Grundlegende Gedanken zum ICH

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Jeder Mensch ist Zeit seines Lebens in einem Veränderungsprozess. In diesem tauchen Geburt, älter werden und schliesslich das Sterben als stofflich-materiell erfassbare Zeitpunkte und -räume auf. Dieses elementare Wissen ist im Erfahrungsschatz der Menschheit tief gespeichert. Jedes individuelle Leben manifestiert sich in einer erfahrbaren Person. Diese Person bezeichnen wir als „ICH“. Aus der ICH-Perspektive betrachtet gibt es alles Andere, was nicht ICH ist. Dies gilt für lebendige und nicht lebendige Gegenstände bzw. Objekte.

Nun übersetzen wir das im ersten Abschnitt Geschriebene einmal in eine andere Terminologie. Innerhalb des Vajrayana, die nach Hinayana und Mahayana dritte grosse Hauptlinie des Buddhismus hat sich eine Schule des „Bewusstseins-Wegs“ (Vijnanavada) entwickelt. Im Zentrum dieser Lehre steht die Vorstellung eines überindividuellen Speicherbewusstseins (alaya-vijnana). Die karmischen Überreste einer vergangenen erfahrbaren Person gehen als Samen (vasana) in dieses Speicherbewusstsein ein. Von dort steigen diese auf, um Denktätigkeiten zu bewirken. Dieses Individualdenken wiederum veranlasst den Menschen zu denken, er sei eine reale Person in einer materiell erfahrbaren Welt. Dadurch werden Handlungen hervorgerufen, die Wirkungen auslösen (Karma). Diese wiederum bilden die Grundlage für die „Spuren“ vergangener „Existenz“.
Erlösung (Nirvana) entsteht durch die radikale Unterbrechung dieses Kreislaufes (Samsara). Der Moment der Erkenntnis oben genannter Lehre des „Nur-Bewusstseins“ bewirkt Befreiung (moksha).

Das ist harte Kost für unseren Verstand! Wenn wir uns auf diese Gedanken einlassen, geschieht etwas ziemlich Merkwürdiges: Wenn Alles Produkt unseres Geistes ist, ist nicht nur die wahrnehmbare „Aussen“-Welt eine Konstruktion des Bewusstseins, sondern auch die hiervon abgesonderte wahrnehmende und denkende Person! Das ist damit gemeint, wenn die Buddhisten sagen: Es gibt Taten aber keinen Täter. Es ist dann eben nicht so, dass „jemand“ einen Gedanken „hat“, sondern das kraft der Geistestätigkeit so Etwas wie „jemand“, eine Person, die wir „ICH“ nennen, instantiiert wird.

In einer anderen Lesart im Denken Heraklits bestimmt der überindividuelle „Logos“ die Regeln vom Werden und Vergehen materieller Gegenstände.

Sicherheit

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Sicherheit gibt es nur in Beziehung zu Begleitumständen. Losgelöst ist Sicherheit ein Begriff, der einen großen Spielraum für Auslegungen mit sich bringt. Wer oder was ist sicher vor wem oder was? Menschen suchen Zuflucht vor den sie verstörenden Umständen. Furcht, Angst, Hilflosigkeit bis zur Ohnmacht sind Empfindungen, die den Menschen veranlassen, Sicherheit zu suchen. Der (tatsächlich vorhandene oder vermutete) Einfluss der Mächte, die dem Menschen die Sicherheit zu entreissen drohen, soll eingedämmt oder kontrollierbar werden.

Die Abwendung oder Bekämpfung von möglichen Gefahren für die Sicherheit sind zwei erprobte Mittel, um zu reagieren. Eventuell kann sogar im Vorfeld Prävention betrieben werden, um erst gar keine Gefärdung aufkommen zu lassen. Und dennoch gibt es keine 100%ige Sicherheit. Ein Rest wird immer bleiben. Es geht in letzter Konsequenz genau darum, wie mit diesem Rest Unsicherheit umgegangen wird. Eigentlich spielt es hierbei gar keine Rolle, wie gross der Rest ist.

