Archiv der Kategorie: Gedanken

Prosa, Philosophie, Ethik und „Gedanken“ in Textform.

Vater

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Ich danke dir dafür, dass du dir treu bist.
Weil deine Treue mir ein gutes Vorbild ist.
Ich wollte werden, wie du.
Und wurde doch ich selbst.
Ich wollte immer anders sein als Du.
Und trage Dich in mir!

Ich danke dir dafür, dass du deine tiefen Verletzungen selbst behandelst.
Weil darin eine der Wurzeln echter Männlichkeit liegt.
Ich konnte lernen, um Hilfe zu bitten
bevor du es für mich erledigst.

Ich danke dir dafür, dass du mit mir gespielt hast.
Weil du dann ganz für uns da warst.
Heute weiss ich, wie wichtig das für dich ist:
Ganz da zu sein und dich zu konzentrieren.

Ich danke dir dafür, dass du nicht perfekt bist.
Weil das tief zeigt, was wirklich wichtig ist.
Ich habe mich so oft verzettelt.
Jetzt erst lerne ich, meine Unvollkommenheit zu schätzen.

Ich danke dir, dass du für dich selbst sorgst.
Weil es überfällig ist, dich zu bitten.
Wer sonst könnte mir geben,
was ich nötig brauche, wenn nicht ich selbst?

Ich danke dir für deine Schultern,
die mich durch manche Schlucht getragen haben.
Ich kann mich auf dich blind verlassen,
denn du stehst zu deinem Wort.

Ich danke dir für deine radikale Haltung dem Leben gegenüber,
Weil darin eine schöne und liebende Stärke liegt.
Ich fürchtete mich davor und weil ich es nicht besser wusste,
wollte ich sie in mir nicht wachsen lassen.

Ich danke dir dafür, dass du trotz alledem nicht ein Egoist bist.
Weil deine Selbstliebe die Voraussetzung für Alles ist.
Ich konnte den Unterschied lange nicht erkennen.
Und wie so oft, habe ich dich in mir bekämpft.

Heute bin ich selbst ein Mann.
Einer, der neben dir steht.
Ich respektiere dich so,
wie und wer du bist.

Ich kann dich nur lieben,
weil ich selbst stark bin.
Ich habe gelernt, dass meine eigene
Verletzlichkeit keine Schwäche ist …

Das war der härteste Weg,
den ich allein gehen musste.
Auf diesem Weg habe ich bittere Tränen geweint,
weil mir dein Rat schmerzlich gefehlt hat.
Ich konnte mir deine Hilfe nicht holen,
weil ich mich geschämt habe,
dir unter die Augen zu treten.

Ich danke dir dafür, dass du immer in meinem Leben präsent bist.
Weil mir das sehr hilft, mich an mich selbst zu erinnern.
Nicht klein und hilflos vor einem mächtigen König.
Sondern stolz und eigenmächtig als Prinz und Magier.

Ich weiss um mich tief und dunkel.
Dort – in der Tiefe – bin ich dir begegnet.
In meiner Verzweiflung dachte ich oft:
Welche Lehre hat mir mein Vater geschenkt?

Ich danke, weil du mir ein Geschenk bist.
Ein sorgendes, liebendes, stilles, wütendes Geschenk.
Aber du weisst, dass man nichts geschenkt bekommt in dieser Welt:
Ausser der Liebe meines Vaters, die mich nie verlassen hat.

Ich weiss tief in mir, dass du immer bei mir bist.
In meinen schlimmsten Selbstzweifeln spüre ich dich hinter mir.
Du schützt mich und lässt niemals zu, dass mir ein Haar gekrümmt wird.
Und weil ich heute nicht nur glaube, sondern WEISS, wie du mich liebst,
habe ich überlebt und stehe vor Dir – stärker und schwächer als je zuvor.

Du weisst vielleicht noch nicht alle meine Geheimnisse.
Aber eines davon enthülle ich dir gerne:
In ehrlichem Respekt vor deiner Geschichte
nehme ich dich, so wie du bist und achte dich.

Ich achte deine Wege und deine Beweggründe.
Auch wenn ich nicht alle von dir verstehe.
Ich habe gelernt, dass das nicht nötig ist.
Es genügt, zu lieben.
Nicht aus Schwäche und Furcht oder Angst oder als Zuflucht.
Sondern, weil ich es kann und will und ich mich danach sehne.

Und weil das alles so ist und nicht anders,
kann und will und darf ich nicht wie du sein.
Ich muss und will mich selbst errichten, als der der ich bin.
Und während ich mich zu meiner vollen Grösse aufrichte,
mache ich mich zu dem, der ich bin.
Und dabei merke ich: ich bin schon der, der ich bin.

Ich dachte immer, ich müsse mich ändern.
Um dazu zu gehören.
Um nicht anders bleiben zu müssen.
Um den Schmerz der Isolation nicht aushalten zu müssen.

Meine Mühen – die nicht deine waren –
haben sich gelohnt. Sie beginnen, sich auszuzahlen.
Ich bin so wie ich bin – unvollkommen, tiefgründig, intelligent und manchmal ungeschickt.
So bin ich und das ist gut so.

Was ich von dir gelernt habe:

Vertrau dir selbst.
Geh deinen eigenen Weg.
Sorge für dich – kümmere Dich um dich selbst.
Meistere deine inneren Dämonen, bevor du urteilst.
Schere dich nicht um die Meinung der Masse.
Höre nicht auf, dich Herausforderungen zu stellen.
Prüfe dich selbst und folge dem selbst erkannten Richtigen.

Du weisst, dass die wesentlichen Angelegenheiten nicht vieler Worte bedürfen.
Das Schweigen zwischen uns ist nicht mehr schmerzlich.
Ich verstehe unser Schweigen als Zustimmung.
Und ich erkenne an, dass darin eine ungeheure liebevolle Zumutung liegt:
Den Anderen zu lieben, ohne ihn verbiegen zu wollen.
Mitfreude über unsere beider Lebensleistungen.
Kritik und Rat, wenn einer von uns ihn braucht.
Kurz, manchmal schmerzhaft aber immer:
getragen von tiefer Liebe.

Und in diesem SINN
gehören wir alle ZUSAMMEN.
Nicht, weil wir müssen, sondern weil wir wollen.

Liebe ist das Gesetz – Liebe unter Willen.
Jeder Mann und jede Frau ist ein Stern.

Es liegt in uns – jederzeit!

love„Genug gedankt, genug geherzt, genug tiefe Gespräche erlebt.“ Wenn ich manchmal so denke und mich erfüllt fühle von den Gaben, die mir Menschen schenken, befinde ich mich schon wieder auf dem Weg in die Isolation, lehne die Fülle ab, mache mich ein bisschen kleiner, als ich bin.

In den Übergängen zwischen den Anteilen in mir, zwischen mir und dir, zwischen uns und dem Rest erstrecken sich sehnsuchtsvolle Schluchten, sanfte Bergtäler oder kleine Lücken im Kontinuum. Wie beim Hoch- oder Runterschalten kommt es zu einer kleinen Verzögerung und das Auto läuft weiter in die Richtung, in die es gelenkt wird. Ein kurzer Moment des Übergangs, des scheinbaren Stillstands, der Stille oder des Nichts. Getragen von gerade eben und noch nicht gleich.

Oft werde ich nicht verstanden, meine Betonung der Liebe klingt schon fast sentimental, ich weine oft und lächle öfter. Je mehr und intensiver ich mich mit meiner Gesondertheit, meiner Einzigartigkeit – und damit der Differenz zu allen anderen beschäftige, desto schwungvoller kann ich in die Interaktion und damit in Beziehung zu den existentiell Anderen gehen.

