Die Macht der Verletzlichkeit (Brenee Brown)

Der folgende Artikel ist ein Transkript eines Vortrags, den Brene Brown auf TED veroeffentlichte. Das Original – Video ist hier zu sehen. Brene Brown – The Power Of Vulnerability

Ich möchte mit dieser Geschichte beginnen: Vor ein paar Jahren rief mich eine Eventmanagerin an, kurz bevor ich einen Vortrag halten sollte. Sie rief mich also an und sagte: “Ich habe echt Schwierigkeiten, wie ich über Sie auf dem kleinen Flyer schreiben soll.” Und ich dachte: “Okay – was ist das Problem?” Sie sagte: “Na ja, ich habe einen Ihrer Vorträge gehört und denke, ich sollte Sie als Forscherin bezeichnen, aber ich fürchte, wenn ich Sie so nenne, dann wird niemand kommen. Sie werden denken, dass Sie langweilig und belanglos sind.” Okay. Und dann sagte sie: “Aber was ich an Ihrem Vortrag mochte, sind die Geschichten, die Sie erzählen. Also dachte ich, ich nenne Sie einfach eine Geschichtenerzählerin.”

Sofort dachte sich der akademische, unsichere Teil in mir so ungefähr: “Sie wollen mich als was bezeichnen???” Sie sagte: “Ich werde Sie eine Geschichtenerzählerin nennen.” Und ich dachte nur: “Warum nicht gleich Zauberfee?” (Gelächter) Ich meinte: “Geben Sie mir einen Moment Zeit, um darüber nachzudenken.” Ich habe all meinen Mut zusammen genommen und dachte: Ich bin tatsaechlich eine Geschichtenerzählerin. Ich bin eine qualitative Sozialforscherin. Ich sammle Geschichten; das ist, was ich tue. Und vielleicht sind Geschichten ja einfach Daten mit Seele. Und vielleicht bin ich ja eine Geschichtenerzählerin. Also sagte ich: “Wissen Sie was? Nennen Sie mich doch einfach eine forschende Geschichtenerzählerin.” Und Sie antwortete: “Haha. Sowas gibt’s doch gar nicht.” (Gelächter) Also bin ich eine forschende Geschichtenerzählerin und ich möchte Ihnen einige Geschichten über meine Forschung erzählen, die meine persönliche Wahrnehmung fundamental erweitert und die Art, wie ich lebe und liebe und arbeite und erziehe wirklich verändert hat.

Und damit beginnt meine Geschichte. Als ich eine junge Forscherin war, Doktorandin, hatte ich in meinem ersten Jahr einen Professor, der zu uns sagte: “Die Sache ist die: “Wenn es nicht messbar ist, dann existiert es nicht.” Und ich dachte, es waere nur Geschwaetz. Ich meinte: “Wirklich?” Und er: “Absolut”. Was Sie dabei wissen müssen: Ich habe einen Bachelor in Sozialarbeit, einen Master in Sozialarbeit und war gerade dabei, meinen Doktor in Sozialarbeit zu machen. Meine gesamte akademische Laufbahn verbachte ich mit Leuten die der Überzeugung waren, dass das Leben ein Durcheinander ist und ich dachte: Aha – Leben ist Chaos, also räum es auf, organisiere es und pack es in eine Box. (Gelächter) Und so meinte ich, meinen Weg gefunden zu haben, einen guten Berufsweg eingeschlagen zu haben. Eine der berühmten Redewendungen im Bereich Sozialarbeit ist: Taste dich in das Unbehagen der Arbeit und ich dachte mir: Nieder mit dem Unbehagen, pack es an und hol überall Einser, das war mein Mantra. Also war ich sehr gespannt darauf. Ich dachte, weißt du was, das ist die Karriere für mich weil ich an den vertrackten Problemen interessiert bin, ich will in der Lage sein, sie zu entschlüsseln. Ich will sie verstehen. Ich will diese Dinge oeffnen, von denen ich weiß, dass sie wichtig sind und will den Schlüssel klar sichtbar machen.

