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Einzelne Zitate (samt Quellenangabe) sammle und publiziere ich hier …

König Artus und die Hexe

König Artus

Der junge König Artus wurde einst von einem König eines Nachbarreiches überfallen und gefangen genommen. Der hätte ihn exekutieren lassen wollen, bot ihm aber aufgrund seiner Jugend an, eine schwierige Frage lösen zu müssen. Sollte er binnen eines Jahres keine Antwort wissen, dann würde er exekutiert.

Die Frage lautete: „Was wollen Frauen wirklich?“ Die Antwort darauf entzieht sich auch den weisesten Männern und dem jungen Artus schien die Frage unlösbar. Aber da die Alternative der sofortige Tod war, willigte er ein und wurde freigelassen.

Er kam in sein Königreich zurück und begann sofort, alle möglichen Leute zu befragen: Die Prinzessin, die Priester, die Weisen und sogar den Hofnarren, keiner konnte ihm eine zufriedenstellende Antwort geben. Viele verwiesen ihn an eine alte Hexe, denn nur sie könne das wissen. Allerdings würde der Preis hoch sein, denn sie war für ihre horrenden Forderungen im ganzen Königreich bekannt.

Der letzte Tag vor der Jahresfrist brach an und Artus hatte keine andere Wahl und suchte die Hexe auf. Sie willigte ein, ihm die Antwort zu geben, zuvor aber müsse er ihren Preis akzeptieren: Die Heirat mit Sir Lancelot, dem edelsten der Ritter und Artus engster Freund.

Artus war entsetzt. Die Hexe war bucklig, hässlich anzusehen, hatte nur einen Zahn, stank wie Abwasser, machte entsetzliche Geräusche und war alles in allem das abstoßendeste Wesen das er sich vorstellen konnte. Nicht einmal um den Preis seines eigenen Lebens würde er seinem Freund das antun und ihm solche eine Last aufbürden.

Das kam Lancelot zu Ohren und er sagte: „Es gibt kein Opfer, das zu groß wäre, wenn es Artus Leben und den Fortbestand der Tafelrunde sichert.“ Daher wurde die bevorstehende Hochzeit ausgerufen und die Hexe antwortete auf die Frage wie folgt: „Was eine Frau wirklich will … ist selbst über ihr Leben zu bestimmen.“

Jeder im Köngireich wusste sofort, dass diese Antwort richtig war und Artus Leben nun verschont würde. Der Nachbarkönig sah das ebenso und schenkte Artus die Freiheit.

Artus richtete für Lancelot und die Hexe eine aufwendige Hochzeit aus. Das Fest neigte sich dem Ende zu, und Lancelot stählte sich innerlich für die entsetzliche Hochzeiutsnacht, die ihm nun bevorstand. Als er aber das Schlafzimmer betrat, lag eine wunderschöne Frau in seinem Bett. Lancelot fragte, was denn passiert sei, und die Hexe antwortete ihm: „Da Du mir so nobel begegnet bist, als ich hässlich war, bin ich hinfort zwölf Stunden am Tag eine schöne Maid und zwölf Stunden am Tag eine hässliche Hexe. Was wäre Dir lieber? Schön während des Tages oder schön während der Nacht?“

Lancelot dachte über sein Dilemma nach. Tagsüber eine schöne Frau, die alle seine Freunde eifersüchtig machen würde, aber nächtens eine hässliche Hexe? Oder tagsüber eine hässliche Hexe aber nächtens eine schöne Frau nur für ihn?

Was würdest DU wählen? DU solltest DEINE Antwort  bedenken.

Der edle Lancelot sagte, dass SIE SELBST darüber entscheiden sollte.

Daraufhin sagte sie: „Da Du mich so respektierst, dass ich selbst über mein Leben bestimmen kann, bin ich hinfort immer die schöne Maid.“

Lesezeit … Viktor Frankl

Viktor Frankl wirkt im Hintergrund meines ganzen Wegs, ohne dass ich mich ihm entschieden geöffnet hätte. Ein paar tiefe und stärkende Gespräche mit J. haben dazu geführt, dass er mir die deutsche Ausgabe seines Buchs von Frankl gegeben hat. Die Umarmung, in die wir gefallen sind,
hat mich so glücklich gemacht! Dafür danke ich ihm.

Eine Auswahl von Zitaten …
Es gibt keine „unglückliche“ Liebe, kann keine geben; „unglückliche Liebe“ ist ein Widerspruch in sich selbst. Denn entweder ich liebe wirklich – dann muß ich mich bereichert fühlen, unabhängig davon, ob ich Gegenliebe finde oder nicht; oder aber ich liebe nicht eigentlich, ich „meine“ eigentlich nicht die Person eines anderen Menschen, sondern sehe an ihr vorbei nur etwas Körperliches „an“ ihm oder etwa einen (seelischen) Charakterzug, den er „hat“, – dann allerdings mag ich unglücklich sein, dann bin ich aber eben kein Liebender. Liebe läßt uns der geistigen Person des erotischen Partners in ihrer Wesenswirklichkeit ansichtig werden.
Wahre Gemeinschaft ist wesentlich Gemeinschaft verantwortlicher Personen – bloße Masse aber nur Summe entpersönlichter Wesen.

Es gibt nur zwei „Rassen“: die Rasse der anständigen Menschen und die Rasse der unanständigen Menschen. Gerade deshalb, weil wir wissen, daß die Anständigen in der Minorität sind, ist jeder einzelne aufgerufen, diese Minorität zu stärken und zu stützen.

Im Gegensatz zum Tier sagt dem Menschen kein Instinkt, was er muß, und im Gegensatz zum Menschen in früheren Zeiten sagt ihm keine Tradition mehr, was er soll, und nun scheint er nicht mehr recht zu wissen, was er eigentlich will.

Das Wissen um eine Lebensaufgabe hat einen eminent psychotherapeutischen und psychohygienischen Wert. Wer um einen Sinn seines Lebens weiß, dem verhilft dieses Bewußtsein mehr als alles andere dazu, äußere Schwierigkeiten und innere Beschwerden zu überwinden.

Die Aufgabe wechselt nicht nur von Mensch zu Mensch – entsprechend der Einzigartigkeit jeder Person –, sondern auch von Stunde zu Stunde, gemäß der Einmaligkeit jeder Situation.

Die Spielregeln des Lebens verlangen von uns nicht, daß wir um jeden Preis siegen, wohl aber, daß wir den Kampf niemals aufgeben.