Aus der Bezogenheit (in der ich noch immer gerichtet bin auf den Anderen und ihn / sie in ihrem Anders-Sein voll respektiere) gelangen wir gemeinsam in das Feld der Zugehörigkeit (in dem unsere Gemeinsamkeiten, unsere Ununterschiedenheit in einer uns als Einzelwesen transzendieren Ordnung erfassen können).

Drei unterschiedliche Bewusstseinslagen und Gefühlszustände gibt es:
1) Ich mit mir selbst – Isolation und Eigenzentrierung
2) Du und Ich – gemeinsam handeln und sein lassen
3) Wir im Feld ununterschiedenen Seins – Zugehörigkeit und selbsttranszendierende Verbindung erfahren / erleben

Jede dieser Lagen hat ihre je eigene Wahrhaftigkeit und Seinsberechtigung. Sich mit einer Lage zu identifizieren und sie fundamental als Wahrheit anzusehen schafft ebenso viel Leid, wie indifferent und locker nicht zu begreifen, wie tief unser Sein wirken kann. Deswegen kann ich immer besser verstehen, von welchen „Wahrheiten“ meine Mitmenschen und ich berichten, ihre Geschichten erzählen. Von einem zu „Fest“, von einem zu „Locker“: und bei mir genau so – ich bin nicht anders – mir geht´s wie dir! Vielleicht nicht jetzt aber früher oder später. Einheit ist eine ebenso dynamische Kraft wie Einzelheitlichkeit oder Beziehung. Es sind Zeiten, durch die wir hindurchgehen. Zeiten, denen wir einen aufrichtigen Dank, ein beherztes Lachen oder berührende Gespräche entnehmen oder geben können.

Es liegt in uns – jederzeit!

Ein sehr persönlicher Nachtrag zu den letzten drei Jahren (von 2011 bis 2013) und ein paar Jahren davor:

Peter meinte gestern, als wir drei (Heiko, Peter und ich) über unsere Fahrrad-Chopper sprachen: „Jedes einzelne Rad ist einzigartig und anders – und das ist sowas von schön!“ Silke hatte mich gefragt, wie Getrenntsein und Gemeinsam-Sein zusammenpassen und ich habe verstanden, was Loyalität bedeutet. Rebecca hat mich darüber aufgeklärt, dass Liebe immer auch HANDELN bedeutet. Janine erinnert mich immer wieder daran, wie wertvoll herzhaftes Lachen ist. In völliger Isolation und Schwäche von Johanna gehalten zu werden, das hat mich „heile“ gemacht. Menschen in ihrer Verworfenheit und prinzipiellen Unverstehbarkeit für letzte Gründe können Wut erzeugen – Verena hat mich gelehrt zu verstehen, dass wir alle zu Recht wütend sein dürfen. Und ohne Yvonnes exaktes und tiefes Auseinandernehmen jeglicher Ansichten wurde mir die Weite und Tragfähigkeit von Freundschaft erst geläufig. Odette hat mir erlaubt, ein Mann bleiben zu dürfen. Beherzt und kraftvoll stand und steht Jagoda wie ein Fels in der Brandung und mahnt mich immer mal wieder daran, ich selbst zu sein (oder zu bleiben). Brittas Engagement in Lautern und Frederiks Worte über das Anderssein bringen mich immer wieder auf die Spur, dass uns Hass voneinander für immer entfernt. Menze und Gerald sind mir in den vielen Monaten des Allein-Seins in so vielen Momenten warmherzig und mitfühlend begegnet und erinnern mich an eine Männlichkeit, für die es sich zu leben lohnt. Und wenn ich an Evas Tätowierung und mein Home-Made-Branding denke, muss ich sehr tief lächeln, weil ich authentisch in den „erwachenden Morgen“ (Leslie Feinberg) aufgewacht bin. Die Überraschung und innige Verbindung im Gemeinsamen mit Sandra hat mir so viele Impulse gegeben, nicht bekloppt oder dumm zu sein, sondern OK so wie ich bin – und eben gar nicht allein. Wenn ich Luzie (mein Patenkind) in ihren unschuldigen Fragen erlebe, komme ich zu einer Einfachheit, die Verstehen ermöglicht. Und wäre an meiner Seite – unverbrüchlich, durch nichts zu zerstören – Tini nicht aufgetaucht, aus so mancher Nacht wäre ich nicht mehr erwacht.

Ich habe gelernt. Ich habe geübt. Ich war betrübt und himmelhoch jauchzend. Ich war ein wahrer Satan und Lichtbringer. Ich war unten und oben auf der Leiter zum Mond. Ich bin durch Gewalt, Selbstabwertung, Hass, Wut, Verzweiflung, Liebe, Zugehörigkeit, Bindung, Nestbau und Warmherzigkeit gegangen. Ich war Mann und Frau und irgendwas dazwischen. Ich war und bin Viele. Und viele von denen, die ich hier exemplarisch genannt habe, sind Teil eines Feldes, in dem auch ich leben kann und darf.

Ich bin für Menschen da, ich bin für mich da, was ich tu, denke, fühle, empfinde und intuiere ist Teil eines grossen Ganzen. Mit mir kann mann und frau rechnen, mit mir kann man lachen und weinen. Ich bin ein Mensch der Erde, der Luft, des Wassers und des Feuers. Ich bin daheim angekommen: in meinem (schmerzenden) Körper, in meinem Geist, in meinem Denken, in meinem Mitgefühl und in meiner Liebe zu mir – und zu den Lebewesen und der Natur. Ich bin eins!

Kapitel 5: Ein Tanzfeld

tanzfeldIm vorigen Kapitel ging es um authentisches Handeln und Eigentlichkeit.  Diese Authentizität führt hin in Zugehörigkeit und Beziehung. Ich als Mensch befinde mich in einem Feld. Das Feld ensteht und besteht durch Beziehung(en) zwischen Anteilen meines Selbst und mit anderen Lebewesen. Ich kann diesem Feld vertrauen oder es sein lassen. Je weiter ich mich aus diesem Interaktionsfeld bewege, desto weniger gelingt mir eine lebendige, dynamische Integration verschiedener Selbstanteile (kognitives Selbst – somatisches Selbst) in meinem Beziehungsselbst.

Eine zweifache Bewegung ermöglicht Wandel, Wachstum und Veränderung hin zu meiner eigenen „weichen und zarten“ Mitte:

A) Ergriffen werden von Etwas, das größer als ich ist. Berührende, herausfordernde und mich wertschätzende Liebe könnte ein Ausdruck davon sein. Im Erleben der Liebe gebe ich den Widerstand auf und öffne mich den Impulsen, die im Feld geschehen. Daher wird der Modus (also das Wie der Interaktion) alternativlos ohne Vorbedingungen von mir angenommen.

B) Ich identifiziere mich nicht mit den (neuen) Erfahrungen, die ich erlebe. Ich gehe meinen eigenen Weg und bewahre (oder erschaffe) eine ausgeglichene Position. Dieser dynamische Standpunkt ist fest und nachgiebig zugleich. Er zeichnet sich durch eine Selbstliebe aus, die meinen Körper (somatisches Selbst) und meinen Verstand / Geist (kognitives Selbst) gleichermassen würdigt und berücksichtigt. Daher wird der Inhalt der Interaktion auf Kongruenz mit meinen „Selbsten“ fortlaufend erlebend überprüft und ich nehme an, was zu mir passt und transformiere, was angepasst werden kann.

Diese beiden Bewegungen erschaffen in mir selbst ein Feld der eigenen Wertschätzung, eine Beziehung mit mir selbst. Die Interaktion dieser Anteile in mir (also auch ihre Beziehung zu- und miteinander) und die Interaktion zwischen mir und anderen Lebewesen (also auch die Beziehung zwischen Menschen und mir) folgen einem Puls. Dieser Puls kennzeichnet die Art und Weise meines Selbstwachstums. Ein bezogenes Wachstum allerdings.

