Archiv der Kategorie: Gedanken

Prosa, Philosophie, Ethik und „Gedanken“ in Textform.

Liebe, das ist: der Kuss, der in sich Ewigkeit birgt.

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Wir lachen, wir sind traurig. Wir entwickeln Mut, wir spüren Angst. Alle Gefühle und Emotionen sind zeitweilig, sie kommen und sie gehen. Manchmal wollen wir sie gerne, manchmal nicht, manchmal ist es uns egal, manchmal langweilen sie uns. Weil sie auftauchen und verschwinden und nicht für immer bleiben, können wir sie weder festhalten noch aufhalten. Sie sind unbeständig, wir alle wissen das aus unserer eigenen Erfahrung. Kein Gefühl bleibt für immer.

Wir können Kindheiten erleben, die uns vergiftet werden, Trauamata noch und nöcher erleben, schlecht behandelt werden oder uns insuffizient fühlen – das alles ist traurig und macht keinen Spass. KeineR von uns ist daran schuld, wir brauchen uns nicht zu schämen, dass Gewalt uns ihre Stempel aufgedrückt hat auf unsere Haut und in unsere Psyche. Wir brauchen uns oder andere auch nicht zu entschuldigen. Was geschehen ist, ist geschehen. Wir können es nicht rückgängig machen. Wir alle haben tiefe Verletzungen erlebt – die eine mehr, der andere weniger.

Eine Verunsicherung, eine tiefe Furcht davor, nicht zu genügen, nur „geliebt zu werden“ als Gegenleistung für irgend etwas Anderes hat unsere Fähigkeit, zu empfangen und zu nehmen ebenso vergiftet, wie unsere unbeschwerte Lust zu schenken und zu geben. Wir bedenken, was unser Handeln bedeuten könnte, wir wägen ab, ob und inwieweit wir unsere Sicherheit riskieren. Das Schöne – und das Fatale – ist: es gibt keine Sicherheit! Es hat sie nie gegeben. Genausowenig wie die Unsicherheit. Sie sind Folge dessen, was wir bedenken, wenn wir abwägen, hin- und herschwanken. Natürlich kennen wir die Gedanken, uns unsicher zu verstehen, ganz gut. Genau wie bei den Gefühlen, ist die Halbwertzeit von Gedanken verschwindend gering. Auch sie kommen und gehen.

Unser Körper ist geschlagen worden, als wir Kinder waren. Ich trage Narben meiner Jugend auf meinem Kopf, an meinen Beinen, meinen Füßen und meinen Armen. Diese Narben sind geblieben – der Schmerz ist vergangen! Meine Narben gemahnen mich immer wieder daran, dass ich Schmerzen gehabt habe. Dass mein Körper in Schmerz eingehüllt war – und manchmal immer noch schmerzt! Schmerz kann lange dauern oder wie ein Nadelstich einen einzigen Punkt am Körper betreffen. Er kann sich über ganze Unterarme hinziehen – aber er endet! Jeder Schmerz, den ich erlebt habe, endet. Vielleicht kommt eine Kopie von ihm wieder, aber es ist ein neues Phänomen. Unser Körper wandelt sich in jedem Moment. Er ist weder dauerhaft noch beständig – er ist ein grosser biochemischer Komplex mit feinsten Verästelungen ins Psychische und Geistige. Er ist untrennbar unser eigenes Werden. Sein und Vergehen.

Was ich gesehen habe, was ich gehört habe: Schreie in der Nacht, Schluchzen am Morgen, schreiende Menschen. Was ich gerochen habe und was ich gespürt habe: Schmerzende Glieder und Angstschweiss im Angesicht einer Übermacht von Gewalt. Ich habe den eisenhaltigen Geschmack von Blut in meinem Mund geschmeckt – mehr als einmal. Ich bin getaumelt unter Schlägen, die mich getroffen haben. Ich habe meine Besinnung verloren in Wäldern meiner Sehnsucht. Alle Wahrnehmungsinhalte – angereichert mit unseren Erfahrungen früherer Inhalte – sind nicht ewig: sie entstehen und vergehen.

Wir planen etwas, wir verfolgen Ziele und wollen sie erreichen. Und wir hören auch wieder damit auf, zu wollen. Manchmal ist es gut, manchmal ist es schlecht, manchmal egal und manchmal haben wir keine Ahnung, was da vorgeht. Wille entsteht – und vergeht. Einstellungen und Haltungen bauen sich langsam auf, verändern sich oder lösen sich auf. Was wir früher vertreten haben, lehnen wir jetzt vielleicht ab. Manchmal dauert es nur Sekunden, um unsere Meinung zu ändern. Wir klagen an oder  verteidigen, aber die Inhalte, um die es scheinbar geht, sind die Gleichen. Worauf wir uns einbilden, es „mache uns aus“ – unsere Persönlichkeit – ist ebensowenig festgefügt und felsgleich statisch. Wir hätten nie die Person werden können, die wir jetzt sind, wenn wir nicht anders gewesen wären. Wie wir uns nennen und uns bezeichnen, ändert sich. Unsere Identifikation mit irgendwelchen geistigen Konstrukten unterliegt einem Wechsel und Wandel. Was in unser Bewusstsein dringt, verschwindet auch wieder daraus. Ebenso mit Aufmerksamkeit und Achtsamkeit.

Unsere Gefühle und Emotionen, unsere Gedanken und unser Geist, unser Körper und unsere Seele, selbst unsere Wahrnehmungen, sie alle haben ein einziges Merkmal gemeinsam: Sie entstehen und vergehen, sie sind unbeständig. Was aber sind Phänomene, die unbeständig sind? Sie sind wirklich in einer Gegenwart und unwirklich in einer anderen Gegenwart. Unsere Haltungen und unser Wille unterliegen Wandlung und Wechsel – selbst unsere Persönlichkeit bleibt nicht, wie sie war – oder wie sie gerade ist.

