Archiv der Kategorie: Zitate

Einzelne Zitate (samt Quellenangabe) sammle und publiziere ich hier …

Bodhisattvacharyavatara – Eintritt in den Weg des Erwachens (Shantideva) aus dem Berzin-Archiv

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Bodhisattvacharyavatara (III, 10-15):

„10) Um die Ziele aller begrenzten Wesen zu erfüllen,
Gebe ich, ohne ein Gefühl des Verlustes (zu empfinden),
Meinen Körper und ebenso alle Freuden
Wie auch all meine positiven Kräfte der drei Zeiten hin.

11) Alles hinzugeben (bringt) die Befreiung des Nirvana hervor.
Und mein Geist (ist darauf ausgerichtet), Nirvana zu verwirklichen,
Da das Hingeben aller Dinge (mit dem Tod) zusammenfällt,
Ist es am besten, den begrenzten Wesen (jetzt etwas) zu geben.

12) Nachdem ich meinen Körper all jenen überlassen habe,
die einen begrenzten Körper besitzen,
Um mit ihm zu tun, was sie gerne tun möchten,
Liegt es nun ganz bei ihnen, damit zu machen, was ihnen gefällt:
Ob sie ihn töten, missbrauchen, andauernd schlagen oder sonst was.

13) Lass sie mit meinem Körper spielen,
Mögen sie ihn der Lächerlichkeit preisgeben oder über ihn scherzen.
Ich habe ihnen meinen Körper zur Verfügung gestellt,
Warum ist er mir nun doch lieb und teuer?

14) Lass sie mit (meinem) Körper tun, was sie wollen,
Solange es ihnen selbst nicht schadet;
Möge alles, was auf mich ausgerichtet ist
Sich niemals als bedeutungslos erweisen.

15) Wenn in irgendjemandem, der sich auf mich konzentriert,
Ein ärgerlicher oder unfreundlicher Gedanke aufsteigt,
Dann möge sich das stets in eine Ursache wenden,
Um alle seine oder ihre Ziele zu erfüllen.“

Shantidevas „Eintritt in das Verhalten eines Bodhisattvas“ gehört zu den Werken, die ich regelmäßig lese. Immer wieder erfahre ich daraus Inspiration und Hinweise darauf, mein eigenes (begrenztes) Leben hinzugeben. Hingabe und aus der Überfülle zu geben besiegt die Dämonen des Zweifels und der Angst vor dem Tod.

Das Berzin-Archiv hat eine Übersetzung einiger Teile ins Netz gestellt. Diese Übersetzung möchte ich gerne teilen, damit ein Verstehen erleichtert wird. Eine Druckausgabe (anderer ÜbersetzerInnen) gibt es bspw. hier, hier (diese benutze ich!) oder hier.

Die Berzin-PDF-Version findet ihr hier.

Idumea (Charles Wesley)

Wesley_CWikipedia führt aus zum Autor:

Charles Wesley (* 18. Dezember 1707 in Epworth, North Lincolnshire; † 29. März 1788 in London) war neben seinem Bruder John Wesley und George Whitefield einer der drei Begründer der methodistischen Bewegung. Ihr Vater, Samuel Wesley (senior), war ein Dichter und Theologe. Die Mutter war Susanna Wesley. Wie sein Bruder John studierte auch Charles Wesley Theologie in Oxford. Während seiner Studienzeit organisierte er ein regelmäßiges Treffen gläubiger Studenten, das „Holy Club“ genannt wurde. Sein Bruder John übernahm die Leitung dieser Versammlung, der im Jahr 1732 auch George Whitefield beitrat.[1] 1735 wurde Wesley zum anglikanischen Priester geweiht. Nach seinem Studium reiste er in die erst kürzlich gegründete Kolonie Georgia, um dort als Sekretär für Gouverneur James Oglethorpe zu arbeiten. Dort lernte er die Glaubensauffassungen der Herrnhuter Brüdergemeinde kennen, besonders deren Idee eines persönlichen Glaubens an Jesus Christus.[1] Nach einem Bekehrungserlebnis 1737 begannen die Brüder, in ganz Großbritannien zu predigen.
Charles war ein begabter Prediger, aber sein besonderer Beitrag zur Entwicklung des Methodismus waren seine Gedichte, in denen er die methodistische Theologie, Bibeltexte und Gebete in eine leicht fassbare und einprägsame Form brachte. Sein Bruder John wurde von den Leuten geachtet, ja fast gefürchtet; Charles hingegen hat man geliebt. John war der Kopf und Organisator der methodistischen Bewegung, Charles aber brachte die Liebe und die Herzlichkeit in das Miteinander. Er hat über 6000 Gedichte geschrieben. Viele von ihnen wurden als Lieder bekannt. Einige gehören noch heute zu den bekanntesten „Klassikern“ der englischsprachigen Kirchenlieder aller Konfessionen. Auch die weitere Entwicklung des Kirchenliedes im englischen Kulturraum und den späteren USA wurde durch Wesleys Texte wesentlich beeinflusst.
Charles Wesley starb 1788 in London.