Wir gewinnen Sicherheit womöglich gerade dadurch, dass wir in der Verletzlichkeit, die durch die Unsicherheit entstehen mag, offen bleiben oder werden. Das Abenteuer findet in diesem Raum zwischen Lächeln, Weinen, Trauern und Jubeln statt. Dieser Raum ist der angestammte Platz des Menschen. Ihn zu bewohnen, in ihm zu tanzen, zu schreiten oder zu krabbeln ist die Zumutung, die menschliches Leben so einzigartig und wundervoll macht. 

Scheitern. Scham. Schuld.

Es gibt etwas in mir, das ich nicht akzeptiere.
Es hat die Chance, mir ganze Tage zu versauen.
Es ist mächtig, schnell und läßt sich kaum „zähmen“.
Und wenn ich ihm ausgeliefert werde, fühle ich mich hilflos und unsicher.

Es ist mächtiger, als mein Verstand, mein Abwägen und Bedenken.
Sobald ich wieder „bei mir“ bin, fühle ich mich schuldig und schäme mich.
Ich suche die Schuld für die „Entgleisung“ bei mir – aber ich finde keinen
Schuldigen. Ich klage mich an, dafür, schwach und verletzlich gewesen zu sein. Es ist wie ein Instinkt – tief in mir beheimatet und es hat mir in vielen Situationen sicher meine Integrität geschützt. Jetzt hindert es mich immer wieder mal daran, mich auf Neues einzulassen und Vertrauen zu entwickeln.

Ich nenne es – diesen mächtigen Persönlichkeitsanteil – auch gerne meinen  „Verteidiger“. Er springt in die Breche und zermalmt gnaden- und gedankenlos alles, wirklich Alles, wovon er glaubt, es könnte mich einschränken, beschränken, begrenzen. Er schreitet ein, wann immer irgendwer oder irgendwas seine FREIHEIT bedroht. Ob das auch MEINE Freiheit ist, danach fragt er nicht. Er verteidigt, er greift an, er stellt sich tot. Er ist flexibel, schnell und äusserst effektiv. Insofern macht er seinen Job recht gut. Und er bewahrt mich vor so manchen Grenzverletzungen, die ich oft erleben musste (körperlich, seelisch, emotional). Er drängt sinnhaft in mein Leben. Er spürt instinktiv Körperspannung, Tonhöhe, Bewegungen und agiert ohne Zögern. Ich kann mich voll auf ihn verlassen. Ihm habe ich zu verdanken, dass ich immer noch lebe (mit meinem Kopf, meinem Herz, meinen Händen).

Die Methoden, die mein Verteidiger wählt, sind weder fein, noch kultiviert. Sie sind einfach nur effektiv. Strikt zielorientiert und taktisch ausgereift. Die Methoden beschämen mich nicht, sie erzeugen kein Scheitern und keine Schuld – sie funktionieren auf tiefster Ebene meines Verhaltens. Allerdings – und das ist schamerzeugend: die Auswirkungen der angewendeten Methoden sind verheerend.

Sie sind für mich verheerend, weil der Verteidiger einen OVERRIDE sämtlicher anderer Ziele in mir durchführt. Wenn er erwacht, halten alle anderen die Klappe und halten die Füsse still. Sie wissen: Widerspruch wäre zwecklos. Und so sind die Ergebnisse seines „Werks“ eben fast immer zerstörerisch. Ich weiss nicht, wie viele Menschen in meiner Umgebung diesem Dämon schon begegnen konnten. Aber ich weiss, dass es welche gab und gibt, die mich dafür hassen. Die hochautomatischen Abläufe des Verteidigers waren in vielen Situationen hoch funktional und dienten dem Überleben meiner gesamten Persönlichkeit. Aber heute und jetzt gibt es Methoden, die meinen Zielen auf oberster Systemebene zuwiderlaufen. Sie haben aufgehört in meiner jetzigen Persönlichkeitskonfiguration funktional zu sein. Sie schützen mich nicht mehr, sie bringen mich und andere in arge Bedrängnis. Ich werde mich darauf fokussieren, mich mit meinem Verteidiger offensiv zu beschäftigen. Er hat weiterhin seine Existenzberechtigung und hat mir „wohl gedient“ – aber es ist Zeit für eine Neukalibrierung des „Angriffsmusters“. Damit kann er seinen Job weiter machen, aber er soll meinen anderen Anteilen nicht mehr in die „Quere“ kommen.