Ich begann bei den Beziehungen. Wenn man seit 10 Jahren Sozialarbeit macht hat man realisiert dass Beziehungen unsere Existenzgrundlage sind. Das ist es, was unserem Leben einen Zweck und Bedeutung verleiht, darum geht es letztendlich. Es spielt gar keine Rolle, ob man mit Leuten spricht die im Bereich Sozialrecht oder seelische Gesundheit, Missbrauch oder Verwahrlosung arbeiten, was wir wissen ist, dass Beziehungen, die Fähigkeit, sich verbunden zu fühlen, — neurobiologisch sind wir auf diese Weise verdrahtet — der Grund sind, warum wir heute hier sind. Also dachte ich mir, ich beginne mit Beziehungen.

Kennen Sie die Situation, wenn sie eine Bewertung von Ihrem Chef bekommen, und sie sagt Ihnen 37 Dinge die sie richtig toll machen, und dann noch eine extra Sache …. und das sei eine Chance für ihre Weiterentwicklung? Alles woran Sie denken können ist diese Chance für Weiterentwicklung, nicht wahr? Nun ja, das bewahrheitete sich schnell in meinem neuen Forschungsprojekt, denn wenn ich Leute nach Liebe fragte, dann erzählten sie mir von Herzschmerz, wenn ich Leute nach Zugehörigkeit fragte, dann sprachen sie von ihren schmerzlichsten Erfahrungen mit dem Gefuehl, ausgeschlossen zu sein und wenn ich Leute nach Beziehungen fragte handelten die Geschichten, die sie mir erzählten, von Trennung.

Ziemlich bald — wirklich schon nach ungefähr sechs Wochen Recherche — traf ich auf eine unbenannte Sache, die Beziehungen gänzlich durchdrang, auf eine Art und Weise, die ich nicht verstand oder nie zuvor gesehen hatte. Ich zog mich aus der Recherche zurück und meinte, ich müsse erst herausfinden worum es sich hier handelt. Es stellte sich heraus, dass es Scham war. Scham ist der Ausdruck von Angst vor Verlassenheit, Trennung, Einsamkeit. Scham fragt: Gibt es irgendwas an mir, das, falls andere Leute davon wissen oder es sehen, dazu fuehrt dass ich unwürdig bin ? Was ich Ihnen heute dazu sagen kann ist : Scham ist universal; wir alle haben sie. Die einzigen Menschen, die Scham nicht kennen haben selbst keine Kapazität für zwischenmenschliche Empathie oder Beziehungen. Niemand möchte darüber reden aber je weniger man darüber redet, umso mehr hat man davon. Was diese Scham untermauert, ist die Ueberzeugung “Ich bin nicht gut genug,” Wir alle kennen das: “Ich bin nicht klar genug. Ich bin nicht dünn genug, nicht reicht genug, nicht schön genug, nicht schlau genug, habe nicht genug Karriere gemacht.” Die Quelle dieser Gedanken ist die Angst vor Verletzlichkeit und das Wissen dass wir uns erlauben müssen, gesehen zu werden – wirklich gesehen – wie wir sind um Verbundenheit zu spueren und Beziehungen zu haben, die uns tragen.