1 And am I born to die?
To lay this body down?
And must my trembling spirit fly
Into a world unknown,

2 A land of deepest shade,
Unpierced by human thought,
The dreary regions of the dead,
Where all things are forgot?

3 Soon as from earth I go,
What will become of me?
Eternal happiness or woe
Must then my portion be:

4 Waked by the trumpet’s sound,
I from my grave shall rise,
And see the Judge, with glory crowned,
And see the flaming skies!

5 How shall I leave my tomb?
With triumph or regret?
A fearful or a joyful doom,
A curse or blessing meet?

6 Will angel bands convey
Their brother to the bar?
Or devils drag my soul away,
To meet its sentence there?

7 Who can resolve the doubt
That tears my anxious breast?
Shall I be with the damned cast out,
Or numbered with the blest?

8 I must from God be driven,
Or with my Savior dwell;
Must come at his command to heaven,
Or else—depart to hell!

The Southern Harmony, 1835

The Lehigh University Choir „Voices of Mystery“, March 2012 http://lehighchoralarts.com/

Current 93 – Idumaea feat Pantaleimon

Current 93 feat. Marc Almond – Idumea

Der Panther (Rilke)

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Im Jardin des Plantes, Paris

Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe
so müd geworden, dass er nichts mehr hält.
Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe
und hinter tausend Stäben keine Welt.

Der weiche Gang geschmeidig starker Schritte,
der sich im allerkleinsten Kreise dreht,
ist wie ein Tanz von Kraft um eine Mitte,
in der betäubt ein großer Wille steht.

Nur manchmal schiebt der Vorhang der Pupille
sich lautlos auf -. Dann geht ein Bild hinein,
geht durch der Glieder angespannte Stille –
und hört im Herzen auf zu sein.

Rainer Maria Rilke, 6.11.1902, Paris

Von den drei Verwandlungen (Friedrich Nietzsche) Also sprach Zarathustra

Ich war gerade sechzehn Jahre alt, als ich dieses Buch zum Geburtstag geschenkt bekommen habe von meiner Cousine Susanne und ihrem späteren Mann Gerd. Das Buch hat mich mein ganzes Leben begleitet.

Sie hatten ein Widmung hinein geschrieben: „Die Kunst des Lebens besteht nicht darin, zu tun, was man liebt, sondern zu lieben, was man tut“ (Seneca)

 

Drei Verwandlungen nenne ich euch des Geistes: wie der Geist zum Kamele wird, und zum Löwen das Kamel, und zum Kinde zuletzt der Löwe.

Vieles Schwere gibt es dem Geiste, dem starken, tragsamen Geiste, dem Ehrfurcht innewohnt: nach dem Schweren und Schwersten verlangt seine Stärke.

Was ist schwer? so fragt der tragsame Geist, so kniet er nieder, dem Kamele gleich, und will gut beladen sein.

Was ist das Schwerste, ihr Helden? so fragt der tragsame Geist, daß ich es auf mich nehme und meiner Stärke froh werde.

Ist es nicht das: sich erniedrigen, um seinem Hochmut wehe zu tun? Seine Torheit leuchten lassen, um seiner Weisheit zu spotten?

Oder ist es das: von unserer Sache scheiden, wenn sie ihren Sieg feiert? Auf hohe Berge steigen, um den Versucher zu versuchen?

Oder ist es das: sich von Eicheln und Gras der Erkenntnis nähren und um der Wahrheit willen an der Seele Hunger leiden?