Ich habe fünf Beispiele für Unbeständigkeit und Veränderung gegeben.

  • Körperlichkeitsgruppe (skt./p. rūpa)
  • Gefühlsgruppe (skt./p. vedanā)
  • Wahrnehmungsgruppe (skt. samjñā, p. saññā)
  • Geistesformationsgruppe (skt. samskāra, p. samkara auch: sankhāra)
  • Bewusstseinsgruppe (skt. vijñāna, p. viññāna)

Die Buddhisten nennen diese fünf Gruppen auch Skandhas, oder Daseinsgruppen. Sie sagen: „Alle fünf Skandhas sind von Anfang an leer.“ Damit ist gemeint, dass sie kein „Eigen-Sein“ besitzen. Sie existieren nicht aus sich selbst heraus. Sie entstehen unter Bedingungen und vergehen wieder. Ein Objekt, das „Eigen-Sein“ hätte, würde ohne jegliche Bedingungen und ohne jede Abhängigkeit zu anderen Objekten existieren. Diese Charakteristik kann in den fünf Skandhas nicht gefunden werden: Etwas, das kein „Eigen-Sein“ hat, hat kein eigentliches „Sein“, es ist „Werden“ und „Vergehen“.

Wir alle wissen aus unserer eigenen (leidvollen und schmerzhaften) Erfahrung, dass das so ist – und nicht anders! Und dennoch halten wir an unseren Gefühlen, Gedanken, unserem Körper, unseren Haltungen etc. fest und behandeln sie wie Objekte, die über „Eigen-Sein“ verfügen. Ja – wir „verleihen“ ihnen „Eigen-Sein“.  Weil wir Zorn, Furcht und Angst in uns tragen, sehnen wir uns nach Sicherheit und Orientierung. Das ist natürlich – aber die fortgesetzte Identifikation mit den Inhalten der fünf Skandhas schafft uns gerade keine Orientierung und keine Sicherheit. Jedenfalls keine dauerhafte (wenn es die denn geben würde – und wenn sie wünschenswert wäre!).

Liebe ist ein geistiges Konstrukt, eine Haltung dem Leben und dem Sterben gegenüber. Liebe versteht, dass alle Phänomene (nicht nur die fünf Skandhas) wesenhaft leer sind, also kein Eigen-Sein besitzen. Liebe wird deshalb alles zurückweisen, das unsere Anhaftung an die Inhalte der fünf Skandhas erleichtert. Liebe entsteht und vergeht – wir können sie nicht aufrechterhalten – weder mit Willen noch beim Sex! Wir können zurückkehren zur Liebe, eine neue Liebe sehen, schmecken, riechen, spüren, hören, begreifen. Und sie wird zerfallen zu Nichts! Wir können nicht ewig lieben. Aber wir können entscheiden, uns nicht mehr an der Liebe festzuhalten. Wir können das Konzept Liebe aufgeben – und dadurch immer wieder erneuern.

Siegreich werden wir, wenn wir der Liebe erlauben, grenzenlos und unbedingt zu werden. Dann entwickeln wir nach und nach Mitempfinden und Mitgefühl mit uns selbst. In dem Maße, in dem uns das mit uns selbst gelingt, schwillt unser Mitgefühl für die (tatsächlich ungetrennten) anderen Lebewesen an. Es entsteht ein Strom aus Liebe und Mitgefühl, der uns trägt – für eine Weile jedenfalls. Wir fallen zurück in die Schlachtfelder der Gewalt, des Hasses und des Zorns. Und kehren zurück in das Feld der Zugehörigkeit. Wir halten weder am Mitgefühl noch am Hass fest.

Die Befreiung menschlicher Existenz liegt in einer tiefen Akzeptanz lebendiger Unbeständigkeit, einer Liebe gegenüber sich selbst und dem existentiell Anderen. Denn wir alle sind Teil eines gewaltigen Stroms, der durch die Äonen fliesst. Daher können wir uns jetzt in diesem Moment entscheiden, zu lieben. Und Liebe, das ist: das Leben in allem Schmerz und aller Freude aus vollem Herzen zu umarmen und sich davon umarmen zu lassen. Liebe, das ist: der Kuss, der in sich Ewigkeit birgt.

 
MAKTUB – es gibt nichts mehr zu dieser Angelegenheit zu sagen oder zu schreiben.

Der Hase mit den himmelblauen Ohren (Marc Bollinger)

der_haseBücher? Märchen? Vorlesegeschichten? Ich finde, die kleine Geschichte ist herzallerliebst… Die „Reise“ durch verschiedene Identitätsentwürfe und Rollenverständnisse beschreibt sehr anschaulich, wie die offensichtliche und alle Zeit verfügbare „Begleitung“ (der Mond) Halt und Sicherheit geben kann.

 

Aber erst in dem Moment, in dem sich der Hase der Kraft des Mondes wirklich öffnet. Erst dann wird aus der treuen Begleiterin tiefer Nächte ein erhellendes Licht, das zur Selbstakzeptanz führt.

Die Kurzversion der Geschichte zum Vorlesen findet ihr hier.
Die PDF-Datei
könnt ihr auch bei mir herunterladen.