Ein wesentlicher Versuch, mich zu schützen, zu verteidigen, ist „Panzerung“ von innen nach aussen. Schilde, die er führt. Schwerter, die er zu gebrauchen weiss. Der Kern meines Verteidigers hat Mut und ist völlig loyal zu mir als Gesamtpersönlichkeit. Er beteuert – in seiner wortkargen Art – alles nur zu „meinem Besten“ zu tun und mir zu DIENEN. Es ist Zeit in einen intensiven Austausch mit meinem „Diener“ zu gehen und ihm seinen rechten Platz zuzuweisen in meinem System. Und es gibt etwas in mir, das das kann! Mein SELBST in allen Erfahrungen ist derjenige, der das vermag. Ihm vertraut der Verteidiger – denn er ist es ja, den er schützt. Mein SELBST ist gewachsen, es ist reicher und schillernder als je zuvor. Ich spüre, weiss und erlebe mein Selbst am Werk. Und der Erfolg meines Selbst ist mein Beweis.

Ich weiss genau, wie ich automatische unwillkürliche Prozesse – nichts anderes ist der „Verteidiger“, die unerwünscht sind für mein voll integriertes Selbst sind, wirksam zu modifizieren. Aber jetzt geht es ans „Eingemachte“ – der Verteidiger kommt NICHT aus den Strahlen meiner geliebten Sonne (meines Willens) und auch nicht aus den Tiefen meines Selbst (dem Mond). Er wirkt aus dem Schatten und er stösst mich mit bestimmten Methoden, Techniken und Haltungen zurück in den Schatten. Dorthin, wo ich mich gut auskenne. Viele Leute schrecken vor Ihren Schatten zurück – ich komme aus Ihnen. Aber die Verherrlichung des Schattens und das zynische Grinsen über sein Wirken und seine Kraft endet. Ich ende die negativen Auswirkungen des Schattens in mir und erlaube meinem Schatten, mir die Tiefe zu erhalten, die so starke Sehnsucht in mir bedeutet.

ANGRIFF – ohne Unterlass! Mit gleissendem Licht und tiefschwarzem Schatten in feiner Balance. Ich arbeite daran. Ich komme voran. Meine Kapuze verdeckt mein Antlitz. die Laterne in meiner linken Hand zeigt den Anderen den Weg. Ich gehe voran. Ich bin dort, wo ich hingehöre – eine volle NEUN. Ich bin allein. Da wo ich nun bin, ist kein Platz mehr für Götter. Ich schweige und schreite… ich bin auf dem Sprung … ich bin bereit.

Attacke!