Schon an der Größe eines Augenblicks läßt sich die Größe eines Lebens ermessen: Die Höhe einer Bergkette wird ja auch nicht nach der Höhe irgendeiner Talsohle angegeben, sondern ausschließlich nach der Höhe des höchsten Berggipfels. So entscheiden auch im Leben über dessen Sinnhaftigkeit die Gipfelpunkte und ein einziger Augenblick kann rückwirkend dem ganzen Leben Sinn geben.

Menschliches Verhalten wird nicht von Bedingungen diktiert, die der Mensch antrifft, sondern von Entscheidungen, die er selber trifft.

Der Mensch ist das Wesen, das immer entscheidet. Und was entscheidet es? Was es im nächsten Augenblick sein wird.

Die Freiheit ,»hat« man nicht – wie irgend etwas, das man auch verlieren kann –, sondern die Freiheit »bin ich«.

Die letzte der menschlichen Freiheiten besteht in der Wahl der Einstellung zu den Dingen.

Das Leben hat einen Sinn und behält ihn unter allen Umständen auch im Leiden.

Ein kreativer Mensch ist primitiver und kultivierter, destruktiver und konstruktiver, sehr viel verrückter und sehr viel vernünftiger als der Durchschnittsmensch.

Alle großen Dinge müssen zuerst furchterregende, monströse Masken tragen, um sich ins Herz der Menschheit einzuprägen.

Jim Morrison

Aus Oliver Stone’s „The Doors Biography“:
„‚Der Film wird in fünf Momenten beginnen‘, sagte die seelenlose Stimme an.
Wer keinen Sitzplatz hat, muß die nächste Vorstellung abwarten.‘
Wir schlängelten uns langsam, lässig in den Saal. Ein gewaltiges Orbitorium dumpfer Stille.
Als wir saßen, verdunkelt wurden, fuhr die Stimme fort:
‚Nicht neu ist des Abends Programm,
Sie haben es genossen, dann und wann.
Es zeigt Geburt, Tod oder auch ihr Leben,
Den Rest konnten sie sich selber geben.‘
Hatten Sie eine nette Welt während Ihres Todes?
Reich genug für einen Film?“

„Sind alle drin? Sind alle drin?
Sind alle, alle drin?
Die Zeremonie kann gleich beginnen.
Ich möchte Euch erzählen vom Schmerz
Und vom Verlust Gottes.
Umherirren, irren durch die hoffnungslose Nacht.
Hier draußen im Grenzbereich gibt es keine Sterne.
Hier draußen sind wir versteinert, stoned, unbefleckt.“

„Nietzsche sagte:
Alle großen Dinge müssen zuerst furchterregende, monströse Masken tragen,
um sich ins Herz der Menschheit einzuprägen.
Hört, Kinder, das Dröhnen der Nürnberger Nacht!
Und raus führt der Schamane in eine sinnliche Panik.
Er verhält sich wie ein Wahnsinniger.
Professionelle Hysterie.
Habt Ihr je Gott gesehen?
Ein Mandala, ein symmetrischer Engel.
Wir empfingen unsere endgültige Vision durch die Syphilis.
Kolumbus Schoß wurde mit grünem Tod gesättigt.
Ich berührte ihre Schenkel.
Und den Tod.
Diese Welt, dieses Energiemonstrum,
Ohne Anfang, ohne Ende.
Gleichermaßen ohne steigendes Einkommen.
Nichts enthüllend.
Diese Welt.
Diese Welt ist ein Pfad zur Macht.
Und sonst nichts. Gar nichts.“

„Jetzt bin ich zurückgekehrt in das Land der Aufrechten, der Starken und Weisen.
Brüder und Schwestern jenseits des bleichen Waldes und Kinder der Nacht,
Wer von euch will hetzen auf der Jagd?
Jetzt kommt die Nacht mit ihrer purpurnen Legion.
Zieht euch nun zurück in eure Zelte und in eure Träume.
Denn morgen betreten wir die Stadt meiner Geburt.
Ich möchte bereit sein.“

Pam: „Weißt du, daß ich auf meinem ersten Trip Gott gesehen habe?
Und ich habe einen Freund gesehen. Er war Jesus, aber er war auch Judas.
Weißt du, und dann wußte ich, daß irgendwie das das Geheimnis ist.
Wir sind alle eins. Das Universum ist eins.
Und daß alles, das geschieht, wundervoll ist.“

„In allen Gedichten stecken Wölfe, nur in einem nicht, dem wunderbarsten von allen:
Sie tanzt in einem Ring aus Feuer.
Und schüttelt ab die Bedrohung mit einem Schulterzucken.“

„Ihr Plastiksoldaten in einem Miniaturpapierfetzenkrieg!
Los kommt schon!
Wie viele Menschen wissen, daß sie leben?
wie viele Menschen wissen, daß sie wirklich leben?“

„Schließt eure Augen!
Seht ihr die Sterne?
Seht ihr die Schlange erscheinen?
Ihr Kopf ist vier Meter lang und zwei Meter breit.
Sie hat ein rotes und ein grünes Auge.
Wenigstens sieben Meilen lang.
Tödlich.
Seht ihr’s?
Die Geschichte der Welt ist auf ihren Schuppen.
Alle Menschen, alle Handlungen.
Wir alle sind nur Bilderchen auf ihren Schuppen.
Gott.
So gewaltig.
Und sie bewegt sich.
Sie verschlingt unser Bewußtsein.
Verdauende Macht.
Monster voller Energie.
Sie ist ein Monster.
Und wir?
Küssen wir die Zunge der Schlange!
Küssen wir die Schlange!
Aber, wenn sie Angst spürt, wird sie uns sofort fressen.
Aber, wenn wir sie ohne Angst küssen, führt sie uns durch den Garten.
Durch das Tor.
Zur anderen Seite.
Reitet auf der Schlange!
Ans Ende aller Zeiten.“

„Ich glaube an das lange, verlängerte Durcheinander der Sinne,
um das Unbekannte zu erreichen.
Oh, ich lebe im Unterbewußtsein.
Unsere blaße Vernunft verbirgt das Unendliche vor uns.“

Wulfhild und Waldtraut (Julius Wolf)

Die schlanke Bode fließt im Thale
Um manchen Berg und Felsenhang,
Macht her und hin manch liebe Male
Umweg und krummen Wiedergang.