So können meine Bedürfnisse nach eigenem, freien Selbstsein und nach Bindung und Zugehörigkeit in einen Tanz eintreten. Diese Überlegungen sind inspiriert durch die Lektüre von Stephen G. Gilligans Buch „Liebe dich selbst wie deinen Nächsten„.

In Kapitel 6 werden die bisher angesprochenen Aspekte aufgegriffen und es wird  um die Bedingungen der Freiheit gehen, nachdem wir uns ausgiebig mit den praktischen Implikationen einer möglichen positiven Handlungsfreiheit beschäftigt haben.

 

 

 

 

Kapitel 4: Authentisches Handeln

Der Begriff der Wahl wurde im letzten Kapitel bereits plastisch dargestellt. Im folgenden Text versuche ich, Begriffe der Eigentlichkeit –> Authentizität, Uneigentlichkeit –> Regression  (Luckner) in Beziehung zu setzen. Mir ist daran gelegen, verstehbar zu machen, WIE Interaktion in einem selbstgewählten Rahmen in meiner „Welt“ funktionieren kann. Daher bin ich auch nicht auf der Suche nach – mehr oder weniger – kurzlebigen, auf die Sensation hin angelegten Begegnungen. Authentische Menschen, reflektiert und tief, die ihre existenzielle WAHL getroffen haben und mit mir das WIE experimentierend erkunden, fehlertolerante Menschen wünsche ich mir bei mir.

„Authentisches Handeln ist Handeln, das in Übereinstimmung mit den präferierten Handlungsentwürfen des Selbst steht.“ (Julius Kuhl in seiner Replik auf Andreas Luckner, „Freies Selbstsein und Authentizität“, 2007, S. 125) Siehe: Quelle.

Die beiden Menschen (Psychologe der eine und Philosoph der andere) kommen zu sehr ähnlichen Ergebnissen. Ein Punkt scheint ihnen diskussionswürdig, nämlich die „existenzielle Wahl“. Gibt es Alternativen bei der Wahl, WIE ich sein will? Luckner meint aus erstpersönlicher Perspektive, dass diese Wahl alternativlos sei. Kuhl greift diese Perspektive der ersten Person auf und unterteilt sie funktionsanalytisch in ICH und SELBST. Während das ICH sich weitgehend hartkodiert an alternativen Wahlen abarbeitet (unter Stress etc.), erlaubt das SELBST eine Verrechnung und mindestens die BERÜCKSICHTIGUNG vieler (auch fein verästelter und nicht nur auf die eigene Person bezogener) Informationen (oder: Alternativen). Dann aber trifft das SELBST eine alternativlose WAHL. Dabei sind ICH und SELBST im Kuhlschen Sinn ja beide aus der ersten Perspektive gesehen.

Wir beschneiden uns selbst und schaffen mannigfaltige Misverständnisse, wenn wir nicht berücksichtigen, dass mit den beiden Begriffen sich ergänzende unterschiedlichen Situations-Reiz-Konstellationen (1) , Anreizobjekten (2), Zielen (3) und Sinn (4) gerecht werdende Funktionen der „ersten Person“ gemeint sind. Die ganze Diskussion um die Willensfreiheit wird damit ebenfalls neu beobachtbar.

Es gibt nach Kuhl und Hüther mindestens 4 verschiedene Wege „ins Handeln“:
Nachzulesen unter: http://www.llv.li/pdf-llv-asd-kuhl_060307.pdf
1) Man (S-R)
Gewohnheiten / Stereotypen (unabhängig von der Lust auf das Verhalten)
2) Es (Anreizobjekte)
irgendwelche Objekte bieten einen lustvollen Anreiz, sich verhaltend auf sie hin zu bewegen
1 + 2 –> fremdgesteuert nicht selbstbestimmt
Gegenstand des Behaviourismus / direkt messbar
3) Ich (Wollen) Ziel
Auch bei Unlust aktivierbare Willensbahnung möglich. Ich-bestimmt bewusst/ messbar, ob willentliche Handlung begangen wurde oder nicht (Kuhl & Kazen, 1999)
4) Selbst (Sollen) – Sinn
nicht-analytisch sondern v.a. unbewusste parallele Verarbeitung / konnektionistische Netzwerkmodelle können Vorgänge beschreiben

Und die Moral von der Geschicht´?

Wir können aufgrund dieser Hinweise in einen Überdenkensprozess einsteigen, wen wir eigentlich meinen, wenn wir „ich“ sagen. Was bringt uns dazu zu handeln / uns zu verhalten, WIE wir es tun? Es ermöglicht zu erklären, wieso wir uns zwar bspw. körperlich im Zeitablauf ändern können, aber sowohl von uns selbst als auch von anderen als kontinuierliches Phänomen verstanden werden.
Denn diese beiden Perspektiven Änderung vs. Kontinuität ermöglichen erst ein profundes und nicht profanes Verstehen eigener Vielschichtigkeit.

Das „Nicht-anders-Können“ bspw. Luthers vor dem Reichstag in Worms (1521) zeigt sehr schön auf, dass bei sprachempfindlicher „Übersetzung“ Luther hätte sagen können: „Mein Selbst erlaubt alternativlos bei Berücksichtigung aller (auch unbewusster) Gründe, Themen und der Moral etc. keine andere Entscheidung“. Dass er ICH benutzt (erste-Person-Perspektive) ist unter den hier angesprochenen Gründen fehlkategorisiert. Denn es ist ja gerade NICHT so, dass Luther entgegen der Regeln der Kirche etc. BEWUSST in Opposition gehen WOLLTE. Stattdessen hat er eine GEWISSENSENTSCHEIDUNG getroffen, nein sie hat sich ihm „alternativlos“ bemächtigt. Aber diese Bemächtigung war keine fremdbestimmte Angelegenheit, sondern funktionsanalytisch (im Sinne Kuhls) eine SELBST-Angelegenheit.

Anders wäre historisch seine Einlassung vermutlich auch gar nicht haltbar geblieben ohne sich noch härterer Strafe zu unterstellen. Damit berücksichtigt bereits 1521 der Reichstag diese ganz anders motivierte Handlung / Entscheidung. Um etwas anderes geht es jeweils beim „Abschwören“ und den „peinlichen Verhören“ der Hexenverfolgung. Die Machthaber wollen nicht auf der bewussten Ich-Wollens-Schicht oder ins Selbst eingreifen, sondern neue automatisierte Gewohnheiten gewaltsam etablieren, auch wenn auf oberflächlicher Schicht auch hier „das Gewissen erforscht“ werden soll.

Die systematische Vernichtung und Zerstörung menschlichen Lebens bedient sich heutzutage sehr feiner Mechanismen der Beeinflussung unserer unbewussten Schichten bspw. durch „Priming“ (Bargh lesen….). Damit sollen neue automatisierte Arten der Verhaltenssteuerung etabliert werden (1+2). Dies kann um so besser bemerkt werden, je klarer wir „spüren“ (im Sinne einer Aktivierung des SELBST) wo „primes“ in und auf uns wirken wollen. Wirksam ist möglicherweise eine selbstbestimmte „Impfung“ durch eigene Primes etc.

Wieso kann das für jeden Einzelnen wichtig werden?
Weil es so bedenkenswert wird, wer wir wirklich sind. Was uns ausmacht als einzelne Person. Worin unsere Stärken / Schwächen liegen in der Interaktion mit uns selbst und anderen. Wir können uns selbst besser verstehen lernen.

Wieso das Ganze so „verkopft“ / rein kognitiv von mir angegangen wird?
Weil ich den – mehr oder weniger esoterischen – Begründungen ebensowenig traue wie der „Wissenschaft“. Im Unterschied lassen sich wissenschaftliche Begründungen – zumindest in der Theorie – bezüglich ihrer Aussagen prinzipiell überprüfen. Wer kann schon etwas mit einem „wahren Wesen“, „Buddhanatur“, „höherem Selbst“ oder wie auch immer die Bezeichungen lauten mögen, WIRKLICH etwas anfangen? Mir waren fremde Kategorien- und Symbolsyteme schon immer suspekt.