 

Gloomy Sunday (Düsterer Sonntag)

Warum sollte ein Mensch leben? Oder: Warum sollte ein Mensch nicht wählen, zu sterben? Ist es eine Freiheit, zu gehen? Oder Not, die uns bindet an Dämonen, die uns in eine „lange Nacht“ ziehen? Nicht umsonst wird der Schlaf – aber auch der Orgasmus – manchmal als kleiner Tod bezeichnet.

Gloomy Sunday ist der englische Titel des im Oktober 1932 von dem ungarischen Pianisten Rezső Seress komponierten Liedes Szomorú Vasárnap (Ungarisch für „Trauriger Sonntag“). Anlass war, dass seine Verlobte ihn verlassen hatte. Das Lied, das auch als „Lied der Selbstmörder“ bekannt war, wurde in der jüngeren Vergangenheit wiederentdeckt und besonders durch den Film Ein Lied von Liebe und Tod weithin bekannt. Viele Radiosender weigerten sich, das Lied zu spielen, da sie meinten, es würde direkt zum Suizid anregen. Der entscheidende Ausschnitt findet sich hier (Warnung: Dort bringt sich tatsächlich jemand um. Wer das nicht sehen möchte, bitte einfach nicht anklicken!)

Das ist aber nur die eine Hälfte einer möglichen Wahrheit. Der Film behandelt die komplexe und tiefgründige polyamore Liebe zwischen drei Männern und der weiblichen Protagonistin Ilona. Auf diesem Hintergrund bin ich überhaupt erst auf den Film – und auch das Lied gestossen. Das vollständige Drehbuch findet ihr hier bei mir.

Es gibt ziemlich viele verschiedene Umsetzungen des Lieds. Auf Youtube finden sich einige Versionen. Eine komplette Liste der unterschiedlichsten KünstlerInnen findet ihr hier. Die unglaubliche Diamanda Galas hat (natürlich) eine eigene Umsetzung gesungen… und diese möchte ich Euch gerne hier zeigen, auch weil Galas so eine Ausnahmekünstlerin ist, deren Entwicklung ich schon seit Jahren verfolge …

Emilie Autumn hat eine weitere Version in der Badewanne aufgenommen:

Je mehr ich mich mit der Rezeptionsgeschichte des Lieds beschäftige, desto klarer wird mir, dass nahezu alle Sängerinnen, die ich mag, eine Version davon gesungen haben, so spät erst finde ich dieses Lied … auch von Gitane Demon:

Um diesen Beitrag zu vervollständigen möchte ich die deutsche Übertragung hier noch zitieren.

„Trauriger Sonntag
Dein Abend ist nicht mehr weit
Mit schwarzen Schatten teil´ ich meine Einsamkeit
Schließ ich die Augen, dann seh ich sie hundertfach
Ich kann nicht schlafen und sie werden nie mehr wach
Ich seh Gestalten ziehn im Zigarettenrauch
Lasst mich nicht hier, sagt Engeln ich komme auch
Trauriger Sonntag
Einsame Sonntage hab ich zuviel verbracht
Heut mach ich mich auf den Weg in die lange Nacht
Bald brennen Kerzen und Rauch macht die Augen feucht
Weint doch nicht Freunde endlich fühl ich mich leicht
Der letzte Atmenzug bringt mich für immer heim
Im Reich der Schatten da werd ich geborgen sein
Trauriger Sonntag“

Und hier vorsichtshalber die komplette Liste verschiedener Versionen:

g l o o m y   s u n d a y – r e c o r d i n g s   ( s e l e c t i o n )