Doch eh’ von den granitnen Riesen
Den Durchlaß donnernd sie erzwingt,
Im breitern Grunde Wald und Wiesen
Ihr muntrer Wellentanz umspringt.
Manchmal verzieht sie wohl die Lippe
Und schmollt und bäumt sich launisch auf,
Daß Schaum umsprudelt Stein und Klippe,
Die ihr versperrn den flinken Lauf;
Schnell aber ist sie wieder heiter,
Strahlt silberhell und blinkt und glänzt,
Versäumt sich hier, läuft rasch dort weiter
Und spielt und lächelt, bunt bekränzt.
Die hellen Wiesen läßt sie trinken
Aus der Hand und aus dieser bald,
Und bald zur Rechten, bald zur Linken
Schmiegt sie sich an den dunklen Wald
Und lockt ihn, daß er niedersteige,
Zu baden sich in ihrem Thau,
Und überhängend seine Zweige
In ihrem blanken Spiegel schau!
Da sehn von oben Buch’ und Erle
Und Wolken, Sonn’ und Mond hinein,
Und unten ziehn Forell’ und Schmerle,
Glashell liegt Sand und Kieselstein.
Und zu dem Fächeln und dem Säuseln
Im schattenkühlen Laube stimmt
Im klaren Fluß das Wellenkräuseln,
Mit Rauschen, Plätschern, Murmeln schwimmt,
Was in den märchenkund’gen Quellen
Aus schatzgefüllten Tiefen schied,
Im Zwiegesang von Wind und Wellen
Erklingt ein träum’risch Zauberlied.

An lauschig stillem Plätzchen saßen
Des Grafen und des Köhlers Kind
In einer Uferbucht und maßen
Ums Haupt sich blumiges Gewind.
Wulfhilde band mit seinem Zwirne
Waldtraut zum Kranz Vergißmeinnicht,
Und Waldtraut flocht für Wulfhilds Stirne
Frischgrüne Blätter voll und dicht.
Wulfhilde wollte in dem Kranze
Für sich kein blumenbunt Geflecht,
Das Laubwerk nur mit dunklem Glanze
Der ernsten Eiche war ihr recht.
Und wie sich Blum’ an Blume fügte,
Zur Ründung wuchs der Blätter Schaar,
Schlang Jede, prüfend, ob’s genügte,
Ihr Kränzlein um der Andern Haar.
Wie ähnlich war und wie verschieden
Der beiden holden Mädchen Art!
Zwiefach gesondert und gemieden,
Zu Einem wiederum gepaart.
Sie glichen sich wie aus dem Meere
Zwei Perlen, fast im Ebenmaß,
Und wie die duft’ge Walderdbeere
Der edlen Gartenananas.
Wulfhildens Wuchs zwar überragte
Der Freundin zartern Gliederbau,
Die zu ihr aufsah, wenn sie fragte,
Doch Beider Augen waren blau.
Um Wulfhilds Schönheit wogte golden
Der frei gelösten Locken Fall,
Um Waldtrauts Schläfen, der Vielholden,
Wand sich lichtbrauner Flechten Schwall.
Doch ähnlich wie bei Schwestern zogen
Sich alle Linien weich und rund,
Der Brauen sanft geschwungne Bogen
Und Rosenwangen, Purpurmund.
In Wulfhilds ganzem Wesen regte
Sich ihrer Herkunft stolze Kraft,
Jedoch ein Zug von Schwermuth legte
Ihr Lächeln selbst in milde Haft.
Aus Waldtrauts Augen aber lachte
Schalkheit und Herzens Lieb’ und Lust,
Und was sie sprach, und was sie dachte,
Kam wie aus eines Kindes Brust.
Die Tage, die die Wunde heilten
An Waldtrauts Schulter, machten auch,
Daß die zwei Mädchenseelen theilten
Der innersten Gedanken Hauch.
Wenn Eine, was sie wußte, sagte,
Ihr Ohr die Andre willig lieh,
So lehrte diese, jene fragte,
Und liebend lernten Beide sie.
»Mich soll es wundern,« frug zur Stunde
Waldtraut, »ob du es wirklich weißt,
Aus welcherlei Betracht und Grunde
Vergißmeinnicht dies Blümchen heißt.«
»Nun,« sprach Wulfhild, »das soll bedeuten,
Daß, wem geschenkt die Blume ist,
In Heimlichkeit vor andern Leuten
Den lieben Geber nicht vergißt.«
»Ja wohl! so heißt es aller Enden,«
Lacht Waldtraut, »doch es ist nicht wahr,
Es hat ganz anderes Bewenden,
Gieb Acht! ich mach’ dir’s offenbar:
Wenn Einem schon die Wünschelruthe
Auf einen Schatz im Boden schlägt,
Thut’s Noth, daß er an seinem Hute
Die seltne blaue Blume trägt;
Die öffnet ihm die dunklen Tiefen,
Er sackt nun ein, so viel er kann,
Die Drachen, die beim Horte schliefen,
Sehn zu und hindern nicht den Mann.
Er legt den Hut ab mit der Blume,
›Greif’ einen Griff, streich’ einen Strich!‹
Tönt’s aus der Tiefe Heiligthume,
Hat er genug, heißt’s: ›Packe dich!’
Er rafft nun Alles schnell zusammen,
Denkt jetzt an Hut und Blume nicht
Und eilt, verfolgt von rothen Flammen,
Da ruft’s ihm nach: ›Vergiß mein nicht!‹
Das Blümchen ist’s; ließ’ er’s im Stiche,
Fänd’ er des Weges nicht zurück
Und seiner Schätze Glanz verbliche,
Drum an dem Blümchen hängt sein Glück.
Nun läßt man dies hier dafür gelten,
Weil’s blau ist, nennt’s Vergißmeinnicht.
Die echt’ ist’s nicht, die blüht gar selten,
Und wer sie findet, sagt es nicht.«
»Giebt es denn Schätze? fragt bedächtig
Wulfhild, »sind in der Tiefe Schoß
Nicht böse Geister übermächtig,
Feindlich gesinnt dem Menschenloos?«

»Gewiß! und wehe, wem als Meister
Ein Unhold je den Sinn bethört!
Doch giebt’s im Wald auch gute Geister,
Hast nie von Moosfräulein gehört?
Holzschläger, die drei Kreuze schneiden
In umgestürzten Baum, daß dann
Sich vor den wilden Nachtgejaiden
Moosweibchen darauf flüchten kann,
Beschenken sie in allen Ehren
Mit grünen Zweigen, dicht belaubt,
Die sich in eitel Gold verkehren,
Die Buschgroßmutter heißt ihr Haupt.
Und zieht der große Schimmelreiter,
Der Wode und sein wüthend Heer,
So geht als Menschenfreund und Leiter
Der treue Eckart vor ihm her
Und warnet vor dem Halsumdrehen,
Vor Hexenspuk und Zauberbann
Und Allem, was das Kreuz nicht sehen
Und Hahnenkraht nicht hören kann.
Beim Trinken geht in ihrem Kreise
Als Becher um ein Pferdehuf,
Hält einen Fuß im Wagengleise
Der Wandrer, thut ihm nichts ihr Ruf.«
»Sprich nicht so laut davon, mir grauet,«
Mahnt Wulfhild, »denk’ ich Jener nur,
Sag’, hast du jemals sie geschauet?
Fandst du im Wald schon ihre Spur?«