Wissen Sie wie ich mich in Bezug auf Verletzlichkeit fühle ? Ich hasse Verletzlichkeit ! Also dachte ich, das sei meine Chance, mit meiner Messlatte zurückzuschlagen. Ich mach’s, ich werde dieses Zeug ausknobeln, ich werde darauf ein Jahr verwenden, ich werde Scham total dekonstruieren, ich werde herausfinden wie Verletzlichkeit funktioniert und ich werde sie überlisten. Ich war bereit und ich war wirklich enthusiastisch. Sie wissen bereits, es wird nicht gut ausgehen. (Gelächter) Sie wissen das. Ich könnte Ihnen viel theoretisches über Scham erzählen doch ich würde Sie alle damit langweilen. Ich sage Ihnen wie es weiterging — wie es kam dass ich die wichtigesten Dinge herausfand die ich jemals gelernt habe während des Jahrzehnts in dem ich diese Forschung betrieb. Aus meinem einen Jahr wurden sechs Jahre, tausende Geschichten, hunderte lange Interviews, Fokusgruppen. Zeitweise schickten mir Leute Seiten aus Tagebüchern und sie schickten mir ihre Geschichten — tausende Daten in sechs Jahren. Und ich dachte zuerst ich haette sozusagen den Dreh raus.

Ich verstand einigermaßen – das hier ist Scham, so funktioniert sie. Ich schrieb ein Buch, ich veröffentlichte eine Theorie, aber irgendwas war nicht in Ordnung. Es liess mir keine Ruhe. Ich dachte ich würde die von mir interviewten Leute nehmen und sie unterteilen in die Leute die wirklich ein Gefühl von Würde und Wert haben — darauf kommt es letztendlich an, ein Gefühl von Würdigkeit, ein starkes Gefühl der Liebe und Zugehörigkeit – und die Menschen, die sich immer fragen, ob sie gut genug sind.

Es gab nur eine Variable die jene Leute unterschied: Die Leute, die ein starkes Gefühl der Liebe und Zugehörigkeit haben, glauben, dass sie der Liebe und Zugehörigkeit würdig sind. Das ist alles. Sie glauben daran, dass sie würdig sind.

Ich sah deutlich, dass unsere Angst, dass wir nicht würdig sind alle unsere Beziehungen behindert – auch und gerade die Beziehung zu uns selbst. Was ich also machte, war, all die Interviews zu nehmen wo ich Menschen sah, die glauben, wuerdig zu sein und ich betrachtete nur diese.
Was haben diese Menschen gemeinsam? Ich hatte einen Ordner und einen Stift und dachte mir – wie werde ich diese Forschungsarbeit nennen? Und die ersten Worte, die mir in den Sinn kamen, waren ‘ Von ganzem Herzen’. Das sind Menschen ‘von ganzem Herzen’, sie leben aus einem tiefen Gefühl der Würdigkeit. Also beschriftete ich die Ordner und begann damit, die Daten zu betrachten. Eigentlich tat ich das zuerst, in einer vier Tage langen sehr intensiven Datenanalyse, in der ich zurückschaute, und jene Interviews, jene Geschichten und jene Begebenheiten herausfischte. Was ist das Thema? Was ist das Muster? Mein Ehemann verließ die Stadt mit den Kindern, da ich mich ja immer in diesen Wahn wie Jackson Pollock reinsteigere indem ich einfach nur schreibe und in meinem Forschungsmodus bin.

Hier ist, was ich herausfand: Was sie gemeinsam hatten war Mut – und ich möchte Mut und Tapferkeit kurz für Sie unterscheiden. Ich spreche von Mut im Sinne von Courage. Der Begriff Courage entstammt dem lateinischen Wort “cor”, dessen Bedeutung ist “Herz” — und die ursprüngliche Bedeutung war, die eigene Geschichte aus ganzem Herzen zu erzählen. Also hatten diese Leute schlichtweg den Mut unvollkommen zu sein. Sie hatten due Faehigkeit, sich selbst zu lieben und dann die Anderen, denn, wie sich herausstellt, können wir nicht Mitgefühl mit anderen Menschen haben, wenn wir uns selbst nicht liebevoll behandeln. Und dann hatten sie wertvolle mitmenschliche Beziehungen denn — das war der schwierige Teil — als Folge ihrer Authentizität waren sie gewillt die Vorstellung sie muessten etwas und jemand Bestimmtes sein loszulassen. Das muss man unbedingt tun wenn man Verbundenheit und Liebe fuehlen will.