a r t i s t r e c o r d i n g t y p e y e a r ##
Hal Kemp & his Orchestra Gloomy Sunday 10″ 78rpm 1936* US
Vincent Lopez & his Orchestra Gloomy Sunday 10″ 78rpm 1936* US
Henry King & his Orchestra Gloomy Sunday 10″ 78rpm 1936* US
Paul Whiteman & his Orchestra Gloomy Sunday 10″ 78rpm 1936* US
Paul Robeson Gloomy Sunday 10″ 78rpm 1936* US
The Albert Sandler Trio with Hildegarde Gloomy Sunday 10″ 78rpm 1936* UK/US
Damia Sombre Dimanche 10″ 78rpm 1936 FR
Trío Piana-Garza-Kohan / Mercedes Simone Triste Domingo 10″ 78rpm 1937 AR
Artie Shaw & his Orchestra Don’t Fall Asleep 10″ 78rpm 1940 US
Billie Holiday Gloomy Sunday 10″ 78rpm 1941 US
Don Byas Gloomy Sunday 10″ 78rpm 1946 US
Billy Eckstine & his Orchestra Gloomy Sunday 10″ 78rpm 1946 US
Charlie Barnet & his Orchestra Gloomy Sunday 10″ 78rpm 1949 US
Shelly Manne & Bill Russo Deep People LP 1951 US
Jerry Wald Orchestra Listen to The Music of Jerry Wald-2 LP 1955 US
Page Cavanaugh Carries the Torch LP 1956 US
Leroy Holmes & his Orchestra Music for Crazy Mixed-Up People LP 1957 US
Josh White Josh White Sings Ballads and Blues LP 1957 US
Woody Herman & his Orchestra Live at Peacock Lane Hollywood live LP 1958 US
The Creed Taylor Orchestra Shock Music in Hi-Fi LP 1958 US
Mel Tormé Tormé LP 1958 US
Mickey Baker Wildest Guitar LP 1959 US
Miss Toni Fisher The Big Hurt LP 1959 US
Bev Kelly Love Locked Out LP 1959 US
Claudia Thompson Goodbye to Love LP 1959 US
Lorez Alexandria Sing No Sad Songs For Me LP 1961 US
The Bob Brookmeyer Orchestra Gloomy Sunday and Other Bright Moments LP 1961 US
Johnny Griffin with Strings & Brass White Gardenia LP 1961 US
Sarah Vaughan The Divine One LP 1961 US
Dorothy Ashby Dorothy Ashby LP 1962 US
Ketty Lester Love Letters LP 1962 US
Peter Nero Hail The Conquering Hero LP 1963 US
Roy Hamilton Sentimental, Lonely and Blue LP 1964 US
Jimmy Smith Monster LP 1965 US
Stan Kenton The World We Know LP 1967 US
Herbie Mann The Herbie Mann String Album LP 1967 US
Anna Black Meet Anna Black LP 1968 US
Genesis In The Beginning LP 1968 US
Carmen McRae The Sound Of Silence LP 1968 US
Rita Moss Superb LP 1968 US
Ray Charles I’m All Yours-Baby! LP 1969 US
Joanne Vent Black and White of it is Blues LP 1969 US
Barbara Dickson Do Right Woman LP 1970 UK
Big Maybelle The Last of Big Maybelle LP 1973 US
Jimmy Witherspoon Spoonful LP 1975 US
Etta Jones My Mother’s Eyes LP 1977 US
Lydia Lunch Queen of Siam LP 1980 US
Elvis Costello & the Attractions Trust LP 1981 UK
The Associates Sulk LP 1982 UK
Marc and The Mambas Torment And Toreros LP 1983 UK
Swansway Soul Train single 1983 UK
Hades Born To Metalize comp. LP 1984 US
Peter Wolf Lights Out LP 1985 US
Christian Death Atrocities LP 1986 US
Marianne Faithfull A Perfect Stranger comp. LP 1987 UK
Serge Gainsbourg You’re Under Arrest LP 1987 FR
Abbey Lincoln Abbey Sings Billie Volume 1 LP 1987 US
Cats Laughing Cats Laughing cassette 1988 US
Carol Kidd The Night We Called It A Day LP 1990 US
Diamanda Galás The Singer LP 1992 US
Sinéad O’Connor Am I Not Your Girl LP 1992 IR
Charles Brown Just a Lucky So and So LP 1994 US
Satan’s Cheerleaders Infinity LP 1994 US
Gitane Demone With Love And Dementia live LP 1995 US
Louis Tillett & Charlie Owen Midnight Rain LP 1995 AU
Sarah McLachlan Rarities, B-Sides & Other Stuff comp. LP 1996 CA
Lil Darling Hot Club All That Swing LP 1997 IT
Danny Michel Clear LP 1998 CA
Satan’s Sadists Sympathetic Majesties Request comp. LP 1998 US
Björk Stormy Weather comp. LP 1999 IS
Heather Nova Gloomy Sunday single 1999 BM
The Smithereens God Save The Smithereens LP 1999 US
Sarah Brightman La Luna LP 2000 UK
Kronos Quartet Kronos Caravan LP 2000 US
Ricky Nelson Legacy comp. LP 2000** US
Hans Koller Lovers and Strangers LP 2001 DE
Iva Bittová j.h. LP 2002 CZ
Singing Loins The Complete and Utter LP 2004 UK
Venetian Snares Rossz Csillag Alatt Született*** LP 2005 CA
Eminemmylou Muthabanjo LP 2005 UK
Emilie Autumn Opheliac [deluxe edition] LP 2009 US

Die Erwachende Frau: Portrait einer Möglichkeit für die Menschheit (Jessica Bahr)

Von Jessica Bahr

„Die Erwachende Frau ist sich ihrer selbst bewusst gewahr und strebt danach mit allen Facetten ihres Seins vertraut zu sein. Sie ist ihre eigene Person als auch in Beziehung. Sie nährt und ehrt ihre Beziehung mit sich selbst als auch mit anderen. Sie ist aktiv am Erwachen und unterstützt das Erwachen derer um sie herum. Ihre Hingabe zu sich selbst erlaubt ihre Hingabe zu Anderen um authentisch und nährend zu sein. Sie ist aufrichtig, authentisch, verletzlich und stark. Sie ist beschützend und akzeptiert Schutz von Anderen, wenn dies angemessen ist. Sie etabliert gesunde Grenzen – während sie ein offenen Herz bewahrt.

Die Erwachende Frau ist vertraut mit ihrem Schmerzkörper und ihrer weiblichen Wunde. Sie verleugnet ihren Schmerz nicht, sondern wendet sich ihm zur Heilung zu. Sie weiß das dysfunktionale Ansichten und Unterdrückung von Frauen/der Weiblichkeit nicht etwas ist, was sie verursacht hat, erkennt jedoch die Weisen an in denen sie teilgenommen hat oder in der ungerechten Behandlung von Frauen und den Rollen die dies unterstützen ‚willfährig‘ war, und wählt nicht länger daran teilzunehmen.

Die Erwachende Frau macht sich nicht zum Objekt. Sie steht gegen die zum Objekt Machen von Mädchen und Frauen. Sie unterstützt oder stimmt den Dingen nicht zu, die das degradieren oder entblößen was weiblich oder feminin ist, als auch was männlich oder maskulin ist.

Die Erwachende Frau kämpft für Gleichheit bei jedem Schritt und fordert Menschen dazu auf für Frauenthemen einzustehen und Geschlechtergleichheit – in dem Wissen dass dies fundamental für alle anderen Formen der Gleichheit ist. Sie wird keine Ablenkung zulassen oder die Schuld für ihr eigenes Opfersein auf sich nehmen, wird sich jedoch nicht damit über-identifizieren oder sie über-dramatisieren, da wo sie sie in die Unbeweglichkeit setzte oder ihr eigenes Wachstum hemmt.