Oder ist es das: krank sein und die Tröster heim schicken und mit Tauben Freundschaft schließen, die niemals hören, was du willst?

Oder ist es das: in schmutziges Wasser steigen, wenn es das Wasser der Wahrheit ist, und kalte Frösche und heiße Kröten nicht von sich weisen?

Oder ist es das: die lieben, die und verachten, und dem Gespenste die Hand reichen, wenn es uns fürchten machen will?

Alles dies Schwerste nimmt der tragsame Geist auf sich: dem Kamele gleich, das beladen in die Wüste eilt, also eilt er in seine Wüste.

Aber in der einsamsten Wüste geschieht die zweite Verwandlung: zum Löwen wird hier der Geist, Freiheit will er sich erbeuten und Herr sein in seiner eignen Wüste.

Seinen letzten Herrn sucht er sich hier: feind will er ihm werden und seinem letzten Gotte, um Sieg will er mit dem großen Drachen ringen.

[294] Welches ist der große Drache, den der Geist nicht mehr Herr und Gott heißen mag? »Du-sollst« heißt der große Drache. Aber der Geist des Löwen sagt »ich will«.

»Du-sollst« liegt ihm am Wege, goldfunkelnd, ein Schuppentier, und auf jeder Schuppe glänzt golden »Du sollst!«

Tausendjährige Werte glänzen an diesen Schuppen, und also spricht der mächtigste aller Drachen: »Aller Wert der Dinge – der glänzt an mir.«

»Aller Wert ward schon geschaffen, und aller geschaffene Wert – das bin ich. Wahrlich, es soll kein ›Ich will‹ mehr geben!« Also spricht der Drache.

Meine Brüder, wozu bedarf es des Löwen im Geiste? Was genügt nicht das lastbare Tier, das entsagt und ehrfürchtig ist?

Neue Werte schaffen – das vermag auch der Löwe noch nicht: aber Freiheit sich schaffen zu neuem Schaffen – das vermag die Macht des Löwen.

Freiheit sich schaffen und ein heiliges Nein auch vor der Pflicht: dazu, meine Brüder, bedarf es des Löwen.

Recht sich nehmen zu neuen Werten – das ist das furchtbarste Nehmen für einen tragsamen und ehrfürchtigen Geist. Wahrlich, ein Rauben ist es ihm und eines raubenden Tieres Sache.

Als sein Heiligstes liebte er einst das »Du-sollst«: nun muß er Wahn und Willkür auch noch im Heiligsten finden, daß er sich Freiheit raube von seiner Liebe: des Löwen bedarf es zu diesem Raube.

Aber sagt, meine Brüder, was vermag noch das Kind, das auch der Löwe nicht vermochte? Was muß der raubende Löwe auch noch zum Kinde werden?

Unschuld ist das Kind und Vergessen, ein Neubeginnen, ein Spiel, ein aus sich rollendes Rad, eine erste Bewegung, ein heiliges Ja-sagen.

Ja, zum spiele des Schaffens, meine Brüder, bedarf es eines heiligen Ja-sagens: seinen Willen will nun der Geist, seine Welt gewinnt sich den Weltverlorene.

Drei Verwandlungen nannte ich euch des Geistes: wie der Geist zum Kamele ward, und zum Löwen das Kamel, und der Löwe zuletzt zum Kinde. –

Also sprach Zarathustra. Und damals weilte er in der Stadt, welche genannt wird: die bunte Kuh.

Die Pflicht (Erich Mühsam)

Jüngst war der Tod bei mir zu Gast…
Unsichtbar stand er und hat still
und prüfend meinen Puls gefaßt,
als fragt er, ob ich folgen will.
Da ward mein Körper schwebend leicht,
und in mir ward es licht und rein.
Ich spürte: Wenn das Leben weicht,
muß Seligkeit und Süße sein.
Willkommner Tod, du schreckst mich nicht;
in deiner Obhut ist es gut,
wo Geist und Leib von aller Pflicht
von Kerkerqual und Ängsten ruht …
Von aller Pflicht? Stirbt denn mit mir
der Krieg, das Unrecht und die Not?
Des Armen Sucht, des Reichen Gier-
sind sie mit meinem Ende tot?
Ich schwur den Kampf. Darf ich ihn fliehn?
Noch leb ich ­ wohlig oder hart.
Kein Tod soll mich der Pflicht entziehn ­
und meine Pflicht heißt: Gegenwart!

