben. Und dieser Mensch – der ich bin – hat keinen Namen mehr.

In der buddhistischen Terminologie konstituiert sich ein unterscheidbares (also diskriminationsfähiges) Einzelwesen durch das Sanskrit-Begriffspaar nama (Name) und rupa (Körper). Und ganz ähnlich wie in dem alten Zen – Koan aus dem Shobogenzo von Dogen Zenji sind Berge, Täler und Wälder vor und nach einer spirituellen Erfahrung oberflächlich die Gleichen geblieben. Das Bezugssystem des Praktizierenden hat sich allerdings grundlegend gewandelt.

Das Objekt meiner mehr als dreijährigen intensiven Quest war mein Körper und meine (Selbst-) Bezeichnung, also mein Name. Sie ist heute (zehn Stunden, bevor der zunehmende Mond aufgeht) beendet. Meine Ergebnisse sind profund und erfahrungsgeleitet. Sie werden teilweise in eines der Bücher einfliessen, dass ich gerade schreibe. Alle meine Ziele sind erreicht – ganz anders als ich ursprünglich dachte, aber sie sind erreicht. Ich habe meinen Körper gegen alle Widerstände erfolgreich transformiert. Ein Viertel meines Körpergewichts habe ich losgelassen. Ich glaube, dass darin Selbstbemeisterung zu finden ist.

Ich wollte ein Mann werden – und bin ein erwachter Mensch geworden. Ich habe auf meinem Weg gelernt, dass es keinen Endpunkt meiner Suche gibt, die alle Zweifel ausräumt aber es gibt ein (empfindliches) Gleichgewicht, das rund ist – ein unvollkommener Zirkel. Das ist das Zeichen, das sehr schön ausdrückt, was ich für mich gefunden habe.

Während ich versucht habe, meinen Kreis so akkurat und exakt wie möglich zu ziehen, wurde immer wieder nur etwas Halbrundes daraus. Ich habe den offensichtlichen Charakter dieses Vorgangs lange ignoriert. Doch mir ist jetzt klarer, dass Unvollkommenheit (der „schiefe“ Kreis) das Wesen – nicht nur meiner – menschlichen Existenz ist: Die Ausgleichung.

Jeder Mann und Jede Frau ist ein Stern!

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