Die Attacke auf das Unhaltbare, das uns hält, aber nicht in kindlicher Unschuld wiegt, ist eine Party-Einladung an unser Selbst den Wolf unserers Selbstschutzes dazu zu nutzen, nach vorne zu gehen. Er zerreisst den Schleier von Illusionen und Selbstlügen, wenn wir ihm den Feind beschreiben. Der Feind, das ist ist unsere (kollektive) Erfahrung von Selbstwichtigkeit und Egoismus aber auch die Erfahrung von jedeM von uns, sich klein, abgewertet und hilflos zu fühlen. Der Feind ist in uns und in unseren Interaktionen. Wir sind wach, können ihn genau beschreiben, gürten uns mit flammender Liebesenergie und furchterregenden Masken – auf dass er Reissaus nimmt. Die zornigen Gottheiten in ihren verzerrten Antlitzen zeigen uns in der Schlacht. Und es gibt diesen Feind wirklich. Er ist nicht nur eine Metapher, er verführt uns real dazu, von unserem Weg abzukommen. Er wirkt. Und wir erkennen ihn, reissen ihm seine Maske der Wohlanständigkeit vom Gesicht. Da erkennen wir sein wahres Gesicht, es gleicht unserem Wolf. Aber er hat sich nur wieder verkleidet, er gleicht ihm noch nicht einmal, sondern wütet uns hinunter. Der Krieg, den wir führen, ist immer gegen diesen Feind, diesen Erzfeind gerichtet. Er ist das wahrhaft BÖSE. Und wie es das Gute gibt, gibt es auch das Böse. Und es ist in uns und um uns herum. Und wir sollten – ja wir sollten – ihn attackieren, wo wir auf ihn treffen. Aber nicht, weil wir in einem irgendwie moralischen Sinn GUT sein wollen. Unser Freund, das Gute nährt sich aus unserem Selbst, das in Verbindung steht mit allen Anderen. Es ist unser eigenes Gut. Wir bestimmen – jedeR für sich – selbst darüber. Und was dir GUT ist, ist mir vielleicht BÖSE. Aber: es gibt keinen Unterschied! Wir führen alle den gleichen Kampf, den gleichen Krieg. In der Attacke handeln wir schnell, entschlossen und hochautomatisiert. Deswegen gewinnen wir in jedem Fall. Selbst wenn der Gegner uns in den schwärzesten Farben malt, stehen wir alle gemeinsam unter der Regenbogenbrücke und kämpfen – Seite an Seite. Eine zuerst, Einer folgt, Tausende ziehen in die Schlacht. 18.000 aus jeder Welt. Und da ist Stille im Angriff. Da ist heiliger Zorn, heilige Wut. Und wenn der Gegner uns schlägt ist uns jeder Schlag eine neue Erinnerung an unsere Zwecke, nicht unsere Gründe. Denn unser Feind will uns zum WEIL bringen, doch wir stürmen ins WOZU und WOHIN: zu uns selbst!

Bronte – Ich bin Rede – Thunder Perfect Mind

naghammadiDer unter dem Titel Bronte (griech. „Donner“) oder Vollkommener Verstand bekannte Text ist Teil der Nag-Hammadi-Schriften, einer 1945 in Ägypten gefundenen Sammlung vorwiegend gnostischer Texte. Dort erscheint er als zweite Schrift des Kodex VI (NHC VI,2) Quelle: wikipedia.de. Ich konnte mit Mühe eine sehr gute deutsche Übersetzung finden. Es gibt eine feine Vertonung von Current93 (Teil 1 / Teil 2) und einen Werbespot, der den Text aufgreift.

Vor vielen Jahren konnte ich den Text in voller Länge im alten Café Old Vienna im Rahmen einer von mir organisierten Performance vortragen. Leider gibt es meines Wissens davon keine Aufnahmen mehr.

Ich — bin — Rede

Ich wurde ausgesandt aus [der] Kraft.
Und ich bin zu denen gekommen, die an mich denken.
Und ich wurde bei denen gefunden (5), die nach mir suchen.

Schaut mich an, die ihr an mich denkt!
Und ihr Hörer, hört mich!
Ihr, die ihr auf mich wartet, nehmt mich bei euch auf!
Und verbannt mich nicht (10) aus eurem Gesichtskreis!
Und laßt weder eure Stimme mich hassen noch euer Hören!
Seid nicht unwissend über mich, überall und jederzeit!
Seid auf der Hut!
(15) Seid nicht unwissend über mich!

Denn ich bin die Erste und die Letzte.
Ich bin die Geehrte und die Verachtete.
Ich bin die Hure und die Heilige.
Ich bin die Frau und die (20) Jungfrau.
Ich bin *die Mutter* und die Tochter.
Ich bin die Glieder meiner Mutter.
Ich bin die Unfruchtbare, und viele sind ihre Söhne.
Ich bin die, deren Hochzeit(en) zahlreich sind, und (25) ich habe keinen Ehemann genommen.
Ich bin die Hebamme und die, die nicht gebiert.
Ich bin der Trost meiner Wehen.
Ich bin die Braut und der Bräutigam.
Und es ist mein Ehemann, der (30) mich gezeugt hat.
Ich bin die Mutter meines Vaters
und die Schwester meines Ehemannes,
und er (sc. mein Ehemann) ist mein Ursprung.
Ich bin die Sklavin dessen, der mich gezeugt hat.
Ich bin die Herrscherin ( 14.1) über meinen Ursprung.
Aber er (sc.\ mein Vater) ist der, der [mich gezeugt hat] vor der Zeit, an einem Tag der Geburt.
Und er ist mein Ursprung [in] (der rechten) Zeit,
und meine Kraft (5) stammt von ihm.
Ich bin der Stab seiner Kraft in seiner Jugend,
[und] er ist die Stütze meines Alters.
Und was immer er will, das widerfährt mir.

