schreiben

2011-07-02 14.24.02
schreiben: wort für wort, zeile für zeile, seite um seite. ich meissle ein leben in sprache, mache den augenblick hörbar, ich bin tief genug in dunkelheit und hoch genug im licht. wendungen, bewegungen in mir – zu dir gewandt, dir in die augen schauend, dich anrufend, dich beschwörend. ohne dich wird kein wort lebendig. keine ewigkeit entfaltet ihre unsterblichkeit, nichts von dauer wird eingefangen. schmetterlinge in fäusten, die flügge geworden sind. grenzen verwischt im mairegen: weiss nicht, wo du anfängst oder wo ich ende?

ich bin fertig und frei und fuhr. wie lang soll meine reise gehen? eine suche, ein finden, ein kampf – sanfter gewordener angriff, weicher gewordene verteidigung eines ichs, das in agonie liegt. es stirbt vorsichtig und wütend und gibt den weg frei für freie fluten, die mich berühren. ich stürme nach vorne – todlosigkeit auf meinen neuen fahnen. fahnen, denen ich nicht folgen kann, denn ich bin es, der sie trägt.

ich schreibe dir liebesbriefe. ich schreibe dir zu liebe – dir: meinem eigenen selbst. ich schreibe dir deine zukunft und deine vergangenheit, damit der augenblick bleiben möge. trotz zweifel und wut und scham gehe ich weiter und tiefer – durch schatten und grelles licht. todlos und lebendig – oh ewigkeit – lass mich ein.

und du andere, du anderer und fremd, wie du bleiben darfst, dir schreibe ich gleichzeitig, diesem du, dass erst da ist, wenn meine worte aus der augenblicklosigkeit wieder augenblicke schaffen: interaktion zwischen deinen augen und meinen texten, du kannst hören, wie ich zu dir gesprochen habe – bevor ich dich kannte und ohne dich je kennen zu lernen. das ist das feld, in dem wir unsterblich bleiben.
Natalie Merchant – My Skin

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