Die Autorin Antjie Krog war an der Versöhnungskonferenz im Süden Afrikas aktiv beteiligt und veröffentlicht zu Moral und Ethik. „Kann man als Weiße „schwarz werden“?, so fragt sich Krog – und unternimmt ausgehend von einem persönlichen Ereignis im Jahr 1992 eine Reise durch Zeit und Raum, zurück bis zur historischen Figur des Basotho-Königs Moshoeshoe, der im 19. Jahrhundert sein Auskommen mit den ersten westlichen Missionaren und Siedlern suchte. Stärker als zuvor umreißt Krog noch einmal die Frage einer spezifisch afrikanischen Perspektive auf Geschichte und deren Repräsentation, auf Inklusion und Exklusion. „Verbundenheit“ war übrigens das politische Motto für Moshoeshoes soziale Praxis. Krog, geehrt mit zahlreichen internationalen Preisen und Ehrendoktortiteln, vollzieht diese bis heute auf ihre Weise, nicht zuletzt als Lyrikübersetzerin aus anderen afrikanischen Sprachen. „Es gibt“, so Krog im besagten Gespräch mit Manfred Loimeier, „viele Stimmen und viele Farben, aber worauf es ankommt, ist die Farbe des Herzens.“ Ihres ist, man darf es getrost sagen, durch und durch schwarz“ (Quelle). „Der Grund, warum man Poesie mag, liegt darin, dass man sie hört, wenn man sie liest“. (In: Manfred Loimeier: Wortwechsel. Gespräche mit afrikanischen Autorinnen und Autoren. Horlemann Verlag 2002, S. 120-127).
Im folgenden Gedicht aus der Sesotho-Sprache geht es darum, was es bedeutet, nur ein Einzelner zu sein. Es ist Teil eines Schauspiels über Senkatana, das auf ein bekanntes Basotho-Märchen zurückgeht. In ihm verschlingt der Drache Kodumodumo das gesamte Volk der Basotho und schwillt davon so gewaltig an, dass er schließlich in den Passstraßen des Hochgebirges stecken bleibt. Von allen Menschen überlebt einzig Senkatana. Er ist mutterseelenallein auf der Welt, kann tun, was er will, ist frei, und dennoch wehklagt er mit lauter Stimme:
ich kann mich selbst nicht finden /
denn ich befinde mich nicht bei den anderen /
worüber soll ich mich freuen, wenn ich ganz allein bin? /
wovon soll ich befreit werden, wenn nur ich da bin? /
warum sollte irgend etwas schön sein /
wenn nur meine Augen es sehen? /
ihr seid es, die mein ich hervorrufen /
ich bin es, der sein ich durch euch denkt /
ihr denkt mein ich aus /
ich wähle euch nicht /
dass es euch gibt, erschafft mich /
wir sind gemacht, mit anderen zu sein /
oder wir werden hungrig bleiben mitten im Überfluss.