Ich bin das Schweigen, (10) das unerreichbar ist,
und der Gedanke (Epinoia), dessen Erinnern zahlreich ist.
Ich bin die Stimme, deren Klang zahlreich ist,
und das Wort, dessen Erscheinung zahlreich ist.
Ich bin das Aussprechen (15) meines Namens.

Warum liebt ihr mich, die ihr mich haßt,
und haßt die, die mich lieben?
Ihr, die ihr mich verleugnet, bekennt mich,
und ihr, die ihr mich bekennt, (20) verleugnet mich.
Ihr, die ihr die Wahrheit über mich sagt,
verbreitet Lügen über mich,
und ihr, die ihr über mich Lügen verbreitet habt,
sagt die Wahrheit über mich.
Ihr, die ihr mich kennt, seid unwissend über mich,
und die, die mich nicht (25) gekannt haben,
sollen mich erkennen.

Denn ich bin die Erkenntnis und die Unwissenheit.
Ich bin die Scham und die Offenheit.
Ich bin schamlos; ich bin (30) schamhaft.
Ich bin der Krieg und der Frieden.
Gebt acht auf mich!
Ich bin die, die verachtet ist, und (ich bin) die Große.

Achtet auf meine ( 15.1) Armut und meinen Reichtum.
Seid nicht hochmütig zu mir,
wenn ich auf die Erde geworfen bin,
[und] ihr werdet mich finden in [denen, (5) die] kommen.
Und schaut nicht [auf] mich (herab) in dem Dreck,
und verlaßt mich nicht, wenn ich ausgestoßen bin,
und ihr werdet mich in den Königreichen finden.
Schaut auch nicht (10) auf mich (herab),
wenn ich geworfen bin unter die Verachteten
und in die niedrigsten Orte.
Und lacht nicht über mich.
Und werft mich nicht hinab zu denen,
die Mangel haben in (ihrer) Hartherzigkeit.
(15) Ich aber, ich bin barmherzig, und ich bin grausam.

Seid auf der Hut!
Haßt nicht meinen Gehorsam,
und liebt nicht meine Enthaltsamkeit!
In meiner Schwacheit (20) laßt mich nicht im Stich!
Und fürchtet euch nicht vor meiner Kraft!
Denn warum verachtet ihr meine Furcht
und verflucht meinen Ruhm?
(25) Ich aber bin die, die in jeglicher Furcht ist,
und die Stärke in einem Zittern.
Ich bin die, die schwach ist,
und ich bin unversehrt an einem Ort der Freude.
Ich bin (30) unverständig,
und ich bin weise.

Warum habt ihr mich gehaßt in euren Gedanken?
Denn ich werde still sein bei denen, die still sind.
Und ich werde erscheinen und sprechen.
( 16.1) Warum nun habt ihr mich gehaßt, ihr Griechen?
Etwa, weil ich ein Barbar unter [den] Barbaren bin?
Denn ich bin die Weisheit [der] Griechen
und das Wissen [der] (5) Barbaren.
Ich bin das Gericht [für die] Griechen und die Barbaren.
[Ich] bin die, deren Abbild groß in Ägypten ist,
und die, die kein Abbild bei den Barbaren hat.
Ich bin die, die gehaßt wurde (10) überall,
und die, die geliebt wurde überall.
Ich bin die, die ,das Leben` genannt wird,
und ihr habt mich ,der Tod` genannt.
Ich bin die, die ,das Gesetz` genannt wird,
(15) und ihr habt mich ,die Gesetzlosigkeit` genannt.
Ich bin die, die ihr verfolgt habt,
und ich bin die, die ihr ergriffen habt.
Ich bin die, die ihr zerstreut habt,
und ich bin die, die ihr versammelt habt.
(20) Ich bin die, vor der ihr euch geschämt habt,
und ihr wurdet schamlos mir gegenüber.
Ich bin die, die keine Feste feiert,
und ich bin die, deren Feste zahlreich sind.
Ich, ich bin ohne Gott, und
(25) ich bin die, deren Gott groß ist.
Ich bin die, an die ihr gedacht habt,
und ihr habt mich verachtet.
Ich bin ohne Weisheit,
und Weisheit geht von mir aus.
Ich bin die, die ihr (30) verachtet habt,
und ihr denkt an mich.