Der Weg der Wahrheit – individuell, autonom und frei?
Wenn es nach mir geht – ja! Sämtliche Ideen, den Menschen nur als „zoon politikon“ also gemeinschaftliches Wesen zu begreifen verletzen meines Erachtens elementar die individuellen Freiheitsrechte. Jede Fremdbestimmung ausserhalb der selbstkongruenten (und sei sie ALTERNATIVLOS!) Selbstbestimmung ist für mich eine unhaltbare Zumutung und Gewalt. Freiheit bewegt sich immer aus der Perspektive derjenigen, die sie ersehnen oder sie leben. Für mich gibt es keinen überindivduellen Rahmen für Freiheit.

Alles (neo) liberales Geschwätz / Gerede?
Ich bin gar nicht liberal. Eher schon libertär. Der Liberalismus hebt auf die „rationale Entscheidung“ bzw. auf die „demokratisch gesicherte Wahlfreiheit“ unter „Toleranz“ ab. Das bedeutet mir kaum etwas! Ich habe letzthin gemeint: „Toleranz ist: wenn ich dir nicht gleich die Fresse poliere!“ Und diese Definition von Toleranz ist halt liberal. Und auf so ne Toleranz pfeife ich. Für mich besteht Leben nicht aus „beliebigen Wahlhandlungen“. Dezionalismus allein reicht bei weitem nicht aus, um der Vielfältigkeit und Vielschichtigkeit individuellen Erlebens gerecht zu werden. Ich kann auf moralischer Ebene allerdings keine Vorschläge mehr abgeben. Um ganz ehrlich zu sein, es ist mir herzlich gleichgültig, WAS Menschen tun, um sich selbst zu organisieren. Hauptsache für mich ist: Sie haben die CHANCE, sich frei einbringen zu können. Und das ist weit mehr, als nur zu WÄHLEN!

Aber wenn es Dir so „herzlich egal“ ist, WAS Menschen tun, um sich zu organisieren, könntest Du auch schweigen. Und damit viel sparsamer mit deinen (eigenen, individuellen) Gründen und Begründungen umgehen?!
Klar! Das KÖNNTE ich (ich habe eine Wahl). Und gleichzeitig scheint es mir bedeutsam zu sein, dass Menschen wenigstens die CHANCE haben, sich ihre eigenen Gedanken, Gefühle etc. zu machen, zu erleben. Dabei spielt es gar nicht die grosse Rolle, OB „die Menschen“ (in ihrer Allgemeinheit) daran interessiert sind, oder nicht. Denn diese Allgemeinheit interessiert mich nicht. Mich interessiert immer der Einzelne, die Einzelne. Und für mich ist im Einzelnen / der Einzelnen die Keimzelle für organisches Wachstum. Ohne selbstkongruent denkende,intuierende, spürende und fühlende Einzelwesen ist der gesellschaftliche „Überbau“ nur Makulatur, ein Feigenblatt vor existenzieller Nacktheit. Diese Nacktheit ist erstmal auszuhalten, finde ich! Und nach Verarbeitung und Berücksichtigung der Informationen, die ich gebe, entscheiden und handeln Menschen möglicherweise tiefer /bewusster /unbewusster als vorher. Diese Aneignung fremder Inhalte durch Berührung schafft erst den Einzelnen. Insofern geht es mir NICHT um Inhalte (also das WAS!), sondern vor allem um das WIE gemeinschaftlicher Organisation.

Du bist toleranzlos und rücksichtslos in deiner Haltung!
Ich habe keine Toleranz und keinen Millimeter Platz in meinem Leben für den überbordenden Fundamentalismus (sei er religiös oder moralisch begründet). Und ich nehme keine Rücksicht auf die Empfindungen fundamental operierender oder argumentierender „Menschenhaufen“ – auch nicht in Gestalt eines – im Heideggerschen Sinn – „uneigentlichen“ Einzelnen. Schutzwürdig ist mir der Einzelne / die Einzelne in seiner „alternativlosen“ authentischen Haltung, der mir begegnet. Und ich entscheide darüber, ob er/sie das für mich ist oder nicht. Und genau dieses Recht billige ich dem existentiell Anderen ebenso zu wie mir selbst . Nicht mehr – und nicht weniger!

Damit stellst du doch selbst wieder eine Maxime auf, bist also auf moralischer Ebene gelandet – wo Du doch gar nicht hin wolltest, oder?
Das ist für Viele schwer nachvollziehbar oder auseinander zu halten. Ich spreche nicht im Rahmen einer überindividuell gültigen Moralebene, also einer – wie auch immer gearteten „Norm“ (Richtschnur). ABER: Ich handle entlang meiner eigenen Maximen. Allerdings verzichte ich dankend auf den Kantschen „kategorialen Imperativ“. Ich bin nicht als weisser, europäischer Mann angetreten, um der WELT zu sagen, wo´s langgeht. Oder um nun doch noch einen religiös motivierten Schriftsteller zu Wort kommen zu lassen, der das Ganze freilich aus ganz anderer Perspektive als ich gerade beschreibt.

„Je geheimnisvoller im Grunde, desto offenbarer bieten sie [die Dinge] sich dar. Je schweigsamer mit Rücksicht auf letzte Fragen, um so weniger verschweigen sie sich selbst. Dies macht, dass der Schauende sie ihren eigenen Weg gehen lässt, ohne sich mit eigenen Anliegen einzumischen. Weit davon entfernt also, sie als bloße Erscheinungen [Phänomene] des an sich selbst in diesem Stadium noch unzugänglichen und unfassbaren Urgrundes [ALAYA ?!] zu nehmen, lässt er unbefangen jedes Ding als es selbst gelten. Dies gelingt in erstaunlichem Grade durch die Eigenart dieser selbstlosen [sic!] Schau: weit über die Grenzen der belebten Natur hinaus steht der Schauende in innigstem Kontakt [ich nenne das: Berührung] mit den Dingen und ihren Schicksalen – auch mit denjenigen, die ganz im stofflichen Dasein aufzugehen scheinen, und vermag diesen Kontakt gelegentlich sogar bis zum Rang völligen Einsseins [Über dem Selbst!] zu steigern (ob zu führen oder geführt werden, stehe dahin).“
Eugen Herrigel, Der ZEN-Weg, 1958, Auflage 1992, S. 33).

Hier gibt es nichts Fremdes mehr und nichts Eigenes. Jedenfalls nicht in der Schau und für den Schauenden. Ein BETRACHTER mag das alles bewerten, bewusst reflektieren etc. Die Schau ist beziehungslos und enthebt den Schauenden gar von der bisher in diesem Text verwendeten und bemühten Selbstebene / Selbstfunktion. Für mich liegt darin die Sprengkraft und das Unerhörte.

Dass wir – in dem Masse wie jedeR Einzelnen es vermag – wir SELBST werden, bereiten wir den Boden für Selbst-LOSIGKEIT in uns Einzelnen. Daher sind meine KÄMPFERISCHEN Worte – wenn es mir denn je um Moral ginge – ein Mittel zum Zweck einer mitfühlenden Haltung. Wie der Lotus aus dem Schlamm wächst, geht kein Weg um unser Selbst herum dorthin. Dorthin wo Mitgefühl kein Reflex, nicht attraktiv erscheint, ist, keine Willensentscheidung, keine Pflicht und kein Sollen mehr ist, sondern selbstlos wirkt. Mitgefühl aus rücksichtsloser, vorbehaltloser, individueller autonomer Freiheit. Mitgefühl – wie ich es meine – ist mitleidlos!