»Ich nicht, doch vieles Wundervolle
Erzählte mir Großmütterlein
Von Wod und seinem Weib, Frau Holle,
Oft zieht sie mit ihm, oft allein.
Einst war ihr goldner Pflug zerbrochen,
Da kamen klagend aus dem Tann
Die guten Heimchen vorgekrochen
Und holten ihr den Zimmermann.
Sie heißt die Eiserne, die Wilde,
Und schüttelt sie ihr Bett, o weh!
Dann schneit’s auf Berge und Gefilde,
Drum heißt sie auch Jungfrau im Schnee.
Sie lohnt und straft die Spinnerinnen
Und spricht: Wie’s Haar, so auch das Jahr!
Doch Niemand darf zur Rauchnacht spinnen,
Wer’s thut, begiebt sich in Gefahr.
Als mein jung Schwesterlein verschieden
Und Mutter weinte Tag und Nacht,
Hat sie allein zu Ruh und Frieden
Großmutter endlich doch gebracht.
Die sagt’ ihr, eine Mutter habe
Sich einst zu trösten nicht vermeint,
Auf ihres lieben Kindes Grabe
Die langen Nächte durch geweint.
Da zieht ganz nahe ihr zur Seite
Vorbei im Mondschein hell und klar
Frau Holle und hat im Geleite
Von Kindern eine große Schaar.
Und hinten, ganz zuletzt im Zuge
Ein Kindlein wankt mit müdem Schritt,
Schleppt sich mit großem, schweren Kruge
Und ächzt und stöhnt und kann nicht mit.
Der Weinenden das Auge flimmert, –
Es ist ihr Kind! das läßt den Schwarm,
Wirft sich an ihre Brust und wimmert:
»Ach! wie so warm ist Mutterarm!«
Dann aber fleht’s mit leisem Stammeln:
»Nicht weinen mehr! sei froh wie einst,
Ich muß ja all die Tränen sammeln
In meinem Kruge, die du weinst,
Sieh doch! ich kann ihn kaum noch heben,
Voll ist er, daß er überfließt,
Und ach! so schwer, daß er im Schweben
Mein ganzes Hemdchen mir begießt!«
Da nahm Urlaub von ihrem Leide
Die Mutter – und die meine auch.«
Wulfhild und Waldtraut schwiegen beide,
Bis daß ein Vöglein sang im Strauch.
Schnell über Waldtrauts Antlitz wieder
Flog’s wie ein goldner Sonnenstrahl,
Und zwitschernd wie des Vogels Lieder
Frägt sie: »Kennst ihn? kennst den nicht mal!?
Mein Liebling ist’s, Rothkehlchens Reigen!«
»Dein Liebling!« lacht Wulfhild, »jetzt bald
Sag’ mir, wie viel auf allen Zweigen
Hast du der Liebsten wohl im Wald?
Denn deinen Liebling nennst du Jeden,
Den du grad siehst, und hörst ihm zu,
Möcht’st wohl mit Jedem heimlich reden,
Du Schelm! mein Liebling selber du!«

»O höre doch die süße Stimme!
Die hat mir’s nun mal angethan,
Der Waidmann mag es nicht, der Grimme,
Denn es warnt Kibitz und Fasan;
Es schützt das Haus vor Blitz und Wetter,
Beißt sich herum mit Fink und Spatz,
Da sitzt es! sieh! hier durch die Blätter,
Sieh doch den kleinen rothen Latz!
Liegt Einer drin im Wald erschlagen,
Rothkehlchen schafft ihm Grabesruh,
Mit Blumen, die es bringt getragen,
Deckt es des Todten Antlitz zu.«

»O Märchenweisheit ohne Ende!
Dir schwatzen’s wohl die Vögel vor
Am Zaubertag der Sonnenwende,
Und Blumen flüstern dir’s ins Ohr?«
»Kann sein!« lacht Waldtraut, »Kraft und Namen
Weiß ich der ganzen Kräuterei,
Geht Einer in den grünen Samen
Zu horchen, hört er Mancherlei.
Und denkst du denn, die Blumen alle
Sind stumm? O jedes Blättchen spricht
Mit tief geheimem Laut und Schalle,
Wir Menschen hören es nur nicht,
Dein Ohr ist taub nur ihrem Singen,
Und damit ist uns Recht geschehn,
Man könnt’ ja sonst vor all dem Klingen
Sein eigen Wort nicht mehr verstehn.«
»Jetzt halte still dein Sonntagsköpfchen,«
Spricht Wulfhild, »fertig ist dein Kranz,
So! ei wie hübsch! manch braunes Zöpfchcn
Lugt vor, siehst aus, als ging’s zum Tanz.«
»Auch der!« sagt Waldtraut, »und nun bücke
Ein wenig dich zu mir herab,
Daß ich dir in die Locken drücke,
Was ich für dich gewunden hab’,«
In Waldtrauts Haar das sternenlichte,
Das leichte, zarte Blumenband
Stand ihrem lieblichen Gesichte
Wie ein Geschenk aus Feeenhand.
Doch Wulfhilds stolzes Haupt verschönte
Des vollen Kranzes Eichengrün
Und ließ die jungfräulich Gekrönte
Wie eine holde Fürstin blühn.
Mit Freuden hält und halb mit Zagen
Waldtraut auf sie den Blick geprägt
Und spricht gedankenvoll: »Sie sagen,
Wer grüne Eichenblätter trägt,
Der liebt mit steter, fester Treue,
Nichts ist, was seinen Willen bricht,
Ob Leid ihn drücke, Glück ihn freue,
Er rühmt sich seiner Liebe nicht.«
»Glück?« seufzt Wulfhild und schüttelt leise
Und lächelt trübe vor sich hin,
»So hoch ich meine Liebe preise,
So tief auch liegt mir Leid im Sinn.«

»Du zweifelst noch in stummen Klagen?
Wer bangt und seinem Glück nicht traut,
Soll Espen und Wachholder tragen
Und röthlich blühend Heidekraut,
Das deutet frohe Augenweide,
Gemischt mit bittern Schmerzen oft,
Und mahnt, daß Einer sich entscheide,
Und zeigt, daß Eine auf ihn hofft.«