Ich bin die, vor der ihr euch verborgen habt,
und ihr seid vor mir in Erscheinung getreten.
Wenn ihr euch nun verborgen haltet,
(35) werde ich mich selbst offenbaren.
( 17.1) Denn [wenn] ihr [in Erscheinung tretet]
— ich meinerseits [werde mich] vor euch [verstecken].

Die, die […] durch ihn […] (5) unverständig […].
Nehmt mich […] Verständnis aus Mühsal,
und nehmt mich zu euch auf durch ein Verstehen (10) [und] Mühsal. Und nehmt mich zu euch aus den Orten, die verachtet und zerstört sind,
und raubt von den guten Dingen, wenn auch in schamloser Weise.
(15) Aus Schande nehmt mich zu euch in Schamlosigkeit,
und aus Schamlosigkeit und Scham macht meinen Gliedern Vorwürfe.
Und (20) kommt zu mir,
ihr, die ihr mich kennt,
und ihr, die ihr meine Glieder kennt,
und gestaltet die großen (Geschöpfe) in den kleinen, ersten Geschöpfen.
Kommt (25) zu der Kindheit,
und verachtet sie nicht, weil sie klein und gering ist.
Und veranlaßt nicht, daß die großen Dinge in Teilen aus (30) Kleinheiten zurückkehren,
denn die kleinen (Dinge) werden aus den großen (Dingen) erkannt.

Warum verflucht ihr mich
und ehrt mich?
(35) Ihr habt (mich) verwundet,
und ihr habt Erbarmen (mit mir) gehabt.
Trennt mich nicht von den Ersten, ( 18.1) die ihr [erkannt] habt.
[Und] vertreibt niemanden, [und nicht] bringt jemanden zurück […] […] hat euch zurückgebracht und […] (5) [kennt] ihn nicht. […] Die, die mein ist […]. Ich kannte die [Ersten], und die nach ihnen [kannten] mich.

Ich aber bin der Verstand von […] (10) und die Ruhe des […].
Ich bin das Wissen meiner Erkundigung
und das Finden derer, die nach mir suchen,
und der Befehl derer, die mich bitten,
und die Kraft der Kräfte in meiner Erkenntnis (15) der Engel,
die ausgesandt wurden durch mein Wort,
und der Götter unter den Göttern durch meinen Rat
und der Geister eines jeden Mannes, der in mir ist,
und jeder Frau, (20) die in mir wohnt.

Ich bin die, die geehrt ist, und die, die gepriesen ist,
und die, die verachtet ist in Schande.
Ich bin der Frieden,
und der Krieg (25) ist meinetwegen entstanden.
Und ich bin eine Fremde und eine Bürgerin einer Stadt.
Ich bin das Wesen und die, die ohne Wesen ist.
Die aus meinem Zusammensein stammen, kennen (30) mich nicht,
und die, die in meinem Sein sind, kennen mich.
Die mir nahe sind, kannten mich nicht,
und die, die weit entfernt sind von mir, sind diejenigen, die mich erkannt haben.
(35) An dem Tag, an dem ich [euch] nahe bin, ( 19.1) [bin ich] euch fern,
und an dem Tag, an dem ich euch [fern bin], [bin ich] euch [nahe].

[Ich bin] (5) […] des Herzens.
[Ich bin] […] der Naturen.
Ich bin […] der Schöpfung.
Ich bin […] der Schöpfung der [Geister].
[…] Frage der Seelen.
[Ich bin] das Ergreifen und das Nichtergreifbare.
(10) Ich bin die Vereinigung und die Auflösung.
Ich bin das Verweilen, und ich bin das Lösen.
Ich bin das Herabkommen, und man wird zu mir heraufkommen.
Ich bin die Verurteilung (15) und der Freispruch.
Ich, ich bin ohne Sünde, und die Wurzel der Sünde stammt aus mir.

