Vater

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Ich danke dir dafür, dass du dir treu bist.
Weil deine Treue mir ein gutes Vorbild ist.
Ich wollte werden, wie du.
Und wurde doch ich selbst.
Ich wollte immer anders sein als Du.
Und trage Dich in mir!

Ich danke dir dafür, dass du deine tiefen Verletzungen selbst behandelst.
Weil darin eine der Wurzeln echter Männlichkeit liegt.
Ich konnte lernen, um Hilfe zu bitten
bevor du es für mich erledigst.

Ich danke dir dafür, dass du mit mir gespielt hast.
Weil du dann ganz für uns da warst.
Heute weiss ich, wie wichtig das für dich ist:
Ganz da zu sein und dich zu konzentrieren.

Ich danke dir dafür, dass du nicht perfekt bist.
Weil das tief zeigt, was wirklich wichtig ist.
Ich habe mich so oft verzettelt.
Jetzt erst lerne ich, meine Unvollkommenheit zu schätzen.

Ich danke dir, dass du für dich selbst sorgst.
Weil es überfällig ist, dich zu bitten.
Wer sonst könnte mir geben,
was ich nötig brauche, wenn nicht ich selbst?

Ich danke dir für deine Schultern,
die mich durch manche Schlucht getragen haben.
Ich kann mich auf dich blind verlassen,
denn du stehst zu deinem Wort.

Ich danke dir für deine radikale Haltung dem Leben gegenüber,
Weil darin eine schöne und liebende Stärke liegt.
Ich fürchtete mich davor und weil ich es nicht besser wusste,
wollte ich sie in mir nicht wachsen lassen.

Ich danke dir dafür, dass du trotz alledem nicht ein Egoist bist.
Weil deine Selbstliebe die Voraussetzung für Alles ist.
Ich konnte den Unterschied lange nicht erkennen.
Und wie so oft, habe ich dich in mir bekämpft.

Heute bin ich selbst ein Mann.
Einer, der neben dir steht.
Ich respektiere dich so,
wie und wer du bist.

Ich kann dich nur lieben,
weil ich selbst stark bin.
Ich habe gelernt, dass meine eigene
Verletzlichkeit keine Schwäche ist …

Das war der härteste Weg,
den ich allein gehen musste.
Auf diesem Weg habe ich bittere Tränen geweint,
weil mir dein Rat schmerzlich gefehlt hat.
Ich konnte mir deine Hilfe nicht holen,
weil ich mich geschämt habe,
dir unter die Augen zu treten.

Ich danke dir dafür, dass du immer in meinem Leben präsent bist.
Weil mir das sehr hilft, mich an mich selbst zu erinnern.
Nicht klein und hilflos vor einem mächtigen König.
Sondern stolz und eigenmächtig als Prinz und Magier.

Ich weiss um mich tief und dunkel.
Dort – in der Tiefe – bin ich dir begegnet.
In meiner Verzweiflung dachte ich oft:
Welche Lehre hat mir mein Vater geschenkt?

Ich danke, weil du mir ein Geschenk bist.
Ein sorgendes, liebendes, stilles, wütendes Geschenk.
Aber du weisst, dass man nichts geschenkt bekommt in dieser Welt:
Ausser der Liebe meines Vaters, die mich nie verlassen hat.

Ich weiss tief in mir, dass du immer bei mir bist.
In meinen schlimmsten Selbstzweifeln spüre ich dich hinter mir.
Du schützt mich und lässt niemals zu, dass mir ein Haar gekrümmt wird.
Und weil ich heute nicht nur glaube, sondern WEISS, wie du mich liebst,
habe ich überlebt und stehe vor Dir – stärker und schwächer als je zuvor.

Du weisst vielleicht noch nicht alle meine Geheimnisse.
Aber eines davon enthülle ich dir gerne:
In ehrlichem Respekt vor deiner Geschichte
nehme ich dich, so wie du bist und achte dich.

Ich achte deine Wege und deine Beweggründe.
Auch wenn ich nicht alle von dir verstehe.
Ich habe gelernt, dass das nicht nötig ist.
Es genügt, zu lieben.
Nicht aus Schwäche und Furcht oder Angst oder als Zuflucht.
Sondern, weil ich es kann und will und ich mich danach sehne.

Und weil das alles so ist und nicht anders,
kann und will und darf ich nicht wie du sein.
Ich muss und will mich selbst errichten, als der der ich bin.
Und während ich mich zu meiner vollen Grösse aufrichte,
mache ich mich zu dem, der ich bin.
Und dabei merke ich: ich bin schon der, der ich bin.

Ich dachte immer, ich müsse mich ändern.
Um dazu zu gehören.
Um nicht anders bleiben zu müssen.
Um den Schmerz der Isolation nicht aushalten zu müssen.

Meine Mühen – die nicht deine waren –
haben sich gelohnt. Sie beginnen, sich auszuzahlen.
Ich bin so wie ich bin – unvollkommen, tiefgründig, intelligent und manchmal ungeschickt.
So bin ich und das ist gut so.

Was ich von dir gelernt habe:

Vertrau dir selbst.
Geh deinen eigenen Weg.
Sorge für dich – kümmere Dich um dich selbst.
Meistere deine inneren Dämonen, bevor du urteilst.
Schere dich nicht um die Meinung der Masse.
Höre nicht auf, dich Herausforderungen zu stellen.
Prüfe dich selbst und folge dem selbst erkannten Richtigen.

Du weisst, dass die wesentlichen Angelegenheiten nicht vieler Worte bedürfen.
Das Schweigen zwischen uns ist nicht mehr schmerzlich.
Ich verstehe unser Schweigen als Zustimmung.
Und ich erkenne an, dass darin eine ungeheure liebevolle Zumutung liegt:
Den Anderen zu lieben, ohne ihn verbiegen zu wollen.
Mitfreude über unsere beider Lebensleistungen.
Kritik und Rat, wenn einer von uns ihn braucht.
Kurz, manchmal schmerzhaft aber immer:
getragen von tiefer Liebe.

Und in diesem SINN
gehören wir alle ZUSAMMEN.
Nicht, weil wir müssen, sondern weil wir wollen.

Liebe ist das Gesetz – Liebe unter Willen.
Jeder Mann und jede Frau ist ein Stern.

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