»Ich hoffe nicht und will nicht mahnen,
Mich schmerzt, was meine Augen sehn,
Wer mich nicht liebt, soll auch nicht ahnen,
Wie meine stillen Wünsche gehn.«

»So trag’, als fordertest zum Streite
Du Einen, blauen Rittersporn
Und weis’ ihn von dir in die Weite
Mit einem spitzen Rosendorn.«

»Laß sein, lieb Kind, nichts mehr von Schmerzen!
Zeig’ mir ein fröhliches Gesicht
Und sage mir so recht von Herzen,
Wer trägt denn wohl Vergißmeinnicht?«
»Vergißmeinnicht, wem das empfohlen,
Der mag sich Trostes Wohl versehn,
Der liebt und wird geliebt verstohlen,
Doch darf er’s noch nicht eingestehn.«

»Mir aber hast du’s doch gestanden,
Was mir nicht lang verborgen blieb,
Wie sich zwei junge Herzen fanden
Im Wald, – du hast den Jäger lieb;
Wie werden roth nun deine Wangen,
Du liebes, braunes Reh, schau’ an!«
Und Waldtraut lächelte befangen
Und sang ein schelmisch Liedchen dann.

Ich ging im Wald
Durch Kraut und Gras
Und dachte dies
Und dachte das,
Da hört’ ich es kommen und gehn, –
Husch! husch!
Hintern Busch!
Da hat mich ein Jäger gesehn.

Hab’ mich geduckt,
Durchs Laub gespäht
Und wollte fort,
Da war’s zu spät,
Sein Hündlein kam spürend getrappt
Husch! husch!
Hmter’m Busch,
Da hat mich der Jäger ertappt.

Er frug, warum
Ich mich versteckt,
Ob er mir Furcht
Und Angst erweckt,
Ich sagte: O daß ich nicht wüßt’!
Husch! husch!
Hinter’m Busch –
Husch! hat mich ein Jäger geküßt.

Wulfhild hat ihren Arm geschlungen
Um Waldtrauts Nacken, drückt ans Herz
Die Freundin, wie das Lied verklungen,
Doch plötzlich schreit sie auf in Schmerz,
Und Waldtraut, selber schreckergriffen,
Frägt schnell: »Was ist dir? was geschah?«

»Ein garstig Thier hat mich gekniffen
Mit seinen Zangen, da! sieh da!«
»Hirschkäfer, o!« schilt Waldtraut zornig
Und nimmt ihn von der Schulter sich,
»Mit dem Geweih, gezackt und dornig,
Was unterstehst du, Brauner, dich!?
Er denkt, du wolltest mich beleid’gen,
Brächt’st mich in deinen Armen um,
Wulfhild, drum wollt’ er mich vertheid’gen, –
Hornschröter, sei doch nicht so dumm!«
Sie hält Wulfhildens Hand umfangen
Und spricht: »Man sagt ihm Böses nach,
Er trüge mit den großen Zangen
Uns glüh’nde Kohlen auf das Dach;
Das ist nicht wahr, ich kenn’ ihn besser,
Wir Köhler wissen, was er thut,
Unschuldig ist er, doch ein Fresser,
Der in der Eichenlohe ruht.
Fleuch’, Großer, fleuch’ auf gutem Winde
Zur Eiche, die beim Fuchsfang steht,
Hat einen Spalt in kranker Rinde,
Draus saftig Harz hernieder geht.«
Des Schröters Fühler hoch sich recken,
Als spitzt’ er lauschend so das Ohr,
Dann hebt er seine Flügeldecken,
Und brummend schwingt er sich empor. –
Die von dem Kranze übrig blieben,
Die Blumen nahm Waldtraut und schlang
Mit frischen, jungen Eichentrieben
Zu einem Sträußchen sie und sang:

Blaublümlein spiegelten sich im Bach
Und riefen den eilenden Wellen nach:
Vergißmeinnicht!
Die lachten: Wir müssen zum Meere hin,
Und aus den Augen ist aus dem Sinn,
Vergißmeinnicht!

Blauäuglein hatte ein Mägdelein,
Die strahlten dem Knaben ins Herz hinein:
Vergißmeinnicht!
Der Knabe zog in die Welt hinaus,
Da blühte und welkte manch Blumenstrauß.
Vergißmeinnicht!

Und als er allein auf unendlicher See,
Da grüßten ihn Sterne, da faßt’ ihn ein Weh,
Vergißmeinnicht!
Aus rauschenden Wogen sangen herauf
Die Tropfen im Meere aus Bächleins Lauf:
Vergißmeinnicht!

»Vergessen! ja, wer’s kann im Leben,«
Sprach Wulfhild halb zu sich, »der mag
Sich seiner Sorgen wohl begeben,
Doch wer vor Augen jeden Tag
Ein Glück, so nah, so gern besessen
Und dennoch ewig unerreicht,
Ach, Kind! der lernt wohl nicht vergessen,
Wenn auch die letzte Hoffnung weicht.
Ich sollte schweigen und muß reden,
Was mir aus vollem Herzen bricht,
Es heißt, die Zeit vertröste Jeden,
Mir sagt das Leid: vergiß mein nicht!
Weiß auch ein Lied, – soll ich’s dir singen?
Von einem Herzen ohne Ruh,
Dir wird es fremd und thöricht klingen,
Und doch hat’s Wahrheit, – höre zu!«

Leer ist der Tag, er geht zu Ende,
Fort, heißes, unbarmherziges Licht!
Komm, süße Trösterin Nacht und sende
Herauf mir mein liebes Traumgesicht.

Dann seh’ ich ihn wieder mit Entzücken,
Den Stern meines Lebens, der mir verblich,
Und ich darf an die sehnende Brust ihn drücken,
Und es träumet mein Herz, er liebte mich.

Seine Hand so warm, seine Lippen so wonnig,
Und er spricht es zu mir, das berückende Wort,
Seine Stirn so klar, sein Auge so sonnig,
Durch alle Himmel trägt er mich fort. –

Und das Alles nicht wahr, geträumt und gelogen!
Und vom dämmernden Morgen der kühle Bescheid:
Todt Liebe und Hoffnung, verschmäht und betrogen,
Lebendig nur Schmerz und unendliches Leid.
Nicht lieben zu dürfen, nicht hassen zu können,
O grausame Qualen, wer hat euch erdacht?
Und wollen die Tage das Glück mir nicht gönnen,
So belüge denn du mich, sinkende Nacht!