Ich bin die Begierde aus einem Sehen,
und die Enthaltsamkeit des Herzens (20) ist in mir.
Ich bin das Hören, das für jeden erreichbar ist,
und das Reden, das nicht faßbar ist.
Ich bin eine Stumme, die nicht spricht,
und groß (25) ist die Zahl meiner Worte.

Hört mich in Milde, und empfangt Belehrung in Härte.
Ich bin die, die schreit,
und ich werde (30) auf die Oberfäche der Erde geworfen.
Ich bereite das Brot und meinen Verstand innen.
Ich bin das Wissen meines Namens.
Ich bin die, die ausruft, und ich höre.

( 20.1) Ich trete in Erscheinung und […] gehe in […] Siegel meiner […] […]. (5) […].
Ich bin […] die Verteidigung […].
Ich bin die, die ,die Wahrheit` genannt wird,
und das Unrecht […].

Ihr ehrt mich […] (10) und ihr flüstert gegen [mich].
Ihr, [die] ihr besiegt seid, richtet die, (die euch besiegen), bevor sie euch richten, denn der Richter und die Beachtung sind in euch.
Wenn ihr verdammt werdet (15) von diesem, wer wird euch freisprechen?
Oder wenn ihr von ihm freigesprochen werdet, wer wird in der Lage sein, euch zu ergreifen?

Eure Innenseite ist eure Außenseite.
(20) Und der, der euch eure Außenseite gebildet hat, ist der, der eure Innenseite gestaltet hat.
Und was ihr außerhalb von euch seht, das seht ihr auch in eurem Inneren.
(25) Es ist offenbar, und es ist euer Gewand.

Hört auf mich, ihr Hörer, und lernt von meinen Worten, ihr, die ihr mich kennt.
Ich bin das Hören, das in jeder Hinsicht annehmbar ist.
(30) Ich bin das Reden, das nicht erreichbar ist.
Ich bin der Name der Stimme und die Stimme des Namens.
Ich bin das Zeichen des Buchstabens und die Offenbarung (35) der Trennung.
Und ich ( 21.1) ( die Zeilen 1–3 fehlen) […] Licht (5) […] und […] Hörer […] zu euch […] die große Kraft. Und […] wird den Namen nicht erschüttern. (10) […] der, der mich geschaffen hat.
Ich aber werde seinen Namen aussprechen.

Seht nun auf seine Worte und alle Schriften, die sich erfüllt haben.
Gebt acht, ihr Hörer, und (15) auch ihr, Engel, und die, die gesandt wurden, und ihr Geister, die von den Toten auferstanden sind.
Denn ich bin es, der allein existiert.
Und ich habe niemanden, (20) der mich richten wird.

Denn zahlreich sind die angenehmen Formen, welche in zahlreichen Sünden sind, und Zügellosigkeiten und schmähliche Leidenschaften (25) und kurzlebige Vergnügungen, welche (die Menschen) gefangen halten, bis sie nüchtern werden und hinauf an ihren Ruheort eilen.

Und sie werden mich dort finden, (30) und sie werden leben, und sie werden nicht wieder sterben.

Rückblick

Am 03.01.1986 – also an meinem 16ten Geburtstag erhielt ich das Büchlein zum Geschenk, das mich zeitlebens begleitet hat. Die Widmung enthielt ein Zitat Seneccas, in dem es darum ging, nicht nur „zu tun, was man liebt, sondern zu lieben, was man tut“. Passender haette die Widmung nicht sein können. Ich verschlang „meinen“ Zarathustra noch direkt nach dem Auspacken und trug feierlich der versammelten Familienrunde die ersten Worte vor. Ich war stolzer als je in meinem Leben.

