Warum Homophobie für mich menschenverachtender Scheiss ist…

Die panikartige Furcht oder der Schrecken vor offener Homosexualität ist gar nicht so selten, wie man liberal und / oder bildungsbürgerlich vielleicht meint.
Nicht nur nicht so selten, sondern eigentlich ziemlich alltägliche Praxis in diesem – und in vielen anderen – Ländern.

Vor was genau fürchtet „man“ sich da eigentlich? Dass es ansteckend sein könnte? Dass es moralzersetzend oder sonstwie pervers / anormal ist? Was ist so essentiell bedrohlich, dass du jemandem die Fresse polieren musst ?

Woher kommt eigentlich der Begrif „Homophobie“? Die wenigsten, mit denen ich darüber geplaudert habe, haben den leisesten Schimmer. Meistens wird recht schnell und „markig“ beteuert, dass sei „eine Privatangelegenheit“, „nicht der Rede wert“ und selbstverständlich sein man gaaanz „offen“.

Und genau dabei bleibt es dann auch! Bei einem Lippenbekenntnis, dass egalitärer – und damit nichtssagend – nicht sein könnte. Aber zurück zum Begriff. Er wurde in der seit vielleicht dreissig Jahren laufenden GENDER Debatte eingeführt.

Kurz zusammenfassend basiert die GENDER Forschung auf einer noch nicht voll durchkonstruierten Idee / Theorie: Menschen sind nicht aufgrund ihres biologischen Geschlechts so und nicht anders. Sowohl ihre Art, ihre je eigenen Männlichkeit / Weiblichkeit in ROLLEN zu verstehen und zu leben als auch ihr unterschiedliches Verhalten auf einem Kontinuum zwischen „männlich“ und „weiblich“ sind Gegenstand der Forschung. Prinzipiell werden Erleben und Verhalten von Männern und Frauen bezüglich stereotyper, archaischer oder sonstwie gesellschaftlich definierter Massstäbe DEKONSTRUIERT. Das Verhalten wird sozusagen in Einzelverhaltensbestandteile zerlegt, die wiederum neu frei kombinierbar sind. Homosexualität wäre auf diesem KONTINUUM nur ein möglicher Definitionspunkt.

Nun hat die Gender Forschung herausgefunden, dass es ne Menge Leute gibt, die mit dieser „freien Neukombination von Verhaltensbestandteilen“ sowas von nicht klar kommen, dass sie sich davor fürchten. Und diesen Umstand nennen die Gender ForscherInnen dann „Homophobie“. Das ist jetzt wirklich sehr kurz gedrängt dargestellt. Aber so im Grossen und Ganzen kommt das so schon hin.

Bedeutsam für mich – freilich aus einer HETEROSEXUELLEN Perspektive eines weissen selbständigen MANNES – ist die unausgesprochene Vorannahme der Phobie: Dass „man“ nämlich WISSE, wie ein „normaler“ Mann / eine „normale“ Frau sei. Diese unterschwellige moralische BEWERTUNG macht Homophobie so unerträglich. Ich gehe nämlich davon aus, dass Menschen prinzipiell freie Wesen sind. Sie ENTSCHEIDEN; wie und mit wem sie was erleben wollen und mit wem nicht. Und würden sie diese ENTSCHEIDUNGEN nicht treffen – dann, ja dann würden sie gerade das, was so ursächlich menschlicher Natur entspricht aufgeben. Ob die Entscheidungen nun „freie Willensentscheidungen“ sind oder konditionierte hoch komplex verrechnete Automatismen aus Erfahrung spielt bei dieser Überlegung für mich keine Rolle. Darüber jabe ich an anderem Ort ausführlich berichtet.

Menschen nicht mit Wohlwollen, sondern mit Furcht zu begegnen, kann durchaus sinnvoll und richtig sein. Und deshalb vermeiden heterosexuelle homophobe Menschen, sich in queer-Bars rumzutrieben. Warum? Weil sie glauben, dort nichts verloren zu haben. Blöd nur, dass Schwule und Lesben halt ÜBERALL auftreten. Blöd für diejenigen, die furchtsam durchs Leben latschen. Denn hinter jeder Ecke könnte die „schwul-lesbische“ Gefahr lauern.