Die Erwachende Frau nutzt nicht Sex oder ihre Weiblichkeit um zu manipulieren oder zu bekommen was sie will. Sie hört auf sich in Liebe Machen ohne das Herz zu engagieren und wählt stattdessen Liebe zu machen die verbunden ist, organisch, völlig auf Gegenseitigkeit und vom gesunden Ego aus. Sie wird nicht zulassen dass Sexualität als ein Ersatz für wahre Intimität genutzt wird oder als eine Ablenkung von ungeheilten Wunden. Sie hat keine Angst davor prüde oder Schlampe dafür genant zu werden weil sie zu Sex ihre eigene bewusste Entscheidung trifft. Sie lässt zu, dass Patriarchat, Religion, Politik, die Medien oder das ungesunde männliche Ego nicht Sex, Schönheit oder Beziehung für sie definieren. Ihre Beziehung zu Sex ist ihre eigene und kommt aus dem Inneren nicht aus dem was ihr ihr ganzes Leben lang von ihre Kultur diktiert wurde, oder was eine gesunde Sexualität nicht wertschätzt. Sie beschwichtigt sich selbst nicht dafür oder verkauft sich um männliche Zustimmung zu kommen, noch geht sie in Wettkampf oder verkauft ihre Schwestern für männliche Aufmerksamkeit.

Die Erwachende Frau spricht ihre Wahrheit aus. Sie macht den Mund auf, wenn sich etwas für sie nicht gut anfühlt. Sie wertschätzt ihre Intuition mehr als den Intellekt Anderer. Sie sucht danach durch die göttliche Essenz ihres Wesens befähigt zu sein, gekoppelt mit der Kultivierung eines gesunden Egos und nicht aus externen Quellen oder durch Bewunderung. Sie nutzt direkte Kommunikation und weiß was wie sie nach dem fragt was sie braucht. Sie lässt die guten Qualitäten in einem Anderen nicht das überdecken, was in einer Beziehung nicht funktioniert. Sie weiß, wann weg zu gehen ist und gibt die Kontrolle darüber auf, andere verändern zu wollen, die ihr nicht da begegnen wo sie ist. Die Erwachende Frau bewegt sich weiter.

Die Erwachende Frau unterscheidet zwischen dem gesunden Maskulinen und dem ungesunden Maskulinen. Sie hat Mitgefühl und Empathie für die maskuline Wunde und Reverenz für das gesunde Maskuline. Sie sucht die Einheit und Gleichheit mit dem Maskulinen und anerkennt und drückt Dankbarkeit für die Zeiten aus, in denen sie den männlichen Krieger oder maskuline Kräfte In ihrem Leben hinzurufen musste. Sie sieht die maskulinen und femininen Energien als komplementär und notwendig für die Ko-Schöpferische Kraft die ihr selbst die Balance bringen wird, zu ihren Beziehungen und dem Planet.

Die Erwachende Frau ist Elter für sich selbst und schützt das kleine Mädchen im Inneren. Sie toleriert keinen emotionalen oder physischen Missbrauch. Sie weiß offen Liebe zu geben und zu empfangen, ohne sich selbst in einem Anderen zu verlieren. Sie bewegt sich weg von dem Modell des ‘Allerleute-Lieblings’. Sie verwendet NEIN als einen ganzen Satz und spürt kein Bedürfnis sich übermäßig zu rechtfertigen oder andere zu beschwichtigen um des ‚lieben Friedens willen‘.

Die Erwachende Frau kennt ihren Wert, selbst sie anderen nichts gibt oder etwas für sie tut. Sie lässt äußere Einflüsse ihre innere Stimme und Wissen nicht überschatten oder dominieren. Sie dimmt sich nicht selbst herunter um gemocht oder akzeptiert zu werden. Sie ist Willens und bereit in unlauterer Gesellschaft in ihrer Wahrheit allein zu sein und akzeptiert, dass das Allein sein ein Teil ihrer Reise des Erwachens sein mag.

Die Erwachende Frau anerkennt und lernt aus ihren vergangenen Fehlern, Mustern und ungesunden Verhaltensweisen. Anstatt zuzulassen, dass Schuld und Scham sie daran hindern sich von ihrem höchsten Selbst her wieder auf Stand zu bringen, macht sie die bewusste und konzertierte Anstrengung diese Dinge nicht erneut zu wiederholen, welche ihr und anderen Missklänge verursachten. Sie arbeitet daran jene Teile ihres Ego abzuwerfen die ihr oder anderen nicht länger dienen, während sie die Teile entwickelt, welche dienen.

Die Erwachende Frau liebt und ehrt ihren Körper und ist endlos dankbar für ihn und wie er sie versorgt. Sie lacht über die Linien in ihrem Gesicht wissend, wie sie anfangs dahin gekommen sind. Sie umarmt ihren Humor und lacht aus ihrem Bauch. Sie weint, schreit und geht auch aus ihrem Leib in Rage. Sie lässt ihren Bauch sich natürlich ausdehnen. Sie setzt Selbstfürsorge vor Selbst-Image und blickt tief auf ihre Konditionierung rund um ihr externes Bild.

Die Erwachende Frau ist emotional gebildet. Sie kann ihre Gefühle identifizieren und verarbeiten und übernimmt die Verantwortung für ihre Emotionen. Sie entschuldigt sich nicht für ihre Gefühle und drückt sie gesund in Richtung auf sich selbst als auch gegenüber anderen aus. Sie nimmt Abstand davon ihre Wut oder andere Emotionen zu verdrängen. Sie lebt ihre Worte und bekennt und korrigiert es, wenn sie schwankt. Sie weiß darum, wie jeglichem Fehltritt eine gesunde Richtigstellung zu geben ist. Sie identifiziert sie aktiv und integriert die abgelehnten Teile ihrer Selbst und projiziert ihr Glücklich Sein, Unbehagen oder Unzufriedenheit, positive oder negative Qualitäten nicht auf Andere.