Mich selbst hinter und in mich werfen


In Gedenken an den von mir sehr geliebten Erich Mühsam.

Ein Mann, der mich begleitet in meinen Gefühlen und Gedanken.

Mich selbst hinter und in mich werfen
Ketten bilden
Seile spannen
Gesichter zeigen
Beieinander stehen
Sich in Bewegung setzen
Solidarität erfahren
Ohnmacht erleben
Weiter gehen
Weiter gehen
Andere Wege gehen
Andere Wege gehen
Nicht vergeben
Nicht vergessen
Mythen auflösen
Jeden Tag
Eine Zukunft
Hinter sich
Werfen
In die Fluten
Werfen
Stehen
In Wahrheit
In Kraft
Ohne Macht
Ohne Krieg
Einmal in Liebe
AUFSTEHEN
Nie wieder
Anhalten
Aufgeben
Verzweifeln
Und wenn doch:
Sich selbst vergeben
Wieder und Wieder
Nicht Vergessen
Nicht Aufgeben
Lieben, Einstehen, Bleiben

Mich selbst hinter und in mich werfen

 

„Ich möchte ein Mensch sein …“

Aus dem ‚Massenmörder züchten Blumen‘ #6 Zine

„Ich möchte ein Mensch sein, bei dem keine_r das Gefühl hat sich über irgendeinen Teil von sich selbst schämen zu müssen. Ich möchte in der Lage sein, die Tätigkeiten von anderen wahrzunehmen ohne mich durch sie bedroht zu fühlen oder defensiv zu werden (selbst wenn sie sich mir gegenüber defensiv verhalten), so dass ich andere im Zusammenhang ihres Lebens sehe und nicht meines eigenen. Ich möchte wissen wie ich es beschränken kann, mich grenzenlos auf andere zu verlassen, ohne dabei zu riskieren meinen Respekt vor ihnen zu verlieren. Ich möchte in der Lage sein, Gegnern, die eigentlich Verbündete sein sollten, in die Augen zu schauen und ihnen zu sagen: „Ob es euch gefällt oder nicht, das hier bin ich. Das ist was die Welt aus mir gemacht hat und wir müssen alle mit den Konsequenzen auskommen. Ich kann nicht anders fühlen, glauben oder handeln als ich es tue, es sei denn die vergangene Zeit meines Lebens, die dies aus mir geformt hat, ändert sich. Ich möchte nicht mit euch um die moralisch höhere Position oder sonst was konkurrieren. Es sei denn ihr seid darauf vorbereitet, alle umzubringen die nicht euren Standards entsprechen. Andernfalls werdet ihr mich, um diese Sackgasse der Feindseligkeit auf unbestimmte Zeit aushalten zu können, auf der Grundlage meiner eigenen Betrachtungen annehmen müssen, so wie ich auch hoffe, es mit euch zu tun. Ihr seid genauso wie ich dafür verantwortlich, etwas Positives zwischen uns entstehen zu lassen – oder für die Welt des Streits in der wir anderenfalls leben werden.“

Mein Gefängnis (Erich Mühsam)

ErichMuehsam


Auf dem Meere tanzt die Welle
nach der Freiheit Windmusik.
Raum zum Tanz hat meine Zelle
siebzehn Meter im Kubik.

Aus den blauen Himmeln zittert
Sehnsucht, die die Herzen stillt.
Meine Luke ist vergittert
und ihr dickes Glas gerillt.

Liebe tupft mit bleichen leisen
Fingern an ein Bett ihr Mal.
Meine Pforte ist aus Eisen,
meine Pritsche hart und schmal.

Tausend Rätsel, tausend Fragen
machen manchen Menschen dumm.
Ich hab eine nur zu tragen:
Warum sitz ich hier? Warum?

Hinterm Auge wohnt die Träne,
und sie weint zu ihrer Zeit.
Eingesperrt sind meine Pläne
namens der Gerechtigkeit.

Wie ein Flaggstock sind Entwürfe,
den ein Wind vom Dache warf.
Denn man meint oft, daß man dürfe,
was man schließlich doch nicht darf.