Und da verachten sie lieber, als dass sie ihr HIRN einschalten. Sie schlagen jemand auf die Fresse, statt zu überlegen. Aus Wut, aus Verzweiflung, aus Unwissenheit – schlicht aus menschlich beschränkter DUMMHEIT. Und damit tun sie GENAU das, wovor sie so unermessliche Angst haben. Sie greifen in das Leben und die körperliche Unversehrtheit anderer Menschen ein. Sie wiederholen ihre eigene Panik in aufsuchendem, angreifendem Verhalten.

Das ist einfach deshalb menschenverachtend, weil es die tief in unser aller MENSCHSEIN verankerte FREIHEIT tief und nachhaltig negiert. Wenn ich es nötig habe, die FREIHEIT eines anderen zu beschränken, damit ich mich weiterhin frei fühlen kann, ist das VERACHTUNG der vitalen MENSCHENRECHTE für mich.

Und das ist Scheisse – noch nicht mal völlig verdaute!

Ich bin davon überzeugt, dass die traditionale Sicht: Mann und FRAU haben eine je eigene biologisch-geschlechtliche ESSENZ genauso grottenfalsch wie die Dekonstruktions-These der Gender Forscherinnen ist. Beide – unvereinbare – Positionen haben gute Argumentationslisten auf ihrer Seite.

Meine eigene Position ist viel differenzierter – aber auch komplexer. Ich bin fest davon überzeugt, dass menschliches Leben POLAR abläuft. Wir wandern in unserem Verhalten von einem Pol zu einem anderen Pol eines Verhaltenskontinuums. Wie weit dieses Spektrum ist und in welchen Polaritäten sich jemand aufhält, ist für mich nicht irgendwie angeboren, sondern gelernt. Es gibt allerdings gewaltige PRAKTISCHE Gründe, warum es für einen ganz bestimmten MANN hilfreich sein könnte, polar-männliche Verhaltensweisen kennen zu lernen, wie es für eine FRAU interessant sein könnte, polar-weibliche kennen zu lernen.

Für mich sind die Begriffe männlich und weiblich einfach nur griffig, ich assoziiere sie mit Sonne und Mond, mit Geist und Hingabe, mit Schöpferkraft und Empfängnis. In dem Masse, in dem jeder Einzelne / jede Einzelne die für sich passende dynamische Konfiguration gefunden hat und stabilisieren kann, kann er / sie beginnen, zu SPIELEN. Die Interaktionen gehorchen dann nicht mehr biologischen, gelerneten oder konditionierten moralischen SETZUNGEN, sondern werden von der Spielerin / dem Spieler benutzt, sie werden WERKZEUGE in einem SPIEL.

Bei einem Spiel kann ich verleiren oder gewinnen. Ein Spiel kann mich langweilen oder aufregen. Es kann sein, dass ich die Regeln des Spiels nicht oder sehr gut kenne. Authentizität ergibt sichdaraus, sich NICHT mit seinen SPIELROLLEN zu identifizieren, sondern klar zu haben, dass man spielt.

Wenn ich mich entscheide, in meinen Begriffen polar-weiblich zu sein erlebe ich meine Umwelt GANZ anders, als wenn ich beispielsweise in kompletter Ledergarnitur mit nem Leatherpride-PIN durch die Gegend latsche. „Menschen machen Menschen kaputt…“ hat Yok Quetschenpaua mal gesungen. Mein Lied handelt davon, dass ganze Menschen, gleich welche Geschlechtsteile sie durch die Gegend tragen einander begegnen können, miteinander spielen können, einander zu vertrauen lernen. Da braucht es keine Phobie mehr – keine Verachtung – keine Selbst- oder Fremdabwertung. Es braucht auch keine Ablenkung von den eigenen Gefühlen und Gedanken. Denn wir SIND unsere Gefühle und Gedanken, davon können wir uns auf Dauer nicht ABLENKEN.

Euch allen noch friedensreiche NÄCHTE und Tage voller Liebe. Und in den Worten des alten Aleisters:

Der Mensch hat das Recht zu lieben wie er will: – „erfüllt euch nach Willen in Liebe, wie ihr wollt, wann, wo und mit wem ihr wollt.“

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