Es liegt in uns – jederzeit!

love„Genug gedankt, genug geherzt, genug tiefe Gespräche erlebt.“ Wenn ich manchmal so denke und mich erfüllt fühle von den Gaben, die mir Menschen schenken, befinde ich mich schon wieder auf dem Weg in die Isolation, lehne die Fülle ab, mache mich ein bisschen kleiner, als ich bin.

In den Übergängen zwischen den Anteilen in mir, zwischen mir und dir, zwischen uns und dem Rest erstrecken sich sehnsuchtsvolle Schluchten, sanfte Bergtäler oder kleine Lücken im Kontinuum. Wie beim Hoch- oder Runterschalten kommt es zu einer kleinen Verzögerung und das Auto läuft weiter in die Richtung, in die es gelenkt wird. Ein kurzer Moment des Übergangs, des scheinbaren Stillstands, der Stille oder des Nichts. Getragen von gerade eben und noch nicht gleich.

Oft werde ich nicht verstanden, meine Betonung der Liebe klingt schon fast sentimental, ich weine oft und lächle öfter. Je mehr und intensiver ich mich mit meiner Gesondertheit, meiner Einzigartigkeit – und damit der Differenz zu allen anderen beschäftige, desto schwungvoller kann ich in die Interaktion und damit in Beziehung zu den existentiell Anderen gehen.

Aus der Bezogenheit (in der ich noch immer gerichtet bin auf den Anderen und ihn / sie in ihrem Anders-Sein voll respektiere) gelangen wir gemeinsam in das Feld der Zugehörigkeit (in dem unsere Gemeinsamkeiten, unsere Ununterschiedenheit in einer uns als Einzelwesen transzendieren Ordnung erfassen können).

Drei unterschiedliche Bewusstseinslagen und Gefühlszustände gibt es:
1) Ich mit mir selbst – Isolation und Eigenzentrierung
2) Du und Ich – gemeinsam handeln und sein lassen
3) Wir im Feld ununterschiedenen Seins – Zugehörigkeit und selbsttranszendierende Verbindung erfahren / erleben

Jede dieser Lagen hat ihre je eigene Wahrhaftigkeit und Seinsberechtigung. Sich mit einer Lage zu identifizieren und sie fundamental als Wahrheit anzusehen schafft ebenso viel Leid, wie indifferent und locker nicht zu begreifen, wie tief unser Sein wirken kann. Deswegen kann ich immer besser verstehen, von welchen „Wahrheiten“ meine Mitmenschen und ich berichten, ihre Geschichten erzählen. Von einem zu „Fest“, von einem zu „Locker“: und bei mir genau so – ich bin nicht anders – mir geht´s wie dir! Vielleicht nicht jetzt aber früher oder später. Einheit ist eine ebenso dynamische Kraft wie Einzelheitlichkeit oder Beziehung. Es sind Zeiten, durch die wir hindurchgehen. Zeiten, denen wir einen aufrichtigen Dank, ein beherztes Lachen oder berührende Gespräche entnehmen oder geben können.

Es liegt in uns – jederzeit!

Ein sehr persönlicher Nachtrag zu den letzten drei Jahren (von 2011 bis 2013) und ein paar Jahren davor:

Peter meinte gestern, als wir drei (Heiko, Peter und ich) über unsere Fahrrad-Chopper sprachen: „Jedes einzelne Rad ist einzigartig und anders – und das ist sowas von schön!“ Silke hatte mich gefragt, wie Getrenntsein und Gemeinsam-Sein zusammenpassen und ich habe verstanden, was Loyalität bedeutet. Rebecca hat mich darüber aufgeklärt, dass Liebe immer auch HANDELN bedeutet. Janine erinnert mich immer wieder daran, wie wertvoll herzhaftes Lachen ist. In völliger Isolation und Schwäche von Johanna gehalten zu werden, das hat mich „heile“ gemacht. Menschen in ihrer Verworfenheit und prinzipiellen Unverstehbarkeit für letzte Gründe können Wut erzeugen – Verena hat mich gelehrt zu verstehen, dass wir alle zu Recht wütend sein dürfen. Und ohne Yvonnes exaktes und tiefes Auseinandernehmen jeglicher Ansichten wurde mir die Weite und Tragfähigkeit von Freundschaft erst geläufig. Odette hat mir erlaubt, ein Mann bleiben zu dürfen. Beherzt und kraftvoll stand und steht Jagoda wie ein Fels in der Brandung und mahnt mich immer mal wieder daran, ich selbst zu sein (oder zu bleiben). Brittas Engagement in Lautern und Frederiks Worte über das Anderssein bringen mich immer wieder auf die Spur, dass uns Hass voneinander für immer entfernt. Menze und Gerald sind mir in den vielen Monaten des Allein-Seins in so vielen Momenten warmherzig und mitfühlend begegnet und erinnern mich an eine Männlichkeit, für die es sich zu leben lohnt. Und wenn ich an Evas Tätowierung und mein Home-Made-Branding denke, muss ich sehr tief lächeln, weil ich authentisch in den „erwachenden Morgen“ (Leslie Feinberg) aufgewacht bin. Die Überraschung und innige Verbindung im Gemeinsamen mit Sandra hat mir so viele Impulse gegeben, nicht bekloppt oder dumm zu sein, sondern OK so wie ich bin – und eben gar nicht allein. Wenn ich Luzie (mein Patenkind) in ihren unschuldigen Fragen erlebe, komme ich zu einer Einfachheit, die Verstehen ermöglicht. Und wäre an meiner Seite – unverbrüchlich, durch nichts zu zerstören – Tini nicht aufgetaucht, aus so mancher Nacht wäre ich nicht mehr erwacht.

Ich habe gelernt. Ich habe geübt. Ich war betrübt und himmelhoch jauchzend. Ich war ein wahrer Satan und Lichtbringer. Ich war unten und oben auf der Leiter zum Mond. Ich bin durch Gewalt, Selbstabwertung, Hass, Wut, Verzweiflung, Liebe, Zugehörigkeit, Bindung, Nestbau und Warmherzigkeit gegangen. Ich war Mann und Frau und irgendwas dazwischen. Ich war und bin Viele. Und viele von denen, die ich hier exemplarisch genannt habe, sind Teil eines Feldes, in dem auch ich leben kann und darf.

Ich bin für Menschen da, ich bin für mich da, was ich tu, denke, fühle, empfinde und intuiere ist Teil eines grossen Ganzen. Mit mir kann mann und frau rechnen, mit mir kann man lachen und weinen. Ich bin ein Mensch der Erde, der Luft, des Wassers und des Feuers. Ich bin daheim angekommen: in meinem (schmerzenden) Körper, in meinem Geist, in meinem Denken, in meinem Mitgefühl und in meiner Liebe zu mir – und zu den Lebewesen und der Natur. Ich bin eins!

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