Hier wird schon angedeutet, welche Verbindung zwischen Freiheit und einer – sagen wir „mitleidlosen Liebe“ bestehen kann, doch bevor ich mich der Liebe widme, wird der Zusammenhang von Freiheit und Zugehörigkeit zu klären sein. Zwischen Unabhängigkeit des / der Einzelnen und Zugehörigkeit erstreckt sich ein Beziehungsfeld. Dies beginnt im SELBST und führt zum „DU“ – wie auch Buber beschreibt. Von diesem Thema wird im nächsten Kapitel die Rede sein. Gilligan hat in seinem Selbstbeziehungskonzept schlüssige Hinweise hierzu gegeben.

Mut und Kraft

Ich habe Mut und Kraft. Und mein Mut wächst mit meiner Fähigkeit, verletzbar zu bleiben. Und meine Kraft wächst mit meiner Fähigkeit, mich von dem zu trennen, was mich beschränkt. Nicole hat mich gelehrt, dass ich ein Bild verwenden kann.

Wir stehen auf einer Seite eines Flusses und suchen dort nach einer Lösung für Schwierigkeiten. Wenn es das falsche Ufer ist, ist unsere Suche (selbst wenn sie gut durchgeführt wird) fruchtlos. Manchmal ist es notwendig, auf die andere Seite – zum anderen Ufer aufzubrechen und dort zu finden, was man sucht. Manchmal springen wir in die Fluten des Flusses und lassen uns tragen. Ich erweitere das Bild und meine: Wir sind die Ufer, wir sind der Fluss und wir sind gleichzeitg der Suchende, der Findende und der, der das alles trennt. Wir können durch die Trennung hindurchgehen und finden in der Trennung eine mächtige Entscheidung für die richtige Seite, den Fluss oder das Verweilen. Vier Möglichkeiten – viermal Freiheit und Eigenmächtigkeit durch die Trennung hindurch.

Ein schönes Video der Red Hot Chili Peppers hierzu…

Im Jahr 2013 werde ich im französischen Jura eine Woche mit Männern verbringen, die den gleichen Titel trägt: MUT UND KRAFT 2013

BLEIB ALIEN – Passt aufeinander auf!

20130320-094441.jpgHey Alien – bleib wie Du bist! „Du darfst“ sagt schon der Deckel deiner Diätmagarine. Erst wenn Du der Welt und Deinem Inneren so richtig fremd gegenüberstehst, hast Du ne Chance, irgend etwas von persönlicher Bedeutung in deinem Leben an zu gehen, oder nennen wir es doch beim Namen: es zu verändern.

Solange wir etwas verändern möchten in unserem Leben, gibt es Elemente, die uns unpassend erscheinen. Die nicht zu dem Bild, das wir von uns haben oder von den – mehr oder weniger bewussten – Ansprüchen an uns selbst passen.

Wir wollen schneller laufen, höher hinauf auf der Karriereleiter klettern, uns verbunden fühlen mit anderen, uns besser verstehen, den perfekten Song aufnehmen. Diese Absichten haben alle etwas gemeinsam: So wie es gerade jetzt – in diesem Moment ist – ist nicht genug!

Irgendwie muss es anders werden, in unserer Phantasie ist der anzustrebende  Zustand „besser“ als der, den wir vorfinden. Die Beschäftigung mit den Gefühlen und Gedanken, die uns dabei quälen, erzeugt negativen Affekt. Deshalb ist es so unangenehm, sich mit etwas in uns auseinander zu setzen, das für uns nicht stimmig ist.

Ärgerlicherweise stellt sich diese Stimmung – selbst wenn die Absicht in die Tat umgesetzt wurde – kurz danach erneut ein. Wir stellen wieder irgendeinen Mangel an oder in uns fest, den wir reparieren oder beheben wollen. Und gehenerneut ans Werk. Wir quälen uns, tun etwas zielführendes – und erreichen unsere Ziele.

Es ist erkennbar, dass das ein kontinuierlicher Prozess der Anpassungsleistung an eigene Normen und Werte ist. Wenn es denn nur die eigenen Werte wären, wäre das ja sogar noch hinnehmbar und wohlwollend der Individuation, der Selbstwerdung zuzuordnen.

Leider stammen unsere eigenen Ansprüche oft genug aber von aussen, irgendwoher – von irgendwem. Manchmal wissen wir gar nicht bewusst, woher das alles kommt. Und dennoch verfolgen wir diese Ziele mit Selbstdisziplin oder -kasteiung auf Teufel komm raus. Eine Kleidergröße weniger, eine perfekte Präsentation, eine tolle Kindergeburtstagsfeier, wundervolle Tischdekorationen. Beispiele gibt es genug dafür!

Und dann gibt es auch die nagenden, selbstzersetzenden Problemfelder, in denen wir gerne so und so wären, weil das unserem Idealbild entsprechen würde. Wir wären gerne jemand anderes. Oder wir wären gerne so wie „früher“. Bevor wir uns eingeigelt haben in unseren Zweierbeziehungen, Eigentumswohnungen oder lustigen DauerstudentInnen-WGs. Wir hätten gern wieder mehr Elan, wären gern wieder ein bisschen mutiger. Auch hier findet jedeR sicher genügende eigene Beispiele.

Und es ist kein bisschen tröstlich, dass es fast jedem Menschen immer wieder so in ihrem / seinem Leben geht. Es ist sogar höchst bedrohlich: die Vorstellung zu einem Heer von Menschen zu gehören, die mit sich selbst nicht im Frieden sind. Zu allem Überfluss will mensch das erst Recht nicht: ein Schaf inder Herde sein (brrr – das ist dann fast das grausligste!).

Aber es geht noch härter! Da schnippeln Rasierklingen die Arme entlang, da schluchzen Mädchen in ihre Kissen, da saufen Jungs sich einen an und fallen lallend auf die Schneidezähne. Und ich kenne aus meiner Biographie noch einige schön krasse Beispiele von fehlender Selbstliebe, die ich hier aus Gründen der Selbstachtung nicht ausbreite. Aber ich kenne sie – und ja ich hasse es, so zu sein.

Abhängig zu sein, mich nach Zugehörigkeit sehnen, anders zu denken und zu fühlen, mich wie ein Alien auf Heimaturlaub zu fühlen. Alle diese Situationen gehen letztlich zurück auf einen empfundenen Mangel. Es handelt sich also – psychologisch gesprochen – um Bedürfnisse. Nach Freiem Selbstsein, Bindung, Leistung, Kontrolle: um mal nur die häufigsten vier Bedürfnisklassen zu nennen.

Und der Clou, den ich nicht zuletzt bei Brenée Brown gefunden habe, ist verblüffend einfach, aber treffend: Die Grundannahme, nicht genug zu sein, sich selbst nicht wertschätzen zu können, wegen Grund a, b, c etc. ist ein automatisches Bewertungssystem, das wir normalerweise bewusst gar nicht in den Blick bekommen.

Es tut sein Schattenwerk im Unbewussten und beschert uns hohe Kneipenrechnungen, eingeschlagene Zähne, zerbrochene Beziehungen, abgebrochene Stiefelabsätze und elende Selbstanklagen. Wir telefonieren mit unseren besten Freundinnen, wir zerstören unser Mascara beim Flennen, wir treten gegen Schaufenster und bleiben mit den Springerstiefeln in der Fensterfront hängen (ja das ist mir passiert! – und es tat weh!).

Wir sollten uns an diesen kleinen aufmunternden Text erinnern, wenn wir mal wieder meinen, wir seien die hässlichste, doofeste Tante oder der zu weiche, bekloppte und böse Onkel. Aus welchen Gründen auch immer – wir lieben uns in diesen Momenten nicht wirklich. Und wir haben genau so viele gute Gründe uns zu ändern, wie wir Gründe haben, genau so zu bleiben, wie wir sind. Nur sehen wir das natürlich in dieser Situation nicht.

