Grundlegende Gedanken zum ICH

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Jeder Mensch ist Zeit seines Lebens in einem Veränderungsprozess. In diesem tauchen Geburt, älter werden und schliesslich das Sterben als stofflich-materiell erfassbare Zeitpunkte und -räume auf. Dieses elementare Wissen ist im Erfahrungsschatz der Menschheit tief gespeichert. Jedes individuelle Leben manifestiert sich in einer erfahrbaren Person. Diese Person bezeichnen wir als „ICH“. Aus der ICH-Perspektive betrachtet gibt es alles Andere, was nicht ICH ist. Dies gilt für lebendige und nicht lebendige Gegenstände bzw. Objekte.

Nun übersetzen wir das im ersten Abschnitt Geschriebene einmal in eine andere Terminologie. Innerhalb des Vajrayana, die nach Hinayana und Mahayana dritte grosse Hauptlinie des Buddhismus hat sich eine Schule des „Bewusstseins-Wegs“ (Vijnanavada) entwickelt. Im Zentrum dieser Lehre steht die Vorstellung eines überindividuellen Speicherbewusstseins (alaya-vijnana). Die karmischen Überreste einer vergangenen erfahrbaren Person gehen als Samen (vasana) in dieses Speicherbewusstsein ein. Von dort steigen diese auf, um Denktätigkeiten zu bewirken. Dieses Individualdenken wiederum veranlasst den Menschen zu denken, er sei eine reale Person in einer materiell erfahrbaren Welt. Dadurch werden Handlungen hervorgerufen, die Wirkungen auslösen (Karma). Diese wiederum bilden die Grundlage für die „Spuren“ vergangener „Existenz“.
Erlösung (Nirvana) entsteht durch die radikale Unterbrechung dieses Kreislaufes (Samsara). Der Moment der Erkenntnis oben genannter Lehre des „Nur-Bewusstseins“ bewirkt Befreiung (moksha).

Das ist harte Kost für unseren Verstand! Wenn wir uns auf diese Gedanken einlassen, geschieht etwas ziemlich Merkwürdiges: Wenn Alles Produkt unseres Geistes ist, ist nicht nur die wahrnehmbare „Aussen“-Welt eine Konstruktion des Bewusstseins, sondern auch die hiervon abgesonderte wahrnehmende und denkende Person! Das ist damit gemeint, wenn die Buddhisten sagen: Es gibt Taten aber keinen Täter. Es ist dann eben nicht so, dass „jemand“ einen Gedanken „hat“, sondern das kraft der Geistestätigkeit so Etwas wie „jemand“, eine Person, die wir „ICH“ nennen, instantiiert wird.

In einer anderen Lesart im Denken Heraklits bestimmt der überindividuelle „Logos“ die Regeln vom Werden und Vergehen materieller Gegenstände.

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