Die andere Sache, die ihnen gemeinsam war: Sie nahmen Verletzlichkeit ganz bereitwillig an. Sie glaubten, dass das, was sie verletzlich macht, sie wunderschön und reich macht. Sie redeten weder über Verletzlichkeit als eine angenehme Angelegenheit, noch redeten sie darüber als eine qualvolle Angelegenheit — wie ich es zuvor in den Interviews zu Scham gehört hatte. Sie redeten lediglich über ihre Notwendigkeit. Sie redeten von der Bereitschaft, zuerst “Ich liebe dich” zu sagen, die Bereitschaft, etwas zu tun bei dem es keine Garantien gibt, die Bereitschaft durchzuatmen, wenn man nach seiner Mammograhpie auf den Anruf des Arztes wartet. Sie waren bereit in eine Beziehung zu investieren, die vielleicht gelingt oder nicht gelingt. Sie dachten alle, dies sei fundamental.

Ich persönlich dachte, es sei Verrat. Ich hatte der Forschung Treue geschworen — die Definition von Forschung ist, Phänomene zu kontrollieren, vorauszusagen und zu studieren um kontrollieren und voraussagen zu können. Und jetzt hatte meine Mission – zu kontrollieren und vorauszusagen – die Antwort hervorgebracht, dass die beste Art zu leben sei, mit Verletzlichkeit zu leben und aufzuhören mit Kontrollieren und Voraussagen. Das führte zu einem kleinen Zusammenbruch — (sie zeigt das Wort ‘Breakdown’ in weisser Schrift auf einem schwarzen Hindergrund) — der eigentlich eher so aussah. (Das Wort ‘Breakdown’ ist duchgestrichen und darunter steht ‘spirituelles Erwachen’)

Und so war es. Ich nannte es einen Zusammenbruch, meine Therapeutin nannte es ein spirituelles Erwachen. Ein spirituelles Erwachen klingt besser als ein Zusammenbruch, aber ich versichere Ihnen, es war ein Zusammenbruch. Und ich musste meine Daten beiseite legen und einen Therapeuten suchen. Sie wissen wer Sie sind, wenn Sie Ihre Freunde anrufen und sagen, “Ich glaube ich muss jemanden aufsuchen. Hast du irgendwelche Empfehlungen?” und ungefähr fünf Ihrer Freunde sagen, “Eijeijeij. Ich würde nicht dein Therapeut sein wollen.” Und ich fragte: “Was soll das heißen?” Und sie: “Weißt du, ich mein ja bloß. Nimm nicht deinen Messstab mit.” Und ich sagte: “Okay.”

Also fand ich eine Therapeutin. Zu meiner ersten Sitzung mit ihr brachte ich meine Akten über die Menschen die von ganzem Herzen leben mit und setzte mich. Sie sagte, “Wie geht es Ihnen?” Und ich antwortete “Mir geht’s super. Alles okay.” Sie sagte, “Was ist los?” Sie ist eine Therapeutin die mit Therapeuten spricht, man sollte zu solchen gehen weil ihre Toleranzgrenzen gegenüber Blödsinn und Jammern hoch sind. Also antwortete ich, “Die Sache ist, dass ich mit etwas zu kämpfen habe.” Und sie sagte, “Womit denn?” Und ich, “Nun ja, ich habe ein Problem mit Verletzlichkeit. Ich weiß, dass Verletzlichkeit die Quelle von Beschämung und Angst und unserem Kampf um Würdigkeit ist, aber es scheint, dass sie auch der Geburtsort von Freude, von Kreativität, von Zugehörigkeit und Liebe ist. Ich glaube, ich habe ein Problem und brauche Hilfe.” Ich sagte auch: “Aber die Sache ist folgende: kein Familienzeugs, keine Kindheitsscheiße.” (Gelächter) “Ich brauche einfach nur ein paar Strategien.” (Gelächter) (Applaus) Danke. Und sie macht so. (Sie nickt nachdenklich und laechelt) Dann sagte ich: “Es ist schlimm, oder?” Und sie antwortet: “Es ist weder gut noch schlecht. Es ist einfach, was es ist.” Und ich sagte: “Ach du liebe Güte, das kann ja heiter werden.”