Wir sehen auch nicht, dass Leben nicht nur aus Entweder-Oder-Situationen besteht, sondern dass es einen Bereich des Sowohl-als-Auch und des „FUCK OFF – ich mach gar nix“ geben könnte. Ich betone: könnte! Denn wir wollen so gerne dazu gehören, zu den Erfolgreichen, zu denen, die es geschafft haben, die sich disziplinieren, verorten können und wissen wer sie sind – aber nicht warum.

In diesen Situationen empfehle ich die Alienation auf die Spitze zu treiben und einfach zu sagen: „Ich muss gar nix! Nicht jetzt, nicht heute und morgen vielleicht auch nicht! Und dann bin ich halt verwirrt und will mich ändern, und dann flenn ich halt und dann kotz ich halt in irgendeinen V-Ausschnitt (hab ich auf nem Aufkleber gelesen!). Genau dieses Chaos ist Teil von etwas, das LEBENDIGKEIT heisst, von Unvollkommenheit, von Verletzlichkeit – und von Offenheit dafür. Denn genau in diesen Situationen wird es richtig produktiv: Wir bleiben ALIEN! Wir bleiben LEBENDIG! Und dann: Dann ändern wir uns vielleicht irgendwie, aber ganz sicher ohne Stress und ohne Massregelvollzug. Eben als menschenfreundliche Aliens…

In diesem Sinne mit den Worten von Roky Erickson : BLEIB ALIEN

Noch ein kleiner Nachspann: Ohne Humor kann ich gar nicht mehr über meine eigene Vielschichtigkeit und Verworfenheit, meine eigene Unvollkomenheit schreiben. UNd wenn mir hunderte von Menschen (Verzeihung: Aliens!) begegnen, die darunter höllisch leiden (so wie ich so oft und immer wieder) bestätigt das nur meine leise Vermutung, dass es „keine Perfektion im irdischen Leben“ gibt. Und meine Vermutung speist sich aus hundertfacher Erfahrung in meinem eigenen Leben – und den gespiegelten Erfahrungen anderer Menschen (alter, junger, männlicher, weiblicher!). Ich will niemand damit „durch den Kakao ziehen“ – ausser mich selbst vielleicht.

Wir müssen alle lernen – ich wiederhole: lernen – uns selbst zu vergeben, uns mehr lieb zu haben, auf uns – und aufeinander aufupassen. Ich passe auf die Menschen auf, die mir begegnen.


Ich lasse mich von ihnen berühren – und ab und zu berühre ich sie auch. Ich will genommen werden wie ich bin und nicht, wie ich sein könnte! Ich will geliebt werden, weil ich es einfach so wert bin (und ich bin es, jawoll!). Und weil ich selbst lerne, die „Gaben der Unvollkommenheit“ in mir zu kultivieren, empfehele ich es wärmstens auch meinen Mitmenschen.

Von mir gibt es kein Mitleid. Damit würde ich mich nur auf eine höhere Stufe als die Menschen stellen, die mir begegnen. Es wäre arrogant, zu meinen, ich sei irgendwie besser oder schlauer als irgend jemand anderes. Aber, hey: Die anderen sind auch nicht schlauer als ich! Jedenfalls nicht immer! Und das ist gut so!

Hexentanz

Ich stehe in Thale auf dem Hexentanzplatz. Wir sind hochgefahren mit der Gondel. Und hier fühl ich mich wohl. Mit guter Rundumsicht in den Harz. Schierker Feuerstein, Nordhäuser Doppelkorn, Grubenlicht. Neben mir die beste Frau, die ich gerade kenne. Die mich hierher gebracht hat. Ich bin hier und bin nicht allein. Tausend Jahre – Tausend Nächte. Mein Herz ist erfüllt von Wärme und Zuversicht. Hier gehöre ich hin.

Und dieses Jahr, im Jahr 2013 – viele Jahre nachdem ich im Harz war – bin ich wieder allein. Aber von überall her sind mir weise Lehrerinnen und Zauberer begegnet. Freundinnen und Freunde, die ich liebe, wie sie sind – die mich lieben, wie ich bin. Und wenn ich mich ändere, ändert das nichts an unserem gegenseitigen Respekt. Unsere Bereitschaft, Gemeinschaft und Zugehörigkeit immer wieder neu entstehen zu lassen – diese Bereitschaft macht uns zu denjenigen, die in der Nacht zum ersten Mai gemeinsam tanzen und lachen und von einer Welt in die andere fliegen.

Zaunreiterinnen, Zauberwirkerinnen, Magier und Hexer – wir alle sind eins! Jede und Jeder auf ihre / seine Weise. Wir brauchen keine Hierarchie, weil wir uns selbst beherrschen. Aus tiefstem Herzen, mit klaren Gedanken und entschlossenem Handeln. Auf ins „Glücklich-Sein“ …

Zur Dokumentation seien die 13 Ziele der Wicca genannt – vielleicht sind sie dir Inspiration?

Lerne dich selbst kennen.

Erlerne die Kunst (craft).

Lerne.

Wende dein Wissen mit Weisheit an.

Erreiche völliges Gleichgewicht

Halte Ordnung in deinen Worten

Halte Ordnung in deinen Gedanken.

Feiere das Leben.

Verbinde dich mit den Zyklen der Natur.

Atme und iss richtig.

Pflege deinen Körper.

Meditiere.

Ehre die Lady und den Lord.

Always be True To Your Self

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Ich habe gute Gründe, warum ich mich so verhalte und handle und wie ich es mit mir und anderen Menschen halte. Viele dieser Gründe sind mir mittlerweile bewusst geworden. Einige bahnen sich ihren Weg in meinen Alltag aus den Tiefen meines eigenen persönlichen Unbewussten und dem unermesslichen Speicher des gemeinschaftlichen (kollektiven) Un(ter)bewussten.

Ich verkörpere Werte, Haltungen, Einstellungen lebendig und wirkmächtig. Ich hinterfrage und analysiere mein eigenes Handeln immer wieder in Hinblick darauf, ob ich mir noch „selber treu“ bin. Die Gedächtnisinhalte, die sich auf meine eigene Person beziehen nenne ich mein „Selbst“. Ich bemerke in meiner Eigenreflektion auch, dass mein Selbst (dem ich Treue „geschworen“ habe!) sich verändert, durch Wandlungen hindurchgeht. Erinnerungen verblassen, andere Erlebnisse bleiben im Gedächtnis. Der Aufmerksamkeitsfokus ändert sich von Zeit zu Zeit. Neue Wünsche entstehen, andere sind erfüllt (worden).

Ich beobachte bei meinen Freundinnen ebenfalls solche Änderungsprozesse. Ich habe den Eindruck, dass auf der Suche nach dem „Kern“ der Persönlichkeit wohl dauerhaft keine Schätze zu finden sein werden. Schlichtweg deshalb, weil es so etwas nicht zu geben scheint: einen zeitlich überdauernden Persönlichkeits- oder Wesenskern. Man nimmt alltagspsychologisch such selbst öfter mal als statisch und fest im Zeitablauf wahr. Und setzt einiges an Energie ein, um diesen festen Kern zu schützen, ihm gerecht zu werden, ihn auszuhalten etc.

Ich kann in mir solch einen Kern nicht finden – ich finde stattdessen ein Kaleidoskop vieler miteinander interagierender psychischer Subsysteme, die in einer dynamischen Lebendigkeit den jeweiligen Bezugsrahmen herstellen zwischen meinem „Selbst“, meinem „Ich“, der Intuition und der Eigenreflektion. Julius Kuhl hat in seiner PSI-Theorie geistreich und detailliert (wissenschaftlich) beschrieben, was ich (subjektiv) erlebe.