Einige Jahre vorher haten meine Eltern – auf meinen dringenden Wunsch – mir zu meinem 12ten Geburtstag eine Sammlung germanischer Götter- und Heldensagen geschenkt. Wie konnte ich mit Kriemhild, Attila und Hagen eine phantastische Sicht entwicklen. Bereits damals ahnte ich die tiefe Verbindung zum Unsagbaren – dem der Sprache unzugänglichen Teil des Lebens !
In diesen frühen Knabenjahren las ich schnell, viel und intensiv. Kafkas gesammelte Werke, Hesse (bis auf das Glasperlenspiel wohl alles), Marc Aurels Selbstbetrachtungen, Das Kapital (nur die Stellen, in denen es explizit um FREIHEIT ging: es waren nicht viele!) und die Bibel erinnere ich.
Später kamen Camus, Sartre und mein bis heute geliebter E. M. Cioran dazu. In meinen 20ern habe ich die hinduistische und buddhistische Literatur in mich aufgesogen. Das Geheimnis der goldenen Blüte habe ich wohl schon mehr als zwanzig Jahre bei mir, Kapleau, Deshimaru und D. T. Suzuki aber auch Allan Watts, Mantak Chia ein Ausflug in die Zenpraxis nach Taisen Deshimaru, regelmaessige Tai Chi und taoistische Meditationen liessen mich ab dem dreissigsten Lebensjahr in mich wachsen. Heute – nach 43 Jahren – blicke ich aus Fernblick im Sonnenlicht der ägyptischen Sonne zurueck.
Ich meditiere nicht mehr, lese immer noch viel, schreibe seit 31 Jahren Lyrik und Prosa.
Ich schaue mich tief und hoch an, blicke in meine Abgründe und Kellergemächer, blinzle in die Strahlen meiner Sonne. Ich bin Beides – männlich und weiblich. Und mit dem gleichen Stolz in meiner Brust murmle ich : gate gate paragate parasamgate bodhi svaha – gegangen, gegangen, hindurchgegangen, ans andere ufer gelangt – xxx- heil!

geschrieben an meinem 43ten Geburtstag am Strand des roten Meeres in den frühesten Morgenstunden …

Autonomie des Klienten UND der Therapeutin

Wie die Basis eines Eisbergs bestimmt unser Erfahrungsgedächtnis die in uns auftretenden Gefühle. Sie sind massgeblich an der Chance, eine bestimmte (verstandesmäßig bewußte) Handlung zu realisieren, beteiligt. Der Sprache entzogen leiten uns diese Gefühle entlang unserer entwickelten Persönlichkeit. Unsere Gefühle statten uns mit einem robusten, überlebensfähigen System aus. In diesem werden körperlich (mehr oder weniger deutlich wahrnehmbare) Marker gesetzt. Diese sind unmisverständlich als STOP oder GO Maximen formuliert. Die erfolgreiche Regulation aus körperlichen (somatischen /DAMASIO) Markern und bewusstseinsfähigen Willensinhalten zeigt den Grad von Zufriedenheit an. Praktisch ist diese Selbstregulation einer Selbstkontrolle (Quäl Dich!) vorzuziehen. Für den Therapieprozeß ergibt sich dadurch eine höhere Concordance wenn Therapeut und Klient in diesem Sinn verträgliche Regulationsschritte entwickeln können. Es braucht also auf der Makroebene partizipative Entscheidungsfindung, auf der Mikroebene soll möglichst wenig Selbstkontrolle und stattdessen möglichst viel Selbstregulation ermöglicht werden. Die Übungen, Hausarbeiten,Eigenwahrnehmungs- und Selbstlernprogramme stehen und fallen mit dem positiven gefühlsmäßigen GO-Signal des Klienten. Bloße Compliance als aktive MITarbeit in einem weitgehend paternalistisch geprägten Beziehungsgefüge genügt NICHT dem Gebot für den Klienten attraktive und (leicht) erreichbare Ziele zu entwickeln. Die Ziele müssen ein klares gefühlsmäßiges GO bekommen, damit die bestmöglichen Lern- und Erfahrungsbedingungen entstehen. Diese Überlegung basiert auf der ethischen Weichenstellung nicht-hierarchischer, gewaltfreier Beziehungen zwischen Akteuren des Prozesses, also Autonomie des Klienten UND der Therapeutin.

Liberty, Love, Life, Light