EINS

„Betrachte jeden Moment als Gelegenheit, etwas in dir selbst zu entdecken, das dir noch nicht bewusst ist.“

Betrachten, bezeugen, objektiv erkennen, was in dir ist: das ist ein Seinsmodus der Selbsterkenntnis. Jeder Moment im Kontinuum des Zeitlichen wirft Licht des Bewusstseins ins Dunkle des Nicht-Bewussten. Gelegenheiten sind wahrgenomme Möglichkeitsräume. In ihnen ist etwas möglich, dass jetzt – in diesem Moment – gelingt. In dir selbst etwas entdecken erfordert Interessiertsein, Neugierigsein, Offensein. Was ist offen, neugierig und präsent? Der Prozess, der betrachtet, bezeugt, objektiv erkennt. Was ist zu entdecken aus dem Ozean des Nicht-Bewussten? Alle inakzeptablen, abgewehrten, verneinten Lebensäusserungen aus der Tiefe. Wozu wäre es hilfreich, in dieser Haltung jedem Moment zu begegnen? Alles Wahrnehmbare und Wahrgenomme ist eine Spiegelung deiner Erwartungen, die du grösstenteils nicht kennst. Was immer du nicht akzeptierst, abwehrst, verneinst, bekämpfst ist etwas in dir, dem du Geburt verwehrst. Wenn du dich selbst hebammengleich gebären möchtest, weil du das Leben liebst, ist es hilfreich, den Seinsmodus, den ich skizziert habe, zu kultivieren.

„Sei Eins!“

In keinem Moment ist es notwendig oder hilfreich, irgend etwas an / in dir zu verändern. Du musst nicht handeln, keine Pläne machen, dich nicht grâmen. Du bist frei, es dennoch zu tun. Beobachte, ob du dadurch mehr oder weniger in deiner Gegenwart leidest. Entscheide dann selbst, ob es sich lohnt, dich als ganze, einheitliche Lebensform zu betrachten: schön, makellos und EINS. Beobachte, wie jeder Widerstand dagegen, dich als schön, makellos anzusehen, dich in zwei miteinander kämpfend verbundene Zwillingseinheiten spaltet. Sieh die ZWEIheit, die dadurch geschaffen wird. Sieh den Unterschied zum Potenzial der NULL.

Sei EINS – das ist der Seinsmodus, in dem es unterschiedslose, grenzenlose Einheit gibt. Da ist eine Kraft, die dadurch aktiviert wird. Eine ohne Zweifel, Zaudern oder Zweideutigkeiten. Lies dazu zum Beispiel Jnana-oder Advaita Vedanta-Literatur. Die Ashtavakra Gita wäre ein Beispiel dafür. Es gibt aus anderen Traditionen genügend Poesie, die diesen Zustand beschreibt. Sufi-Texte beschreiben, wie die Vereinheitlichung als „Entwerdung“ abläuft. Das Havamal der Edda etc.

Mir scheint es notwendig, den Verstand hier klar zu nutzen, um mit jedem Zweifel im Vorfeld aufzuräumen. Aber wenn du in den EINS-Raum eintrittst, ist unterscheidendes Denken schädlich. Die Zen-Literatur ist voll von Beispielen für den schmalen Grat, der zur Einheit führt. Da geschieht ein reiner, klarer Wechsel bezüglich des hauptsächlichen Verarbeitungsmodus der Wirklichkeit. Eine Verschiebung des Montagepunktes würden die Meister des Nagual/Tonal vielleicht sagen.

Zum EINS-Sein kommst du mit klarem Denken. Im EINS-Sein brauchst du klares zweifelsfreies Sein, nicht einmal willentliches, zielführendes Handeln.

Lass dich nicht verwirren. Es ist vermutlich der Übergang aus dem äusseren in den inneren Mysterienkreis beim Sonnentanz der Lakota – eigentlich möglicherweise die Anbindung an den Baum im Zentrum durch die in deine Brust gepiercten Adlerkrallen. Das sind aber keine eigenen Erfahrungen von mir. Lass dich nicht verwirren.

Ich meine es gut mit dir, wenn ich dir eine Fülle von Hinweisen gebe. Ich will es dir leicht machen, auszuwählen aus der Fülle. Du kommst aus dem Takt, wenn du meinst, du könntest nochmal drüber nachdenken, nachdem du erfahren hast, dass du über die Brücke zwischen NULL uns EINS gegangen bist. Du müsstest dazu die Wahrheit der erfahrenen Einheit negieren. Das schafft dir Leid. Der Übergang schafft nur Geburtsschmerz.


Johnny Cash – One von nitrococuk

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