Treue zu meinem Selbst bedeutet metatheoretisch, nicht an den Inhalten meiner Gedächtnisinhalte festzuhalten (sie zu schützen, sie zu „beweisen“ oder sie zu rechtfertigen. Es bedeutet etwas Eigenwilligeres: Die Kunst, den Veränderungen im Selbst mit Freude und Zuversicht zu folgen. Ohne dabei inhaltlich sich zu beschränken, ohne sich zu etwas zu zwingen. Die grösste Kraft erlebe ich, wenn ich mir erlaube, meinem Selbs zu (ver)trauen.

Der Buddha meinte dazu: „Alle fünf Skhandas sind leer!“. Damit wollte er ausdrücken, dass sich unsere Persönlichkeit zusammensetzt aus aggregierten und zusammengesetzten Einzelteilen, wobei der jeweilige Inhalt zweitrangig bezüglich ihrer Struktur ist. Das ist mit der „Leerheit“ (sanskr. sunyata) gemeint. Und die jeweilige Struktur ist ebenfalls nur in ihrem Aspekt der Formgebung (sanskr. rupa) relevant. So oder so: weder Leere noch Form vermögen dauerhaft eine Antwort auf die Frage nach der eigenen Identität zu geben.

Ich habe Nagarjunas MMK sehr oft gelesen, ich habe das Sutra verstanden und mein Verständnis hat wesentlichen Anteil an meiner Verhaltenssteuerung. Einen mittleren Weg zwischen Ichverlöschung und Selbstaufgabe, rückhaltlosem Egoismus und unbegrenztem Mitgefühl gehen: das ist der Vorschlag des Buddhas, den ich angenommen habe, dem ich mich freiwillig verpflichtet fühle und der mein Leben mitgestaltet seit mehr als 25 Jahren. Und das Schöne darin ist für mich, dass ich mich weder als Sklave einer Religion fühle, noch alle Tugenden (Silas) immer (ein)halten muss, um vor mir selbst bestehen zu können. Meine Selbstachtung und mein Stolz auf mich ist über die Jahre erst behutsam wie ein Baum gewachsen. Aber dafür ist dieser Baum äusserst robust, knorrig und alles andere als gerade. Und das gefällt mir: was vielleicht die Hauptsache ist!

Allein und Einsam – kämpft als Brüder und Schwestern!

Allein zu sein, ist sehr hilfreich, um die Tiefe und Begrenztheit des Eigenen spüren zu lernen. Wenn ich mich dann noch weiter analysierse, was mich von anderen unterscheidet, wird es dünner, das Eis, auf dem ich Schlittschuh fahre mit meinen Mitmenschen.

Es gibt gar nicht den Unterschied, den ich finden könnte. Uns verbindet mit jedem anderen Menschen viel mehr, als wir von einander getrennt sind. Aber wir erleben das Getrenntsein immer wieder, wenn wir ganz ehrlich zu uns sind. Dann sind wir nicht nur allein, wir sind einsam. Einsamkeit in ihrer Kälte, Härte und Ausschliesslichkeit läßt uns erstarren. Unbewegt starren wir in die konturlose Weite – in ein Nichts und Niemand, das uns keine Antworten entgegenweht.

In der Einsamkeit befinde ich mich in höchster Höhe mit gutem Rundumblick – ohne irgend etwas zu erkennen und ohne irgend etwas zu spüren. Erst wenn ich wieder allein auf dem Gipfel des Berges sitze, vermag ich die Erhabenheit zu fühlen, die darin liegt. Einsamkeit fühlt sich auch manchmal so an, als säße ich in einem tiefen dunklen Loch – berührt nur von kalter, feuchter Erde. Selbst der Ausschnitt des Himmels, der dort oben aus dem Erdreich ausgestanzt ist, birgt keine Hoffnung.Erst wenn die Kühle und Feuchte der Erde mich wieder birgt, bin ich allein.

Hoffnungslosigkeit ist ein Merkmal der Einsamkeit. Wenn du dich niemals einsam gefühlt haben solltest, wird es dir ziemlich schwer fallen, mit der Einsamkeit anderer Menschen umzugehen. Du wirst nicht verstehen können, wo hinein Einsamkeit sich einfräst. Und du wirst die Sehnsucht nach Zugehörigkeit und Geborgenheit als Schwäche interpretieren.

Bedürftigkeit ist, wenn der Druck, deinen Bedürfnisse zu befriedigen, übermächtig dein Handeln bestimmt. Wenn der Mangel an gefühlter Nähe und Gemeinsamkeit so gross geworden ist, bleibt dir kein Ausweg als in die erstbeste Nähe zu flüchten. Du hast dann keine Wahl, keine Option, da gibt es kein Abwägen oder Planen – alles Kennzeichen der autonomen Selbstregulation. Im Moment der Bedürftigkeit, verfolgst du keine Ziele – außer die Bedürftigkeit, den Mangel zu beseitigen. Ob der empfundene Mangel dazu beiträgt, dass du authentisch du selbst bist (oder bleibst) ist mehr als fraglich für mich.

Solche Bedürftigkeit anzunehmen und zu befriedigen ist ein Gebot elementarer Menschlichkeit für mich. Wenn ich aufpasse, dass es nicht in Mitleid umschlägt, sondern beim Mitgefühl bleibt, kann das sogar wirklich Liebe sein. Wenn der Modus der Interaktion fast immer so bleibt, sind es aber vermutlich nicht Amor oder Eros, die da spielen, sondern die Verwertung menschlicher Bedürfnisse – es ist ein Modus eines Egoismus, der sich auf die Einverleibung des Fremden ins Ich versteht. Das eigene Ich schwingt sich um so höher empor, wie der Partner am Boden liegt. Und darin ist nichts Eigenes des Mitleidigen mehr, das diese Hierarchisierung rechtfertigen könnte. Es ist in gewisser Weise gerade das Gegenteil jeglicher Liebe – darin kommt der Haß auf das Schwache, Wehleidige und Einsame des Partners zum Vorschein. Es ist, als stände der Eine in der Licht der Sonne und der Andere bliebe (für immer) in der Tiefe der Nacht. Das kann ich spielen – aber niemals leben!

Ich kenne die Einsamkeit sehr gut. Die Erstarrung, das Versteinerte in mir. Die Einsamkeit selbst ist für mich aber nicht eigentliche Schwäche. Sie ist der notwendige Pol des Allein-Seins. Die Einsamkeit ermöglicht Allein-Sein. Das Allein-Sein erlaubt Liebe. Liebe macht Verschmelzung und Einheit. Einheit schafft Fülle im Inneren. Fülle, die ausdruckslos wird, ist Einsamkeit. Das Auftauchen daraus schafft Allein-Sein.

Der „erwachende Morgen“ (Feinberg) ist der Mut, sich berühren zu lassen und zu berühren im lichten Tag. In der Hitze der Mittagssonne verschmelzen die Fremden zu einem Ganzen. Und wenn die Abenddämmerung heraufzieht, gehen sie ihrer Wege, beide allein – gefüllt mit den gemachten Erfahrungen. Aus dieser Fülle treten sie in ihre je eigene Nacht. Wenn ich Alles sozusagen in mich aufgenommen habe bin ich im Zustand tiefster Einsamkeit – aus der Sichtlosigkeit, einer Fremdblindheit. Wird die Fülle der Welt (des Außen) so prall, dass sie sich ins Allein-Sein entladen kann (als würden sich die Augen öffnen) beginnt die Morgendämmerung. Wenn die Einsamkeit die tiefste Nacht ist, ist das Allein-Sein die Dämmerung.

„Der Mond ist nützlicher als die Sonne, weil es nachts dunkel ist“ (Mullah Nasrudin). Der Mann, der in sich die Formgebung aktiviert und die Frau, die die Wonne der Kraft spürt: darin ist ein möglicher Schlüssel gegeben, wie jenseits eines Spiels mit Hierarchie und Macht, Unterschiedlichkeit und Ununterscheidbarkeit in einen Tanz einsteigen könnten.