Und das war es und war es nicht, es brauchte ungefähr ein Jahr. Es gibt Menschen, die, wenn sie realisieren, dass Verletzlichkeit und Zärtlichkeit wichtig sind, kapitulieren und sich damit abfinden. Erstens, das bin nicht ich, zweitens, mit solchen Leuten häng ich nicht mal zusammen ab. (Gelächter) Für mich war es ein 12 Monate währender Strassenkampf, ein Schlagabtausch. Verletzlichkeit schubste, ich schubste zurück. Ich verlor den Kampf, aber gewann wahrscheinlich mein Leben zurück.

Ich ging zurück zur Forschungsarbeit und verbrachte die nächsten paar Jahre damit wirklich zu versuchen zu verstehen, was die, die aus ganzem Herzen leben, für Entscheidungen treffen und was Verletzlichkeit bedeutet. Warum kämpfen wir so viel damit? Bin ich allein in meinem Kampf mit Verletzlichkeit? Nein.
Das ist was ich lernte: Wir betäuben Verletzlichkeit — zum Beispiel wenn wir auf den Anruf warten. Es war komisch, ich schickte auf Twitter und auf Facebook die Frage heraus: “Wie würdest du Verletzlichkeit definieren? Was gibt dir das Gefühl verletzlich zu sein?” Innerhalb von eineinhalb Stunden hatte ich 150 Antworten. Ich wollte wissen, was es dazu zu sagen gibt. Meinen Ehemann um Hilfe bitten zu müssen, weil ich krank bin und wir frisch verheiratet sind; Sex mit meinem Ehemann initiieren; Sex mit meiner Ehefrau initiieren; abgelehnt werden; jemanden einladen mit einem auszugehen; auf den Rückruf des Arztes warten; entlassen werden; Leute entlassen — das ist die Welt, in der wir leben. Wir leben in einer verletzlichen Welt. Und eine der Arten, wie wir damit umgehen, ist die Verletzlichkeit zu betäuben.

Und ich denke es gibt Beweise — es ist nicht die einzige Ursache aber ich denke es ist ein Hauptgrund dafür, dass wir die am hoechsten verschuldete, fettleibigste, süchtigste und medikamentierteste Schar von Erwachsenen in der Geschichte der Vereinten Staaten von Amerika sind. Das Problem ist — und das lernte ich von der Forschungsarbeit — dass man nicht selektiv Emotionen betäuben kann. Man kann nicht sagen, hier ist das schlechte Zeug, hier ist Verletzlichkeit, hier ist Trauer, hier ist Scham, hier ist Angst, hier ist Enttäuschung, ich will die nicht fühlen. Ich werde ein paar Bier und einen Bananen-Nuss-Muffin haben. (Gelächter) Ich will die nicht fühlen. Ich weiß, das ist wissendes Lachen. Ich verdiene meinen Lebensunterhalt damit, Ihre Leben zu durchleuchten. Oh Gott. (Gelächter) Man kann diese schwierigen Gefühle nicht betäuben ohne die anderen Affekte zu betäuben, unsere Emotionen. Man kann nicht selektiv betäuben. Wenn wir also jene betäuben, dann betäuben wir Freude, betäuben wir Dankbarkeit, betäuben wir Glücklich-Sein. Dann fühlen wir uns elend, suchen nach Sinn und Bedeutung im Leben, fühlen uns verletzlich, nehmen ein paar Bier und einen Bananen-Nuss-Muffin. Daraus entsteht ein Teufelskreis.