Die Erwachende Frau trägt nicht die Emotionen Anderer für sie aus, hält jedoch einen liebevollen, mitfühlenden Raum soweit möglich für sie. Sie bittet andere verantwortungsvoll mit und für ihre Emotionen zu sein, also auch keine Ko-Abhängigkeit zu erzeugen. Die Erwachende Frau wird sich nicht für einen Liebespartner entscheiden oder mit ihm zufrieden geben der ihr nicht gleich(wertig) und sich selbst am erwecken ist.

Die Erwachende Frau arbeitet daran von einem Ort der Fülle zu kommen statt aus der Verknappung. Sie ist mit ihren Ängsten vertraut, wissend wann sie sich durch sie leiten lässt und wann sich ihnen zu stellen, sie zu konfrontieren und durch sie hindurch zu bewegen ist; sie nutzt sie und andere Emotionen als heilige Schlüssel um die Tiefen ihrer Seele zu entriegeln. Sie geht bis an ihren Rand ehrt jedoch ihre Grenzen ohne Verurteilen oder Scham. Sie macht es zu einer Priorität ein Refugium in einer Welt zu finden die sich für sie unsicher anfühlen mag.

Die Erwachende Frau ist mit ihrer Natur verbunden und kennt ihr eigenes Wunder. Sie weiß wie etwas zu TUN ist und wie zu SEIN. Sie erliegt nicht dem Materialismus und unbewusstem Konsumdenken. Er erschafft mehr als sie konsumiert; und sie tut dies verantwortungsvoll – aufmerksam wählend was nährend und unschädlich ist.

Die Erwachende Frau hat in sich Integrität und gegenüber anderen. Sie ist verantwortlich, selbst verwirklichend und über allem arbeitet sie daran eine liebevolle Beziehung mit sich selbst zu kultivieren anstatt sich darauf zu verlassen, dass andere ihren Wert zu definieren. Sie findet Wege um die Rufe ihrer Lebensaufgabe zu beantworten und fährt fort sich in sie auszudehnen.

Die Erwachende Frau ist genug, ihr reicht es.

Die Erwachende Frau ist ein Rollenmodell für die Menschheit: da verkörperte Potential des Göttlichen wie es durch menschliche Form ausgedrückt wird. Sie ist hier, genau jetzt; und obwohl sie oft nicht bemerkt wird, hilft sie dabei uns nach Hause zu geleiten.“

© Jessica Bahr.

Aschezeit (Eliade und Bly)

asche„Die Initiation besagt, dass im Inneren des Jungen ein kindliches Wesen sterben muss, bevor er zum Mann werden kann. Die Zeit der Asche ist eine Zeit, die dafür vorgesehen ist, dass dieser ich-gebundene Junge stirbt. Der Junge im Alter zwischen acht und zwölf Jahren, den man von seiner Mutter entfernt hat, begibt sich in die Hände der alten Führer, die sein Gesicht und manchmal seinen ganzen Körper mit Asche bedecken, damit er die Farbe der Toten hat und so an den inneren Tod erinnert wird, der im bevorsteht. Vielleicht wird er für Stunden oder sogar Tage an einen dunklen Ort gebracht, wo er den Geistern der toten Vorfahren vorgestellt wird. Dann kriecht er durch einen Tunnel – oder eine Vagina – aus Gestrüpp und Zweigen. Am anderen Ende warten die alten Männer auf ihn, doch erst jetzt hat er einen neuen Namen.“ Mircea Eliade

mein herz
brennt
in höllen
ich lasse
es zu
asche werden

R. Keyser vertritt die These, dass jungen Männern zur Zeit der Wikinger manchmal zwei oder drei Aschenjahre zugestanden wurden. Auch erwähnt Keyser „einen Schlackebeißer aus dem elften Jahrhundert mit Namen Strkard, der mehrere Jahre in der Asche verbrachte, bis sein Pflegevater ihn aufforderte, an einer Kriegsfahrt teilzunehmen. Sofort stand er auf, rasierte sich, zog sich an und wurde einer der besten Krieger auf dieser Fahrt; später wurde er ein berühmter Dichter, an den auch in altnordischen Sagas erinnert wird.“Für Bly ist die Absolvierung einer Aschezeit für einen jungen Mann essentiell für sein späteres Fortkommen als verantwortungsbewusster Mann, welcher Zugang zu seiner inneren Männlichkeit und seinen emotionalen Fähigkeiten hat. Die Zeit der Asche ist wie oben beschrieben die Begegnung mit dem symbolischen Tod und der Schwächung. In ritueller Lethargie verharren die jungen Männer, bis sie der Asche überdrüssig werden, sich gegen die Asche auflehnen und sprichwörtlich aus der Asche auferstehen:
„Falls der Mann diese Schwächung nicht in aller Schärfe erlebt, wird er seine Überheblichkeit beibehalten und sich weiter mit allem in ihm identifizieren, das fliegen kann: seinen Sexualtrieb, seinem Verstand, seiner Verweigerung, eine Bindung einzugehen, seiner Abhängigkeit, seiner Kälte.“

aus: http://othes.univie.ac.at/6990/1/2009-10-19_0000409.pdf
Robert Bly, Eisenhans
Mircea Eliade,Mythen Traeume und Mysterien

Walden (Thoreau)

henry-david-thoreau-closeEin weiteres Buch, das mir lieb und teuer geworden ist über die Jahre. Vor einiger Zeit konnte ich zu günstigem Preis eine gebundene Ausgabe des Diogenes-Verlags erstehen. „Walden – oder das Leben in den Wäldern“: das ist ein Buch für viele Gelegenheiten auf einsamen Plätzen beim Schein eines Kerzenstummels, inmiten des Lärms der Wirtschaft, in der Hosentasche verstaut oder irgendwo auf irgendeinem Weg, in irgendeinem Moment, in dem ich wirklich lesen will wie Nahrung aufzunehmen.