Waldtraut, als hätt’ sie kaum verstanden
Und ahnte doch der Freundin Schmerz,
Saß schweigend, ihre Augen fanden
Den Weg in Wulfhilds trauernd Herz.
An Wulfhilds Wimpern aber glänzten
Der kummerschweren Thränen zwei,
Das stand der Eichengrünbekränzten
Wie Schnee dem blüthenreichen Mai;
Doch rang sie die Bewegung nieder
Und reichte Waldtraut ihre Hand
Und lächelte und sprach dann wieder,
Zur liebsten Freundin hingewandt:
»O laß mein Schmerz dich nicht bethören,
Du bist ja glücklich, kennst kein Leid,
Laß noch ein frohes Lied mich hören!«
Und wieder sang die holde Maid.

Alle Blumen möcht’ ich binden,
Alle dir in einen Strauß
Und mit Kränzen dich umwinden,
Daß du lachend säh’st heraus.

Alle Vögel möcht’ ich fangen,
Alle dir nach meinem Sinn,
Wenn sie in den Zweigen sangen,
Wies ich stets zu dir sie hin.

Alle Schätze möcht’ ich heben,
Alle aus der Tiefe Schoß,
Daß ich dir sie könnte geben
Und du würdest reich und groß.

Ach! was kann ich, und was hab’ ich!
Bin ich doch so arm wie du,
Was ich hatte, ach! das gab ich,
Und mich selbst, mich selbst dazu.

Im Grase thaut’s, die Blumen träumen
Von ihrem bunten Honigdieb,
Und oben flüstert’s in den Bäumen:
Schläfst du? schläfst du, mein trautes Lieb?
Der Mond scheint durch den grünen Wald.

Ein Aestlein wankt mit leisem Wiegen,
In dunkler Blätterheimlichkeit
Regt sich ein Kosen, Schweben, Schmiegen:
Dir treu, dir treu in Ewigkeit!
Der Mond scheint durch den grünen Wald.

Nun wird es still in Luft und Zweigen,
Ein wonnig Athmen hebt die Brust,
Dich küßt die Nacht mit süßem Schweigen,
Ruh’ aus, ruh’ aus von Lieb’ und Lust,
Der Mond scheint durch den grünen Wald.

Es schlüpfte durch Gebüsch und Ranken
Ein frischer, kühler Wisperhauch,
Ein Schauern, Zittern dann und Schwanken
Begann in jedem Baum und Strauch.
Von ungefähr heran geflogen
Durchs Laub ein mächtig Rauschen brach,
Und als vorüber das gezogen,
Folgt’ ihm ein langes Flüstern nach.
Es war des Abendwindes Wehen,
Der über Blatt und Blüthe strich,
Als ob im Wald er auf den Zehen
Sich heimlich durch die Dämm’rung schlich.
Die Mädchen brachen auf und trafen,
Vom Birschgang kommend mit dem Stahl
Und ihrer Beute froh, den Grafen
Und Albrecht nah der Burg im Thal.
Bruno trug mit verbrochnem Laube
Des Grafen Rehbock nach dem Schloß,
Und Ludolf hinter sich im Staube
Schleift’ einen Wolf, den Albrecht schoß.
So wie das Herz Jedwedem pochte,
War auch der Gruß, den Jeder bot,
Und wer am liebsten schweigen mochte,
Der schwieg, war reden ihm nicht noth.
Waldtraut verrieth mit warmen Blicken
Dem jungen Jäger ihr Gefühl,
Wulfhild erwiederte mit Nicken
Den Gruß des Vetters stumm und kühl.
Der Graf sah sinnend, lächelnd Beiden
Tief in die Augen, stand und stand,
Als könnt’ er von dem Bild nicht scheiden,
Das er hier doppelt vor sich fand.
Der Junker sprach: »Schau! liebe Muhme,
Wie schön steht dir das Eichengrün!
Doch warum keine einz’ge Blume
Läßt du in deinem Kranze blühn?«
»Wir theilten,« sprach mit leisem Beben
Wulfhild, »die sommerliche Zier,
Um Waldtraut lichte Blüthen schweben,
Der Eiche zähes Blatt ward mir.«
»Und wenn ich beide Euch vergleiche,
Find’ ich die Wahl nach Fug und Pflicht,
So schütze denn, du starke Eiche,
Das liebliche Vergißmeinnicht!«
Sprach mild der Ritter, als bewegte
Schon längst entschwundne Seligkeit
Den hartgewöhnten Mann und regte
Sich ihm ein längst bezwungnes Leid.
»Du Waldtraut,« sprach er freundlich weiter,
»Du bittest nie, sagst niemals: gieb!
Sag’s heute! bin so froh und heiter,
Ich thu’ dir, was ich kann, zu lieb!«

»Dank Euch, Herr Graf! so bitt’ ich heute,
Daß Ihr den großen Eber schlagt,
Der Saat und Frucht der armen Leute
Verwüstet, wie sie mir geklagt.«
»Und weiter weißt du nichts zu sagen?
Ei, Kind, bei meiner Waidmannsehr!
Sollst bald an deinem Halse tragen
Des groben Keilers scharf Gewehr,«
Lacht’ Hackelberend, »morgen gehen
Zu Holz wir, wo er stecken mag.«
»Und wir, Großmütterlein zu sehen,
Und bleiben dort den ganzen Tag,«
Sagt Wulfhild; mit beredtem Schweigen
Dankt Waldtraut, blickt den Jäger an,
Und Alle wenden sich und steigen
Nun wohlgemuth zur Burg hinan.
Schwül ist die Luft, nicht Mond, nicht Sterne
Streu’n ihr verheißungsvolles Licht,
Aus dunklen Wolken in der Ferne
Unheimlich Wetterleuchten bricht.

Julius Wolff

Das Sonett (Goethe)

 

Sich in erneutem Kunstgebrauch zu üben,

Ist heilge Pflicht, die wir dir auferlegen.

Du kannst dich auch, wie wir, bestimmt bewegen

Nach Tritt und Schritt, wie es dir vorgeschrieben.

 

Denn eben die Beschränkung läßt sich lieben,

Wenn sich die Geister gar gewaltig regen;

Und wie sie sich denn auch gebärden mögen,

Das Werk zuletzt ist doch vollendet blieben.

 

So möcht ich selbst in künstlichen Sonetten,

In sprachgewandter Mühe kühnem Stolze,

Das Beste, was Gefühl mir gäbe, reimen;

 

Natur und Kunst, sie scheinen sich zu fliehen

Und haben sich, eh man es denkt, gefunden;

Der Widerwille ist auch mir verschwunden,

Und beide scheinen gleich mich anzuziehen.