Der Zyklus zwischen tiefster (oder höchster) Einsamkeit zweier Fremder, Getrennter bis hin zur ununterschiedenen und unnunterscheidbaren Einheit der Beiden läßt auch die Melodie vom Licht (Persona) und dem Schatten (Über- / Unpersönlichem) leise anklingen. Als würde der Wind die Klänge durch Nacht und Tag tragen könnte. Und weil alles – wirklich alles – in stetiger Veränderung begriffen und dynamisch wirkmächtig ist, gibt es den Stillstand, die Totenstille der Einsamkeit nur als Übergang, als Katapult in die Lebendigkeit. Ohne die Spannkraft dieses Katapults wird das Leben viel weniger lebendig sein.

Und daher gibt es auch Vollkommenheit nicht in den Inhalten unserer Gefühle, Gedanken oder unserem Körper. Sie ist nur ein Übergang in Unvollkommenheit. Unsere Ziele können – wenn wir das wilde und schöne Leben wollen – sich weder auf den einen noch den anderen Pol beziehen, ohne daran zu zerbrechen – oder eben zu Grunde gehen. Die Kraft der Leere und die Weichheit der Form: da ist Einheit in jedem Menschen!.

Damit ich nicht falsch verstanden werde. Wer nicht bereit ist, sich selbst auf diesen Pfad zu begeben, wer also nicht bereit ist, Schmerz, Leid, Ekstase und höchste Freude zu fühlen, braucht nicht auf mein Mitleid zu hoffen. „Doch die Kühnen und die Stolzen, die Königlichen und die Erhabenen: ihr seid Brüder! Als Brüder kämpft!“ (LavL). Nur eben nicht als schicksalsgegebene, schon vorgegebene und Adelslinien etablierende Ordnung der Welt bis in alle Ewigkeit. Denn der heiligste Kampf ist eben der, der mich  selbst fähig macht, die Fülle und die Leere in mir zu achten, stolz und erhaben. Und als König meiner Welt Seite an Seite mit den anderen KönigInnen kühn dem inneren und äusseren Schlachtfeld zu begegnen: Brüderlich und Schwesterlich.

Das archetypisch Beste, nicht das stereotyp Schlechteste: Der unvollkommene Zirkel

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Männer und Frauen suchen aus vollem Herzen nach dem archetypisch Besten, nicht nach dem stereotyp Schlechtesten in ihrem Handeln. Wer danach nicht sucht, sehnt sich offenbar nicht danach, in der eigenen Tiefe einen Schatz ins Bewusstsein zu heben, der über das Rein-Persönliche hinausgeht.

Eine wesentliche Unterscheidung menschlichen Lebens ist die Diskrimination über den Körper. Dieser lässt sich binär als männlich oder weiblich klassifizieren. Und dass das einen Unterschied macht, wird kaum jemand ernsthaft bestreiten.

Natürlich eint uns alle unser Mensch-Sein. Aber diese Einheit ist in der praktischen Realität der Allerwenigsten angekommen. Wir hinterfragen zu Recht gesellschaftliche Verhältnisse (Kultur, Bildung, Arbeitsverhältnisse, Reichtum etc.) und lassen unseren Fragen manchmal Konsequenzen in unserer Wahl ober Ablehnung folgen.

Ich habe den Eindruck, dass eine körperliche Mann-Frau-Identifikation deshalb kaum in breiten Gesellschaftsschichten thematisiert wird, weil die biologisch-determinierende Tatsache einer binär-polar organisierten Leiblichkeit formal dem Diskurs entzogen wird.

Damit wird der dynamischen, in dauernder Veränderung begriffenen Grundlage menschlichen Lebens jede (zumindest prinzipielle) willentliche selbstbestimmte Änderbarkeit abgesprochen. Die Aneignung des Leibs bleibt meist auf die Haut oder kurz unter der Haut (subkutan) stehen. Sie dringt (noch) nicht massenhaft auf das letzte Bollwerk selbstinszenierter Unterdrückung vor: die Geschlechtlichkeit des eigenen Leibs.

Es ist nicht der Körper selbst, der dabei Mittel menschenkonstruierter Unterdrückung ist – es ist die als unabänderliche gesetzte täglich wiederholte Geschlechtskategorisierung, die letztlich keinen Platz lässt für (auch gesellschaftlich akzeptierte) Formen der Körperneukreation jenseits der oben angesprochenen Schlechtesten vorhandener Stereotypen.

Und diese Raumlosigkeit oder Enge zwischen den Polen eines entindividualisierenden Geschlechtszuschreibungverfahrens untergräbt meines Erachtens wirkungsvoll und mächtig ausnahmslos ALLE IDEEN, die Autonomie, Selbstständigkeit und Verantwortung des /der Einzelnen zum Ziel haben.

Es ist eine Frage, eine Suche, die wir alle nur dann stellen oder aufnehmen, wenn uns Licht, Liebe, Freiheit und Autonomie in unseren Herzen WIRKLICH wichtig sind. Wie können wir glauben (oder meinen), wir seien Kreative (Schöpfer) unseres eigenen Lebens, wenn wir darauf keine Antwort in uns selbst finden können?

Was liegt unter der Oberfläche, unter unserer Haut? Und wieso könnte es spannend und aufregend sein, sich genau damit zu beschäftigen? Welches Diktat schreiben wir uns in unsere Körper ein – und wer bestimmt darüber? Ich bin auf die Suche nach den Wurzeln von Weiblichkeit und Männlichkeit gegangen – ich habe meine Antworten gefunden in einer tiefen beherzten Menschlichkeit, bereit, genommen zu werden und zu nehmen, zu empfangen und zu geben. Und dieser Mensch – der ich bin – hat keinen Namen mehr.

In der buddhistischen Terminologie konstituiert sich ein unterscheidbares (also diskriminationsfähiges) Einzelwesen durch das Sanskrit-Begriffspaar nama (Name) und rupa (Körper). Und ganz ähnlich wie in dem alten Zen – Koan aus dem Shobogenzo von Dogen Zenji sind Berge, Täler und Wälder vor und nach einer spirituellen Erfahrung oberflächlich die Gleichen geblieben. Das Bezugssystem des Praktizierenden hat sich allerdings grundlegend gewandelt.

Das Objekt meiner mehr als dreijährigen intensiven Quest war mein Körper und meine (Selbst-) Bezeichnung, also mein Name. Sie ist heute (zehn Stunden, bevor der zunehmende Mond aufgeht) beendet. Meine Ergebnisse sind profund und erfahrungsgeleitet. Sie werden teilweise in eines der Bücher einfliessen, dass ich gerade schreibe. Alle meine Ziele sind erreicht – ganz anders als ich ursprünglich dachte, aber sie sind erreicht. Ich habe meinen Körper gegen alle Widerstände erfolgreich transformiert. Ein Viertel meines Körpergewichts habe ich losgelassen. Ich glaube, dass darin Selbstbemeisterung zu finden ist.

Ich wollte ein Mann werden – und bin ein erwachter Mensch geworden. Ich habe auf meinem Weg gelernt, dass es keinen Endpunkt meiner Suche gibt, die alle Zweifel ausräumt aber es gibt ein (empfindliches) Gleichgewicht, das rund ist – ein unvollkommener Zirkel. Das ist das Zeichen, das sehr schön ausdrückt, was ich für mich gefunden habe.

Während ich versucht habe, meinen Kreis so akkurat und exakt wie möglich zu ziehen, wurde immer wieder nur etwas Halbrundes daraus. Ich habe den offensichtlichen Charakter dieses Vorgangs lange ignoriert. Doch mir ist jetzt klarer, dass Unvollkommenheit (der „schiefe“ Kreis) das Wesen – nicht nur meiner – menschlichen Existenz ist: Die Ausgleichung.

Jeder Mann und Jede Frau ist ein Stern!