 

 

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„Wenn du eine Tatsache von Auge zu Auge in Augenschein nimmst, so siehst du die Sonne an ihren beiden Oberflächen wie auf einem Schwerte schimmern, fühlst, wie seine süsse Schärfe dir durch Herz und Mark dringt, und wirst auf diese Weise deine irdische Laufbahn zu Ende führen. Sei es Leben oder Tod, wir schmachten nur nach Wahrheit. Wenn wir wirklich sterben, so laßt uns das Röcheln in unserer Kehle hören, die Kälte in unseren Gliedern spüren ; wenn wir aber leben, so laßt uns an unserem Werke arbeiten.“ Thoreau, Walden (Wo und wofür ich lebe).

Herausforderung – Wir werden Menschen durch diesen dynamischen Tanz aus Unvollkommenheit und Bemeisterung.

Es gibt Dinge, die wir gut kennen und können. Und es gibt welche, die uns fremd sind (und manchmal bleiben). Wenn wir wachsen wollen, dann brauchen wir Berührung mit dem Fremden (in uns und anderen). Das ist die Nahrung, die uns zu mitfühlenden Menschen machen kann. Solange wir nur dabei bleiben, was wir kennen und können, ist das keine Forderung an uns selbst, unsere eigene Macht zu erleben. Wenn wir keine Forderungen mehr an uns stellen, sind wir vielleicht erleuchtet. Vielleicht sind wir aber auch einfach nur faul, träge oder zu müde, um weiter zu gehen.

Die Herausforderungen, denen wir uns stellen, machen uns zu denen, die wir wirklich sind. Wenn wir die Herausforderung annehmen, bekommen wir Zugang zu einem warmen, zarten Inneren, das getragen ist von Sehnen nach Einheit. Einer Einheit, die weit hinaus geht aus unserem Alltagsbewusstsein. Die Bewältigung des Fremden ist ein schöpferischer Weg, Zugehörigkeit gegen eine Plastikwelt zurückzuerobern, die (wir) uns verwehren. Wir haben (gute) Gründe dafür, stille zu bleiben, die Backen zuzukneifen. Unsere ganz schrecklichen Erfahrungen, zu scheitern, uns lächerlich zu machen haben tief in unsere Seelen geschnitten.

Der Schmerz, ein Leben zu erleben, dass nicht unseres eigenes ist, wird uns vertraut gemacht. Wir werden dazu erzogen, uns zu begnügen. Uns damit zu begnügen, wer wir sind aus unserern Familien, auf dem Hintergrund unserer Ahnen, ausgehend von unserem Körper, der nicht unser Eigen wird. Der Schmerz, der zu bleiben, der / die wir sind, wird oft erlebt, wenn wir versuchen, uns zu bewegen. Wenn wir ausserhalb der Zonen gehen, die wir kennen und können.

Deswegen sind Veränderungsprozesse oft mit Schmerz verbunden. Zwei Schmerzen kenne ich: den Schmerz des Stillstands und des Todes und den Schmerz der Geburt und des Wachstums. Lasst uns weise wählen, welchen Weg wir gerne gehen. Lasst uns lernen, uns selbst zu gebären. Lasst uns JA sagen zu einem Schmerz, der uns herausarbeitet zu denen, die wir wirklcih sein können. Lasst uns den Schmerz hinter uns lassen, der uns bindet an alles, was nicht unser Eigen sein kann, weil wir es aufgezwungen bekommen haben oder es uns selbst aufgezwungen haben.

Wir können Freiheit und Leben erkämpfen. Wir sind nicht so machtlos, wie uns diejenigen glauben machen wollen, die keine Höhe, keinen menschlichen Adel und keine Herzensregung gelten lassen wollen. Wir sind eine Gemeinschaft aus Millionen von menschlichen Lebewesen. Es liegt an uns, unseren spezifischen persönlichen und einzigartigen Beitrag zu leisten.

Dieser Herausforderungs-Weg endet nie. Weder mit unserem körperlichen Tod noch sonstwann. Es ist eine Herausforderung, Licht und Liebe in unseren Körpern, in unserem Geist, in unseren Interaktionen mit dem Fremden in uns und Anderen immer wieder neu zu erschaffen. Der Herausforderungsweg kennt Kontemplation und Sammlung, Rückzug und Angriff. Das Herz der immerwährenden Quest ist die Erlangung des eigenen Selbst in Licht, Liebe, Freiheit und Leben.

Das Scheitern ist die Garantie dafür, auf dem richtigen Weg zu sein. Scheitern ist momentan und vergänglich. Die Niederlage ist nicht die Schmach, die Schmach bereiten wir uns, wenn wir zurückweichen vor unseren Schatten, unserer Wut, unseren Zwängen und unserer Sehnsucht nach dem Tod. Ohne das Zurückweichen gibt es kein Aufbäumen, keine Konzentration von Kraft. Jeder Fehler, den wir machen, ist ein Hinweis darauf, dass wir noch nicht vollständig eingetaucht sind und verstanden haben, wie das zu tun ist, was vor uns liegt. Fehler sind insofern notwendige Einpunktigkeiten, die uns noch weiter herausfordern.