 

Es gilt wohl nur ein redliches Bemühen!

Und wenn wir erst in abgemeßnen Stunden

Mit Geist und Fleiß uns an die Kunst gebunden,

Mag frei Natur im Herzen wieder glühen.

 

So ists mit aller Bildung auch beschaffen:

Vergebens werden ungebundne Geister

Nach der Vollendung reiner Höhe streben.

 

Wer Großes will, muß sich zusammenraffen;

In der Beschränkung zeigt sich erst der Meister,

Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben.

Om Kalthoum – Enta Omri

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Eines der schönsten Lieder von Om Kalthoum – Enta Omri
– ausser vielleicht Al Atlal … Ich kann einen ganzen Tag nur dieses Lied hören, ohne dass mir langweilig würde…

 Om Kalthoum – You are My Life

Your eyes returned me to the days that had gone by
They taught me to regret the past and its wounds
That which I experienced before my eyes saw you
What is the wasted life to me?

You are my life whose morning began with your light
How much of my life before you has passed and gone by
My darling, how much of my life has gone
My heart never experienced one bit of joy before you
And had never tasted in this world anything but the flavor of injury
I’ve now just begun to love my life
I’ve now begun to fear for the passing of my lifetime
Every joy that I longed for before you was fantasy
My heart and mind meet find it in the light of your eyes
Oh life of my heart, oh you who is more precious than my life
Why didn’t I meet your love, my darling, sooner?

The sweet nights and the desire and the love
For so long my heart carried them for you
Taste love with me
Taste love with love
From the feeling of my heart whose desire extended to your feeling
Give me your eyes they reflect my eyes in their world
Give me your hands their touch calms my hands
Oh my darling come on forget about that which has passed us

Oh you who is more precious than my days
Oh you who is sweeter than my dreams
Take me to your longing take me
Pull me away from the universe
Far, far away you and I
From the love that awakens our days
From the desire than sleeps our nights
I’ve reconciled time my days with you
I’ve reconciled time with you
I forgot my pains with you
And I forgot with you my woes

Your eyes called me to the days that have passed
They taught me to regret the past and its wounds
That which I experienced before my eyes saw you
What is the wasted life to me?

أم كلثوم – انت عمري

رجعوني عنيك لأيامي اللي راحوا
علموني أندم على الماضي وجراحه
اللي شفته قبل ما تشوفك عنيه
عمر ضايع يحسبوه إزاي عليّ
انت عمري اللي ابتدي بنورك صباحه
قد ايه من عمري قبلك راح وعدّى
يا حبيبي قد ايه من عمري راح
ولا شاف القلب قبلك فرحة واحدة
ولا داق في الدنيا غير طعم الجراح
ابتديت دلوقت بس أحب عمري
ابتديت دلوقت اخاف لا العمر يجري
كل فرحه اشتاقها من قبلك خيالي
التقاها في نور عنيك قلبي وفكري
يا حياة قلبي يا أغلى من حياتي
ليه ما قابلتش هواك يا حبيبي بدري
اللي شفته قبل ما تشوفك عنيه
عمر ضايع يحسبوه إزاي عليّ
انت عمري اللي ابتدي بنورك صباحه
الليالي الحلوه والشوق والمحبة
من زمان والقلب شايلهم عشانك
دوق معايا الحب دوق حبه بحبه
من حنان قلبي اللي طال شوقه لحنانك
هات عنيك تسرح في دنيتهم عنيه
هات ايديك ترتاح للمستهم ايديه
يا حبيبي تعالى وكفاية اللي فاتنا
هو اللي فاتنا يا حبيب الروح شويه
اللي شفته قبل ما تشوفك عنيه
عمر ضايع يحسبوه إزاي عليّ
انت عمري اللي ابتدي بنورك صباحه
يا حبيبي تعالى وكفاية اللي فاتنا
هو اللي فاتنا يا حبيب الروح شويه
اللي شفته قبل ما تشوفك عنيه
عمر ضايع يحسبوه إزاي عليّ
انت عمري اللي ابتدي بنورك صباحه
يا أغلى من أيامي
يا أحلى من أحلامي
خدني لحنانك خدني
من الوجود وابعدني
بعيد بعيد أنا وانت
بعيد بعيد وحدينا
ع الحب تصحى أيامنا
ع الشوق تنام ليالينا
صالحت بيك ايامي
سامحت بيك الزمن
نستني بيك آلامي
ونسيت معاك الشجن
ودعوني عنيك للأيامي اللي راحوا
علموني أندم على الماضي وجراحه
اللي شفته قبل ما تشوفك عنيه
عمر ضايع يحسبوه إزاي عليّ

 

„Oh Du, die wertvoller ist als meine Tage
Oh Du, die süsser ist als meine Träume
Nimm mich zu Deinem Sehnen – nimm mich
Zieh´mich heraus aus dem Universum
Weit, weit weg – (von) Dir und mir
Von der Liebe, die unsere Tage erweckt
Von der Begierde, die unsere Nächte schläft
Ich habe die Zeit meiner Tage auf Dich ausgerichtet
Ich habe meine ganze Zeit mit Dir in Einklang gebracht
Ich habe meine Schmerzen mit Dir verwehen lassen
Und ich habe mein Weh mit Dir gelassen

Deine Augen haben mich gerufen in die Tage, die vergangen sind
Sie haben mich gelehrt, das Vergangene zu bereuen und ihre Wunden darin
All das Erfahrene, bevor mein Augen Dich gesehen
Was ist mir das verschwendete Leben (noch)?“

Der Partisan (Leonard Cohen)

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Dieses Lied ist für mich noch nach Jahrzehnten ergreifend und rührt mich …
Es ist eine „Cover“-Version von  „La complainte du partisan“, geschrieben in London im Jahr1943 von  Emmanuel D’Astier de la Vigerie (der  „Bernard“ in der Französischen Resistance genannt wurde ) und Anna Marly. 