Eines der Dinge ueber die wir nachdenken müssen ist – warum und wie wir betäuben. Es ist nicht nur Sucht. Wir versuchen auch, alles Ungewisse gewiss zu machen. Religion ist von einem Glauben an Sinn und Mysterium zu einer Gewissheit geworden. Ich habe recht, du hast nicht recht. Halt die Klappe. So ist das. Völlig gewiss. Je ängstlicher wir sind, desto verletzlicher sind wir, desto ängstlicher sind wir. So verhält es sich mit der Politik heutzutage. Es gibt keinen Diskurs mehr. Es gibt keine Gespräche mehr. Es gibt nur Schuld. Wissen Sie wie Schuld in der Forschung beschrieben wird? Eine Art und Weise, Schmerz und Unbehagen abzuladen ! Wir wollen perfektionieren. Wenn es jemanden gäbe, der sein Leben gerne perfekt sehen würde, dann wäre ich das, aber es funktioniert nicht. Denn was wir machen, ist Fett von unseren Hintern zu nehmen und es in unsere Wangen zu spritzen. (Gelächter) Auf das, hoffe ich, werden in hundert Jahren die Menschen zurückblicken und sagen: “Wow.”

Und wir perfektionieren, gefährlicherweise, auch unsere Kinder. Lassen Sie mich Ihnen sagen, was wir über Kinder denken. Wenn sie auf die Welt kommen, sind sie für Probleme vorprogrammiert. Wenn man diese perfekten, kleinen Babies in seiner Hand hält, dann ist unsere Aufgabe nicht zu sagen: “Sieh sie an, sie ist perfekt. Meine Aufgabe ist es, sie perfekt zu halten — sicherzugehen, dass sie es in der fünften Klasse ins Tennisteam schafft und in der siebten Klasse nach Yale.” Das ist nicht unsere Aufgabe. Unsere Aufgabe ist es zu sehen und zu sagen: “Weißt du was? Du bist unvollkommen, und du wirst Probleme haben, aber du bist der Liebe und Zugehörigkeit würdig.” Das ist unsere Aufgabe. Zeigen Sie mir eine Generation von Kinder die so großgezogen wurden, und wir werden die Probleme, die wir heute sehen, beenden. Wir tun so, als hätte das, was wir tun, keine Auswirkungen auf andere Menschen. Das machen wir in unserem Privatleben. Das machen wir in Firmen — egal ob es ein Rettungspaket, eine Ölpest, ein Rückruf ist — wir tun so, als hätte das, was wir tun, keine Auswirkung auf andere Menschen. Ich sage allen – auch den Firmen und Politikern – wir wollen nichts Besonderes, nichts Perfektes. Wir verlangen einfach, dass ihr authentisch und ehrlich seid und sagt: “Es tut uns leid. Wir werden es wieder in Ordnung bringen.”

Doch das ist noch ein weiter Weg, und damit verabschiede ich mich von Ihnen. Das ist, was ich herausgefunden habe: Wir muessen zulassen, gesehen zu werden, tiefgehend gesehen, verletzlich gesehen und lieben mit unserem ganzen Herzen, auch wenn es keine Garantie gibt — und das ist wirklich schwer. Ich kann Ihnen als Elternteil sagen, es ist schmerzlich schwierig Dankbarkeit und Freude zu spueren in jenen Momenten des Terrors, in denen wir uns fragen: “Kann ich dich so viel lieben? Kann ich hieran inbrünstig glauben? Kann ich mich dafuer entscheiden ?” Fähig sein anzuhalten und, statt darüber zu katastrophisieren was passieren könnte, sagen: “Ich bin dankbar, mich verletzlich zu fühlen denn es bedeutet, dass ich lebe.”

Und hier ist das Allerwichtigste : Daran zu glauben, dass wir gut genug sind. Denn wenn wir wissen “Ich bin gut genug.” dann hören wir auf zu schreien und beginnen zuzuhören, sind liebevoller und freundlicher zu uns selbst und liebevoller und freundlicher zu den Menschen um uns herum. (Brene Brown’s Vortrag auf TED)

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