Weil ich die Klinge bin und du der Kelch

Wicca6„Do what you will, I bring you the edge
I am the one to sever your head
I cut so deep, I can cut straight
All depends on the moves you make“

 

 

 

weil ich die Klinge bin
und du der kelch bist
schaffen wir ein gemeinsames feld
hier treffen wir viermal aufeinander

da bin ich ganz allein
da bist du ganz allein
da sind wir mit unserem körper und verstand
da entsteht, was uns hält

klinge, kelch, stäbe, scheiben und wakantanka
hier stehe ich und gehe keinen schritt zurück
hier bewege ich (mich) und eile in uns
hier tanzen wir im feld aus liebe und vertrauen
hier empfängst du
hier empfange ich
hier geben wir uns
was uns zu mehr macht

wir verlieren unsere namen und unsere hülle
wir gewinnen eigenmächtige bezogenheit und fülle

weil wir beide klinge und kelch sind!

 

Generative Trance (Gilligan) und acht Pfade aus Schönheit

8 Pfade aus Schönheit

Eine mich bewegende Aufnahme von Gilligan. Leider nur auf Englisch und ziemlich leise. Wer es dennoch verstehen kann, versteht ganz wesentliche Hintergründe meines eigenen Erlebens, Empfindens und (Be)Denkens.

Ich haette nicht gedacht, auf einen Menschen zu sehen, der so nah an meinen eigenen Prozessen ist. Ich erkenne Lebenslinien, ein Feld – gebildet aus den Menschen, die mir begegnen.

Ich spüre ganz deutlich, auf einem für mich passenden, ehrlichen und richtigen Weg zu sein. Ich erlebe jeden Tag Menschen (und mich selbst), die mir Berührung geben, die in mir das Feuer nähren, das mich ausmacht.

Ein Feuer jenseits meines hedonistischen Egos, ein „Feuer von Innen“ (Castaneda). 

Meine (Um)wege ergeben langsam Sinn für mich. Ich bin mir auf der Spur. Und mit freier Aufmerksamkeit spüre ich mich von Tag zu Tag besser. 

Der Schmerz meines Alltags ist noch tief und schwer. Aber die Freude in ein Feld der Verbundenheit und Zugehörigkeit einzutreten lässt mich (zaghaft noch) hoffen, in mein Leben einzutreten.

In mein Leben, das Shantideva in seinem „Eintritt in das Leben eines Bodhisattvas“ beschreibt.

 Alle acht Richtungen wirken in mir. Und aus der Tiefe meines Körpers ist eine uralte Kraft freigesetzt worden. 

Ich weiss, das klingt alles irgendwie pathetisch. Aber es ist nicht manisch, nicht niedergeschlagen, nicht aufgeregt, nicht stillschweigend. Es bin ich…

Die Sechs bestimmt und beschreibt mich. Daraus und hinein die acht Pfade. Meine alten achteckigen Skizzen, mein ägyptischer Ring, meine Erkenntnisse aus der Kabbalah, meines Havamal-Studiums: alles ist ins Leben getreten.

Ich habe mich Begegnungen geöffnet, die mich aufgeweckt haben, weil ich zulassen konnte, „schwach“, „unwissend“, „unperfekt“ zu sein: und dadurch erst konnte mein Denken Frieden finden.

Und meinem Herz die Führung überlassen, dem COR(e), der stärker wird – Tag für Tag.

 Es ist eine Zeit gekommen, Hand anzulegen. Ich packe mich.

schreiben

2011-07-02 14.24.02
schreiben: wort für wort, zeile für zeile, seite um seite. ich meissle ein leben in sprache, mache den augenblick hörbar, ich bin tief genug in dunkelheit und hoch genug im licht. wendungen, bewegungen in mir – zu dir gewandt, dir in die augen schauend, dich anrufend, dich beschwörend. ohne dich wird kein wort lebendig. keine ewigkeit entfaltet ihre unsterblichkeit, nichts von dauer wird eingefangen. schmetterlinge in fäusten, die flügge geworden sind. grenzen verwischt im mairegen: weiss nicht, wo du anfängst oder wo ich ende?

ich bin fertig und frei und fuhr. wie lang soll meine reise gehen? eine suche, ein finden, ein kampf – sanfter gewordener angriff, weicher gewordene verteidigung eines ichs, das in agonie liegt. es stirbt vorsichtig und wütend und gibt den weg frei für freie fluten, die mich berühren. ich stürme nach vorne – todlosigkeit auf meinen neuen fahnen. fahnen, denen ich nicht folgen kann, denn ich bin es, der sie trägt.

ich schreibe dir liebesbriefe. ich schreibe dir zu liebe – dir: meinem eigenen selbst. ich schreibe dir deine zukunft und deine vergangenheit, damit der augenblick bleiben möge. trotz zweifel und wut und scham gehe ich weiter und tiefer – durch schatten und grelles licht. todlos und lebendig – oh ewigkeit – lass mich ein.

und du andere, du anderer und fremd, wie du bleiben darfst, dir schreibe ich gleichzeitig, diesem du, dass erst da ist, wenn meine worte aus der augenblicklosigkeit wieder augenblicke schaffen: interaktion zwischen deinen augen und meinen texten, du kannst hören, wie ich zu dir gesprochen habe – bevor ich dich kannte und ohne dich je kennen zu lernen. das ist das feld, in dem wir unsterblich bleiben.
Natalie Merchant – My Skin