J’ai change‘ cent fois de nom,
j’ai perdu femme et enfants
mais j’ai tant d’amis;
j’ai la France entie`re,

Deutsche Übertragung:

„Als sie die Grenze überquerten
Erhielt ich den Befehl zu kapitulieren
Das brachte ich nicht fertig
Ich nahm mein Gewehr und tauchte unter

Ich hatte so viele Namen
Verlor Frau und Kinder
Es blieben viele Freunde
Einige davon sind bei mir

Eine alte Frau gab uns Unterschlupf
Versteckte uns auf dem Dachboden
Dann kamen die Soldaten
Sie starb ohne einen Laut

Heute morgen waren wir noch zu dritt
Jetzt am Abend bin nur ich noch übrig
Doch ich muss weiter
Die Landesgrenzen sind meine Gefängnismauern

Der Wind, der Wind bläst
Und fegt durch die Gräber
Bald sind wir frei
Dann treten wir aus dem Schatten

Die Deutschen kamen in mein Haus
Sie befahlen: „Ergib dich“
Doch ohne Angst
Hob ich meine Waffe

Ich trug hundert Namen
Verlor Frau und Kinder
Doch ich habe viele Freunde
Mir gehört ganz Frankreich

Auf dem Dachboden versteckte uns
Ein alter Mann für die Nacht
Die Deutschen nahmen ihn gefangen
Er wusste, er muss sterben

Der Wind, der Wind bläst
Er durchfegt die Gräber
Bald sind wir frei
Dann treten wir aus dem Schatten.“

Gute künstlerische Arbeit wird trotz des erlittenen Leids hervorgebracht. Und zwar als Antwort darauf, als ein Sieg über das Leid! (Leonard Cohen)

lcDieses Interview mit Leonard Cohen nach der Ordination zum Buddhisten zeigt eine sehr reflektierte und erhellende Sicht auf Depression und Einsamkeit und den Elementen, die diese auflösen, oder: Einen Sieg über sie bedeuten.

Die Interviewerin ist ziemlich hartnäckig … mit beeindruckenden Folgen!

 

 
02:16 Interviewerin: „Haben Sie je gedacht, dass – wenn Sie mit Ihrer Depression fertig würden – und es Ihnen besser gehen würde, dass Sie den Kontakt zu Ihrer künstlerischen Seite verlieren könnten? Die den Schmerz versteht und ausdrückt?“
02:27 Leonard Cohen: „Nein. Das ist eine ziemlich verbreitete Auffassung, dass ausschliesslich Leid gute Arbeit hervorbringt – oder einfühlsame Werke. Ich denke nicht, dass das der Fall ist. Ich denke, dass in einem bestimmten Sinn Schmerz der Beginn oder das Ende davon ist. Aber ich denke, dass gute (künstlerische:FF) Arbeit trotz des erlittenen Leids hervorgebracht wird. Und zwar als Antwort darauf, als ein Sieg über das Leid!“
02:50  Interviewerin: „Das klingt nach einem interessanten Konzept: Ein Sieg über das Leid?“
02:53 Leonard Cohen: „Hm ja , weil … ich denke … – aeh-aeh-aeh – … wenn der Grad von Intensität der Bedrängnis und der Verwirrung eines Menschen genügend hoch ist, dann kannst Du Dich nicht bewegen. Und für Menschen, die das klinische Bild einer Depression erleben, ist deren Problem, überhaupt bis zum nächsten Moment zu kommen. Du verlierst dann dein Gleichgewicht und bist nicht wirklich fähig., zu analysieren oder zu denken.“
03:20 Interviewerin: „Waren Sie davon betroffen?“
03:22 Leonard Cohen „Ja – ja! Ja, ich war dort.“
(…)
04:05 Interviewerin: „Erzählen Sie was über Frauen.“
04:07 Leonard Cohen: „Oh – Sie sind haben da sicher die größere Autorität darüber zu sprechen, als ich! (lacht)“

Ich selbst bin Anarchist, aber von einer anderen Art. (Gandhi)

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M.K. Gandhis Rede zur Einweihung der Hindu-Universität von Benares, 6. Februar 1916:

„Freunde, ich möchte meine demütige Entschuldigung für meine Verspätung aussprechen. Ihr werdet die Entschuldigung annehmen, wenn ich euch sage, daß ich nichts dafür kann noch sonstwer dafür verantwortlich ist. (Gelächter.) (…) Wir mögen vor Wut schäumen, wir mögen uns ärgern, wir mögen das übelnehmen, doch wir sollten nicht vergessen, daß das heutige Indien in seiner Ungeduld eine Armee von Anarchisten hervorgebracht hat. Ich selbst bin Anarchist, aber von einer anderen Art. Denn es gibt eine bestimmte Strömung von Anarchisten unter uns, zu denen ich sagen würde, wenn es mir möglich wäre, sie zu erreichen, daß für ihre Form des Anarchismus kein Platz ist in einem Indien, welches den Eroberer bekämpft. Sie sind ein Zeichen der Angst. Wenn wir jedoch Gott vertrauen, brauchen wir vor niemandem Angst haben, weder vor den Maharajas, noch vor den Vizekönigen, noch vor den Polizisten, nicht einmal vor König George. Ich achte diesen Anarchisten für seine Liebe fürs Land. Ich achte seinen Mut und seine Entschlossenheit, für dieses Land zu sterben, aber ich frage ihn: Ist das Töten ehrbar? Ist der Dolch des Attentäters ein angemessener Grund für einen ehrbaren Tod? Ich verneine das. Es gibt keine Rechtfertigung für solche Mittel in irgendeiner Schrift. Wenn ich es für die Befreiung Indiens notwendig fände, daß die Briten sich zurückzögen, daß sie rausgeschmissen werden müßten, würde ich nicht zögern zu erklären, daß sie gehen müßten und ich hoffe, ich wäre fähig für dieses Ziel mein Leben einzusetzen. Das wäre meiner Ansicht nach ein ehrbarer Tod. Der Bombenwerfer aber braucht die geheime Verschwörung, meidet die Öffentlichkeit und zahlt bei einer Festnahme den Preis für seinen fehlgeleiteten Eifer. Man hat mir entgegengehalten: „Hätten wir das nicht getan, hätten einige nicht Bomben geworfen, hätten wir niemals irgendwelche Erfolge in der Bewegung gegen die Teilung Bengalens erzielt.“ (…) Denkt nur an euch selbst: wenn ein Mensch, der gestern noch freundlich gewesen, jähzornig wurde, nachdem er mich getroffen hat, ist er dafür verantwortlich, daß er sich so gewandelt hat oder bin ich es nicht selbst? Die Atmosphäre des Kriechertums und der Lüge, die die Civil-Service-Leute empfängt, wenn sie nach Indien zurückkehren, demoralisiert sie. Und auch uns würde das demoralisieren. Manchmal ist es besser, sich selbst die Verantwortlichkeit aufzubürden. Wenn wir die Selbst-Regierung erreichen wollen, müssen wir uns verantwortlich verhalten. Sonst bekommen wir nie die Selbst-Regierung.“ Nach D. Rothermund: Mahatma Gandhi, München 1989, S.88f)

M. K. Gandhi (übersetzt nach Collected Works XIII, Ahmedabad 1964, S.210-216) Quelle