Scheitern. Scham. Schuld.

Es gibt etwas in mir, das ich nicht akzeptiere.
Es hat die Chance, mir ganze Tage zu versauen.
Es ist mächtig, schnell und läßt sich kaum „zähmen“.
Und wenn ich ihm ausgeliefert werde, fühle ich mich hilflos und unsicher.

Es ist mächtiger, als mein Verstand, mein Abwägen und Bedenken.
Sobald ich wieder „bei mir“ bin, fühle ich mich schuldig und schäme mich.
Ich suche die Schuld für die „Entgleisung“ bei mir – aber ich finde keinen
Schuldigen. Ich klage mich an, dafür, schwach und verletzlich gewesen zu sein. Es ist wie ein Instinkt – tief in mir beheimatet und es hat mir in vielen Situationen sicher meine Integrität geschützt. Jetzt hindert es mich immer wieder mal daran, mich auf Neues einzulassen und Vertrauen zu entwickeln.

Ich nenne es – diesen mächtigen Persönlichkeitsanteil – auch gerne meinen  „Verteidiger“. Er springt in die Breche und zermalmt gnaden- und gedankenlos alles, wirklich Alles, wovon er glaubt, es könnte mich einschränken, beschränken, begrenzen. Er schreitet ein, wann immer irgendwer oder irgendwas seine FREIHEIT bedroht. Ob das auch MEINE Freiheit ist, danach fragt er nicht. Er verteidigt, er greift an, er stellt sich tot. Er ist flexibel, schnell und äusserst effektiv. Insofern macht er seinen Job recht gut. Und er bewahrt mich vor so manchen Grenzverletzungen, die ich oft erleben musste (körperlich, seelisch, emotional). Er drängt sinnhaft in mein Leben. Er spürt instinktiv Körperspannung, Tonhöhe, Bewegungen und agiert ohne Zögern. Ich kann mich voll auf ihn verlassen. Ihm habe ich zu verdanken, dass ich immer noch lebe (mit meinem Kopf, meinem Herz, meinen Händen).

Die Methoden, die mein Verteidiger wählt, sind weder fein, noch kultiviert. Sie sind einfach nur effektiv. Strikt zielorientiert und taktisch ausgereift. Die Methoden beschämen mich nicht, sie erzeugen kein Scheitern und keine Schuld – sie funktionieren auf tiefster Ebene meines Verhaltens. Allerdings – und das ist schamerzeugend: die Auswirkungen der angewendeten Methoden sind verheerend.

Sie sind für mich verheerend, weil der Verteidiger einen OVERRIDE sämtlicher anderer Ziele in mir durchführt. Wenn er erwacht, halten alle anderen die Klappe und halten die Füsse still. Sie wissen: Widerspruch wäre zwecklos. Und so sind die Ergebnisse seines „Werks“ eben fast immer zerstörerisch. Ich weiss nicht, wie viele Menschen in meiner Umgebung diesem Dämon schon begegnen konnten. Aber ich weiss, dass es welche gab und gibt, die mich dafür hassen. Die hochautomatischen Abläufe des Verteidigers waren in vielen Situationen hoch funktional und dienten dem Überleben meiner gesamten Persönlichkeit. Aber heute und jetzt gibt es Methoden, die meinen Zielen auf oberster Systemebene zuwiderlaufen. Sie haben aufgehört in meiner jetzigen Persönlichkeitskonfiguration funktional zu sein. Sie schützen mich nicht mehr, sie bringen mich und andere in arge Bedrängnis. Ich werde mich darauf fokussieren, mich mit meinem Verteidiger offensiv zu beschäftigen. Er hat weiterhin seine Existenzberechtigung und hat mir „wohl gedient“ – aber es ist Zeit für eine Neukalibrierung des „Angriffsmusters“. Damit kann er seinen Job weiter machen, aber er soll meinen anderen Anteilen nicht mehr in die „Quere“ kommen.

Ein wesentlicher Versuch, mich zu schützen, zu verteidigen, ist „Panzerung“ von innen nach aussen. Schilde, die er führt. Schwerter, die er zu gebrauchen weiss. Der Kern meines Verteidigers hat Mut und ist völlig loyal zu mir als Gesamtpersönlichkeit. Er beteuert – in seiner wortkargen Art – alles nur zu „meinem Besten“ zu tun und mir zu DIENEN. Es ist Zeit in einen intensiven Austausch mit meinem „Diener“ zu gehen und ihm seinen rechten Platz zuzuweisen in meinem System. Und es gibt etwas in mir, das das kann! Mein SELBST in allen Erfahrungen ist derjenige, der das vermag. Ihm vertraut der Verteidiger – denn er ist es ja, den er schützt. Mein SELBST ist gewachsen, es ist reicher und schillernder als je zuvor. Ich spüre, weiss und erlebe mein Selbst am Werk. Und der Erfolg meines Selbst ist mein Beweis.

Ich weiss genau, wie ich automatische unwillkürliche Prozesse – nichts anderes ist der „Verteidiger“, die unerwünscht sind für mein voll integriertes Selbst sind, wirksam zu modifizieren. Aber jetzt geht es ans „Eingemachte“ – der Verteidiger kommt NICHT aus den Strahlen meiner geliebten Sonne (meines Willens) und auch nicht aus den Tiefen meines Selbst (dem Mond). Er wirkt aus dem Schatten und er stösst mich mit bestimmten Methoden, Techniken und Haltungen zurück in den Schatten. Dorthin, wo ich mich gut auskenne. Viele Leute schrecken vor Ihren Schatten zurück – ich komme aus Ihnen. Aber die Verherrlichung des Schattens und das zynische Grinsen über sein Wirken und seine Kraft endet. Ich ende die negativen Auswirkungen des Schattens in mir und erlaube meinem Schatten, mir die Tiefe zu erhalten, die so starke Sehnsucht in mir bedeutet.

ANGRIFF – ohne Unterlass! Mit gleissendem Licht und tiefschwarzem Schatten in feiner Balance. Ich arbeite daran. Ich komme voran. Meine Kapuze verdeckt mein Antlitz. die Laterne in meiner linken Hand zeigt den Anderen den Weg. Ich gehe voran. Ich bin dort, wo ich hingehöre – eine volle NEUN. Ich bin allein. Da wo ich nun bin, ist kein Platz mehr für Götter. Ich schweige und schreite… ich bin auf dem Sprung … ich bin bereit.

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